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Den nächsten Tag verbrachte ich damit die Gegend zu erkunden. Mary hatte mir mütterlich ein Lunchpaket gemacht, sodass ich auf gut Glück ins Grüne laufen konnte, ohne zu verhungern.

Ich fühlte mich wie zu Hause, all das Grün und die Gerüche, trotz des Winters. In diesen Moment dachte ich nicht mal daran, dass ich meine Entscheidung, hierher zu kommen, jemals bereuen würde. Ich war schon immer Landkind. Besuchte ich meine Schwester mal für längere Zeit in der Kleinstadt, in der sie lebte, war es als würde ich eingehen, als würde mir das Licht zum Strahlen und die Luft zum Atmen fehlen.

Hier nun zu wandern ist ein Traum. Die Luft zeigte noch Spuren des gestrigen Gewitters, das Gras war feucht und rutschig und hier mal da lagen vereinzelte Äste, die der Wind und der Regen wohl runter geholt hatten. Auf meinen Gesicht erschien ein Lächeln, dass so schnell nicht verschwinden sollte. Ich sog meinen neuen Lebensraum voll Neugier auf und betrachtete alles, wie ein Kind.

Natürlich war es damals vor 11 Jahren auch wunderschön hier, doch entweder verbrachte ich die Zeit damit die typischen Touristenattraktionen mit meiner Klasse zu bestaunen oder ich besuchte die Geheimtipps der Inselbewohner, die Dylan mir zeigte. Einiges, was er mir zeigte, das muss ich gestehen, konnte ich damals jedoch nicht mit ihrer vollen Schönheit aufnehmen, da ich viel zu sehr von ihm und dieses völlig neue Gefühl, das er auslöste abgelenkt war. Diese Liebe, die ich damals spürte, war eine völlig andere, als die für Tobias. Es fühlte sich an, wie kitschig es auch klingt, als hätten wir uns gesucht und gefunden.

Und verloren. Er hatte es versprochen...

Ich schüttelte leicht meinen Kopf und die Nebel der Vergangenheit zogen aus meinen Kopf.

Mein Weg musste leider zurück gehen, da ich noch zu Finley wollte. Deshalb drehte ich mich um und lief den selben Weg zurück. Eigentlich hatte ich geplant von hier aus gleich das Innere der Stadt anzupeilen, jedoch machte mir der für Skye typische Nebel einen Strich durch die Richtung. Ich sah die Stadt kein bisschen...

Der Rückweg kam mir länger vor als der Hinweg, jedoch schob ich es darauf, dass ich mehr Elan hatte, die Gegend zu erkunden, als diese zu verlassen. Statt mir sorgen zu machen, genoss ich also einfach weiter die wunderschöne Natur der Insel und lief weiter.

Als ich jedoch das unverkennbare Schnauben eines Pferdes, besser gesagt von mehrern hörte, stutzte ich. Mary hatte keine Pferde...

***

"Jackson jetzt hab dich nicht so. Ein paar Tage an der Longe tun dir auch nichts Schlimmes. Ich kann doch nichts dafür, dass du niemanden anderes auf dich reiten lässt und ich nun mal außer Gefecht gesetzt bin. Wenigstens ein, zwei Tage muss ich dieser Ärztin Recht tun und mich schonen."

Eine mir nicht unbekannte Stimme schallte zu mir hinüber und ich ließ meine sogleich antworten:

"Das würde ich ihnen aber auch raten. Es bringt nichts, wenn Sie vom Pferd stürzen und diese wunderbaren Tiere darunter leiden, weil niemand sie niemand ordentlich bewegt."

Ich streichelte sanft über die Nüstern einer fuchsbraunen Stute und stellte mich dann ans Paddock, in dem Dylan und ein dunkelbrauner Hengst sich gegenüber standen. Sie sahen aus wie zwei streitende Brüder und nicht wie Mensch und Tier.

"Einen schönen Tag, was bringt Sie zu mir", sprach der, überrascht mich zu sehen, aus.

Lächelnd entgegnete ich: "Der Nebel".

Dylan lächelte zurück und ich bückte mich zwischen zwei Bretter des Zaunes durch und bewegte mich auf die beiden zu.

"Guten Tag Jackson? Es freut mich dich kennen zu lernen", sprach ich den Hengst an und krauelte ihn hinter seinen Ohren.

"Du bist ein wirklich hübscher".

Nach meinen Worten drehte ich mich zu den Schotten um. Dieser blickte mich aufgerissenen Augen an. Es fehlte nur noch, das sein Mund weit offenstehen würde.

"Ist irgendwas?", fragte ich den geschockten Kerl.

"Du...du. Ich wollte Sie gerade noch warnen. Ich habe Monate damit zugebracht ihm überhaupt ansatzweise so nah zu kommen. Und Sie... Ich hab gedacht er würde Sie...".

Es überraschte mich nicht im geringsten, das Dylan so reagierte. Ich hatte schon ähnliche Reaktionen erlebt.

"Ich kann halt gut mit Tieren und auch mit Kindern", sagte ich darauf nur achselzuckend.

Noch nie hatte ich so etwas wie Angst in der Nähe eines Tieres gespürt, wenn dann nur Respekt, denn jedes Lebewesen verdient diesen. Ich war mit Tieren aufgewachsen.

"Als ich kleiner war, hab ich jedes Mal meiner Mutter fast einen Herzinfarkt verpasst, weil ich es grandios fand, dass ich unter den Körpern der Pferde passe. Immer wenn niemand hingeschaut hat, war ich schon mitten drin, umgeben von Tieren. Heute weiß ich wo meine Grenzen und die der Tiere liegen."

Bei der Erinnerung schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

McKenzie bewegte den Hengst mit einer Sicherheit, wie ich sie nur selten sah. Wie würde er erst AUF einen Pferd aussehen? Diesen Genuss konnte ich jedoch nur wenige Augenblicke genießen, weil ich dann etwas bemerkte, dass mir gar nicht gefallen wollte. Jackson, wie das Pferd so schön hieß, schwang beim Laufen seine rechte Hinterhand nach Außen, obwohl er seine Kreise mit der linken Innen drehte. Außerdem schimmerte mir etwas entgegen, wenn Licht auf die rechte Seite schien. Völlig in Gedanken verließ ich meinen Platz am Rand des Paddocks und ging geradewegs auf McKenzie zu.

"Sie wissen sicherlich, dass er nach rechts ausschert? Könnten Sie mir bitte erklären, wieso?".

Ich blickte ihn beim Sprechen nicht an, stattdessen versuchte ich das Pferd zu analysieren.

"Er wurde geschlagen nicht wahr und ich hoffe für Sie, dass sie das nicht wahren. Mary wäre sehr enttäuscht."

Gefühle im NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt