Epilog

232 3 0
                                    

"Penny, Penny, Penny?!", ruft Sheldon während er an Pennys Tür klopft.
Eine meiner Lieblingsserien läuft gerade und ich liege vor dem Fernseher auf dem Sofa. Neben mir auf dem Tisch befindet sich eine grosse Schüssel voller Chips, die nach und nach immer leerer wird. Genüsslich verschlinge ich einen Chip nach dem anderen, denn ich liebe es mit Chips vor dem Fernseher zu sitzen. Irgendwie beruhigt es mich. Ich geniesse diese Auszeit, denn ich hatte einen stressigen Tag in der Uni und brauche das um abschalten zu können. Hier kann ich mich einzig auf die Serie und ihre Handlung konzentrieren und muss nicht über die bevorstehenden Prüfungen nachdenken, da diese mir eine Heidenangst bereiten.
Manchmal bin ich voller Selbstzweifel, in diesen Momenten verabscheue ich mich beinahe selbst, denn ich will nicht mehr schwach sein! Ich habe viel zu viel Zeit meines jungen Lebens damit verbracht in Selbstmitleid zu baden. War viel zu lange passiv, lathergisch und hoffnungslos. Habe so viel Zeit verschwendet. Und dies alles wofür? Für wen? Für nichts und niemanden. Es hat niemandem was gebracht. Es ist einzig und allein traurig, dass ich es so weit kommen liess, sodass ich praktisch eine depressive Phase durchleiden musste. Ich bin heilfroh, dass ich mich aus diesem tiefen, schwarzen Loch befreien konnte. In dieser Hinsicht bin ich wiederum stolz auf mich und danke Gott dafür, dass er mich wieder auf den richtigen Weg geführt hat. Dieser Gedanke kommt mir oft im Alltag und mein erfolgreicher aber auch sehr anstrengender und schwieriger Ausbruch aus meinem damaligen Tief hilft mir durchzuhalten und nicht gleich bei kleineren Schwierigkeiten zu verzweifeln, wie es davor ganz meine Art war.

20 Minuten später liege ich noch genau an der gleichen Stelle. Die Schüssel mit den Chips ist mittlerweile leer und ich habe Durst. Auch The Big Bang Theory ist nun zu Ende und ich schaue auf die Uhr.
Es ist schon 21 Uhr! Schlagartig fällt mir ein, dass ich mich schon lange nicht mehr bei Emanuel gemeldet habe. Mein Handy liegt im Zimmer und ist am aufladen, deswegen habe ich es ganz vergessen. Andererseits geschieht es ihm recht, er meldet sich doch auch nur alle 3-4 Stunden, jetzt hat er die Quittung dafür bekommen.

Emanuel kenne ich schon seit ich ein Kind bin. Damals spielten wir oft Fussball miteinander oder gingen Rollschuhlaufen. Man könnte fast sagen, dass er meine Sandkastenliebe war. Mit der Zeit verloren wir jedoch dann immer mehr den Kontakt zueinander und entwickelten unterschiedliche Interessen als wir aufwuchsen. Da er dann schliesslich irgendwann mit seiner Familie auch noch wegzog hörten wir ca. 10 Jahre überhaupt nichts mehr voneinander.
Bis vor etwa einem Jahr, als er mich im Facebook entdeckte und wir zu schreiben anfingen. Zuerst dachte ich, dass er einfach freundschaftlich sich wieder bei mir melden wollte, der alten Zeiten willen, doch dann fragte er mich ob wir mal was trinken gehen wollen und ich erkannte, dass er möglicherweise Interesse an mir haben könnte. Ab da an schrillten bei mir alle Alarmglocken, denn ich hatte den Männern abgeschworen. Vor Kurzem hatte ich mit meinem Wirtschaftssudium angefangen und wollte mich gänzlich darauf konzentrieren. Auf eine Beziehung hatte ich nebst keiner Zeit auch keine Lust. Um solch ein Risiko erneut einzugehen, war ich zu gezeichnet, denn ich hatte bei dem Versuch die wahre Liebe zu finden sehr viel durchleiden müssen.

Ich laufe in mein Zimmer, hole mein Handy und lege mich wieder aufs Sofa im Wohnzimmer. Nachdem ich mein iPhone entsperrt habe, gehe ich bei Whats App online. Meine Cousine hat mir geschrieben. Sie hat mir Bilder von Hochzeitskleidern geschickt, denn dies ist eine gemeinsame Leidenschaft von uns. Mit einem Smiley antworte ich ihr, gehe aus ihrem Chat wieder raus und suche Emanuels Chat. Diese Suche ist schnell beendet, da er gleich nach meiner Cousine drankommt.
Während ich mit meinem Handy beschäftigt bin kommt mein jüngerer Bruder kommt zu mir, setzt sich vor mich auf den Boden hin und erzählt mir von einem Erlebnis heute in seiner Schule. In diesem Moment fällt mir etwas Komisches am Chat von Emanuel auf. Mein Bruder wird sauer, weil ich ihm keine Beachtung schenke und ihm nicht zuhöre. "Leonoraaaaa!", ruft er. "Hör mir doch mal zu." Ich schaue ihn mit leerem Blick an. Er merkt, dass was nicht stimmt also gaukle ich ihm vor mir wäre übel, renne schnell ins Badezimmer und verschliesse die Tür hinter mir.

Ich glaube das einfach nicht. Das kann doch nicht sein? Wo ist da der Sinn? Wieso tut er das? Ich hab doch nichts getan... Nur weil ich ein par Stunden nicht geantwortet habe? Nein, dass kann nicht sein. Whats App muss irgendwelche Störungen haben, das kann nicht sein.
Ich gehe zurück auf den Chat meiner Cousine. "Hey, kannst du bitte schnell Emanuels Nummer abspeichern und gucken, ob du bei ihm ein Bild siehst?", bitte ich sie. Sie schreibt sofort zurück: "Hä?! Wieso? Was ist los? Habt ihr euch gestritten und dann hat er dich blockiert oder wie?" "Nein, aus dem Nichts... Ich hoffe es ist nur eine Störung von Whats App." Eine Minute später kommt die Ernüchterung: "Leonora...Ich glaube er hat dich echt blockiert. Ich nämlich sehe ein Bild bei ihm..."
Kurzerhand gehe ich offline und beschliesse ihn anzurufen. Das hab ich noch nie getan, ihn einfach so von mir aus angerufen. Wir haben zwar oft telefoniert, aber dann hat immer er mich angerufen und nie ich ihn.
Meine Aufregung steigt von Millisekunde zu Millisekunde aber gleichzeitig auch mein Ärger. Ich bin so sauer. Wieso tut er sowas, bestimmt wird er jetzt nicht mal rangehen. Doch das Gegenteil ist der Fall. "Hallo", hör ich ihn am Ende der anderen Leitung sagen.

Mein Herz droht aus der Brust zu springen, so aufgeregt bin ich. "Ehm... Hallo", höre ich mich verdutzt sagen, denn ich habe wirklich nicht erwartet, dass er rangeht. "Wie geht's?", fragt er, so als wäre nichts. Ich bin noch verwirrter und weiss nicht wie ich mich verhalten soll. Soll ich sauer sein und ihn gleich zusammenstauchen oder zuerst mal so tun als würde es mich nicht stören? Ich entscheide mich für zweiteres, da es nicht meine Art ist eine Szene zu machen. "Gut und dir? Du was ist los im Whats App?" "Leonora... Es geht nicht", antwortet er mir vorsichtig. Mein Herz lässt einen Schlag aus. Was meint er jetzt mit 'Es geht nicht', dass die App nicht funktioniert oder, dass das mit uns beiden nicht mehr geht? "Was geht denn nicht?", frage ich vorsichtig. "Jaaa... Ich wollte dir ein paar Bilder schicken und es hat nicht funktioniert." Ich verstehe gar nichts mehr, bin aber etwas erleichert, dass er Whats App damit gemeint hat. Doch was hat das denn damit zu tun, dass es so aussieht als hätte er mich blockiert? "Und du meinst es funktioniert nur bei mir nicht? Bin ich die einzige die du quasi blockiert hast im Whats App?" Ich höre für einen Moment nichts mehr von ihm. Es scheint so als würde er seinen Atem anhalten. Irgendwas stimmt nicht. "Leonora..." "Ja?" "Sie glauben mir nicht." "Wer glaubt dir was nicht?" "Sie glauben mir nicht, dass du meine Cousine bist. Sag Ihnen schnell, dass du meine Cousine bist." Bei mir dreht sich alles.
Er hat doch gar keine Cousinen, also kann es nicht sein, dass er seinen Eltern weismachen will, ich sei nur seine Cousine und nicht die Frau mit der er schon seit fast einem Jahr Kontakt hat. Ausserdem hat er meinen Namen genannt und, dass er keine Cousine namens Leonora hat, da bin ich mir ganz sicher. "Emm, was soll der Scheiss eigentlich? Wer sollte denn glauben ich sei deine Cousine?!" "Sag schnell, dass du meine Cousine bist..." "Wem denn und warum?!", unterbreche ich ihn. Zuerst ist es still am anderen Ende der Leitung. Doch dann höre ich plötzlich eine fremde Frauenstimme die reinredet. "Seine Freundin glau..", ruft sie von der Seite in sein Handy, doch noch bevor sie den Satz zu Ende sprechen kann, hat er schon aufgelegt. Ich muss mich setzen, denn meine Beine drohen unter mir wegzusacken. Oh mein Gott - nicht schon wieder, ist das einzige was mir immer und immer wieder durch den Kopf geht.

Doppelt verletzt hält besser (Albanische Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt