Twelve

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Wir fuhren wieder zu Sherlock nach Hause, wo wir uns vor seinen Kamin setzten. Er musterte mich kurz.

"Ich habe eine Idee", meinte er.

"Ahja?", fragte ich.

"Das Mädchen hatte 1,6 Promille in ihrem Blut", fing er an. "Sie hatte keine Straßenkleidung an, bedeutet, dass sie in einem Club unterwegs war."

"Und?", fragte ich weiter.

"Wie wäre es, wenn wir schauen, wie zurechnungsfähig wir in diesem Zustand sind?"

Ich sah ihn nur fragend an.

"Naja, laut ihrer Mutter hat sie das Haus um 22 Uhr verlassen. Zwischen 4 Uhr morgens und 6 Uhr morgens muss sie ermordet worden sein. Ihr Körper muss pro Stunde ca. 0,1 Promille abgebaut haben. Das heißt, sie hat maximal 2,4 Promille intus gehabt, eher weniger."

Ich nickte.

"Also werden wir heute Abend trinken gehen und sehen, wie es uns bei einem ähnlichen Promille-Wert geht. Ich sehe Sie dann um 22 Uhr bei mir", sagte Sherlock.

Mit diesen Worten bat er mich Richtung Tür. Verwirrt lief ich die Treppenstufen runter, als er noch hinterherrief: "Aber ziehen Sie sich um!"

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Ich stand um Punkt 22 Uhr vor seiner Haustür und klopfte.

Wieder machte seine Vermieterin Mrs. Hudson die Tür auf.

"Ach Liebes, ich hab dich ja gar nicht erkannt! Ich glaube, Sherlock wartet oben schon auf dich."

Ich dankte ihr und lief nach oben.

Die Wohnungstür stand offen, also ging ich einfach in die Wohnung hinein Richtung Stube. Sherlock saß in seinem Sessel und sah mich erfreut an. Ihm gegenüber saß dieser gruselige Typ mit dem Regenschirm. Wie hieß er noch gleich? Mike? Myran? Marylin?

"Ah, Sophia, schön dass Sie da sind. Kennen Sie schon meinen wundervollen Bruder?", begrüßte mich Sherlock.

"Wir sind uns schon begegnet, Bruderherz", meinte Sherlocks Bruder trocken.

"Mycroft Holmes, um mich nochmal vorzustellen."

"Sophia", sagte ich etwas verwirrt und gab ihm die Hand.

"Ich gehe jetzt besser, dann sind die Turteltäubchen ungestört", meinte Mycroft und verließ die Wohnung mit seinem Regenschirm in der Hand.

"Der Typ ist Ihr Bruder?", fragte ich ich halb belustigt, halb entsetzt.

"Ja. Gehen wir?", erwiderte Sherlock.

Ich bejahte seine Frage. Augenblicklich griff er nach seinem Mantel, warf ihn über und zog mich wieder hinter sich her.

"Bin weg", schrie er in Richtung von Mrs. Hudson's Wohnung und lief mit mir vor die Haustür.

Draußen warteten wir auf ein Taxi, was um diese Uhrzeit natürlich schwerer war als tagsüber.
Wir standen nebeneinander, bis er, ohne mich dabei anzusehen, meinte: "Sie sehen anders aus als sonst."

Ich sah an mir runter. Den Knutschfleck hatte ich nur mühsam abdecken können, meine Haare hatte ich offen gelassen.
Ausnahmsweise trug ich mal ein enges Langarmshirt mit etwas Ausschnitt und High Heels.
Eigentlich war ich eher der Freund von weiter Kleidung und Sneakern, aber Alice hatte mich gezwungen, ihre Schuhe und ein anderes Oberteil anzuziehen, ehe sie sich wieder ins Bett verkrochen hat. Meine Wimpern hatte ich mir freiwillig getuscht.

"Danke", unterbrach ich die wieder entstandene Stille und lächelte ihn an, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob es wirklich ein Kompliment war.

Endlich blieb ein Taxi stehen, Sherlock zog mich hinein und nannte ihm einen Club.

Die Fahrt verlief komplett ruhig und innerhalb von 20 Minuten standen wir vor einem offensichtlich ziemlich beliebten Nachtclub.

Wir gingen rein und sofort dröhnte uns laute Musik entgegen. Ich drängelte mich mit Sherlock an die Bar und wir bestellten uns zuerst mal ein paar Drinks. Die ersten Bacardi-Colas und Kurzen waren schon leer, als der offensichtlich schwule Barkeeper uns noch mehr Getränke hinstellte.
Sherlock hielt mir einen Promille-Messer von der Polizei hin. Ich pustete rein.

0,6 Promille.

Ich fühlte mich befreit von meinen Sorgen, das warme Gefühl des puren Vodkas, als ich noch einen Kurzen in mich reinkippte war wie eine Sucht.
Immer mehr Alkohol floss, Sherlock pustete etwa eine halbe Stunde später in das Röhrchen des Promillemessers und hielt mir das Teil hin.
Schnell leerte ich meinen Drink und pustete rein.

1,5 Promille.

Der saure Cocktail, den ich gerade trank, hinterließ ein Brennen auf meinen Lippen.
Ich merkte, dass meine Sehleistung noch mehr zu wünschen übrig ließ, als sowieso schon.
Sherlock rüttelte an mir.

"Tanzen!", schrie er laut und führte mich zur Tanzfläche.
Ich hatte Probleme, mich auf den Beinen zu halten und gerade auf den High Heels wackelte ich extrem.
Sherlock hielt mich vorsichtig fest und tanzte dann mit mir auf der überfüllten Tanzfläche.

"Ich kann nicht tanzen!", lallte ich zu Sherlock.
"Zu spät", brüllte er gegen die Musik an.

Wir tanzten, bis wir nicht mehr konnten und tranken dann weiter.

2,2 Promille.

Es war schon nach Mitternacht, als dieses Ergebnis bei mir zustande kam.
Ich schmeckte die Cocktails kaum noch, ich trank nur noch.

"Ich geh' aufs Klo!", schrie ich Sherlock zu und wackelte auf meinen High Heels davon. Auf der Toilette blamierte ich mir ich mich schließlich ziemlich. Erst fiel wegen der High Heels fast hin, dann musste mir eine andere Frau die Kabine öffnen, weil ich zu betrunken war. Als ich die Toiletten dann verlassen wollte, kriegte ich schließlich die Tür ins Gesicht gerammt und merkte ein wenig Blut an meiner Stirn runterlaufen. 

Ich torkelte auf Sherlock zu und musste mich an ihm festhalten, um nicht hinzufallen.

"Was ist passiert?", fragte Sherlock, der stark nach Alkohol roch.

"Bin hingefallen", meinte ich und zog meinen Mantel über. Sherlock hielt mir ein Taschentuch hin, das ich gegen meine Wunde drückte.

Wir gingen aus dem Club und Sherlock musste mich mittlerweile stützen. Bei einem Kiosk kaufte er noch eine Flasche Whisky und lief mit mir ein Stück.

2,4 Promille sagte die nächste Messung.
Ich trank einen großen Schluck Whisky nach dem anderen.

3,4 Promille.

Sherlock trug mich in ein Taxi und zog meine Schuhe aus.
Das war das letzte, an das ich mich erinnern konnte.

His second friend | Sherlock Holmes x OC #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt