Finn

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Rose und ich saßen am Strand, am Fuße einer der vorderen Dünen, die Pferde standen ein paar Meter entfernt. Grade eben hatten wir noch gelacht und rumgealbert, doch nun hatte sich eine drückende Stille zwischen uns breitgemacht. Diese Art von Stille, die immer unerträglicher wird, je länger sie anhält und wo man einerseits etwas sagen will, irgendetwas, nur um das Schweigen zu brechen, aber andererseits denkt, nur etwas falsches sagen zu können. Es war als würde einen die Stille verschlingen, wenn man jetzt nicht das richtige tat, aber woher zur Hölle sollte ich denn wissen, was das richtige war?

Da ich ja sowieso nur das falsche sagen konnte, beschloss ich, es einfach auf gut Glück zu versuchen: "Was ist los?" fragte ich und versuchte dabei so ruhig und sanft wie möglich zu sprechen, denn Rose schien, als würde sie gleich entweder in Tränen oder in Wut ausbrechen. Tatsächlich sollte später beides passieren, aber das konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen. Es verstrich eine viel zu lange Zeit, in der ich ihr einfach nur fest in die Augen sah und leider bemerkte, wie selbige langsam immer spiegelnder wurden.

Schliesslich wandte sie den Blick ab, Richtung Meer und began - zunächst leise und brüchig und doch brannte sich mir jedes Wort ein: "Was ist, wenn sie Recht hat, Finn? Was ist, wenn sie alle Recht haben? Vielleicht... vielleicht passe ich da wirklich nicht da rein. Ich bin keine Barbie, ich bin nicht perfekt, nicht reich, nichtmal strohdoof - und weißt du was?: Ich will das auch alles gar nicht sein!" Ich versuchte sie zu unterbrechen, ihr zu sagen, dass sie nichts davon sein musste, dass ich sie ohne den ganzen Scheiß wollte und dass ich doch die Rose liebte, die sie war, aber sie ließ mich erst gar nicht zu Wort kommen. "Und du kannst mir noch so oft sagen, dich würde das alles nicht stören und ich sollte die anderen doch einfach ignorieren," (Konnte sie Gedanken lesen?) "aber früher oder später wird dir das Probleme bereiten. Die Welt dreht sich nicht bloß um dich und das was du denkst und fühlst Finn. Was andere sagen zählt auch und irgendwann werde ich dir echt im Weg stehen. Du redest dir jetzt ständig ein, du würdest das irgendwie hinkriegen, eine Lösung finden. Du denkst, dass würde schon hinhauen, aber merkst du denn gar nicht, wie sehr du dich damit selbst belügst?!" Inzwischen schrie sie fast, sie war aufgesprungen und schien sich immer mehr in Rage zu reden. Ich stand ebenfalls auf und trat einen Schritt auf sie zu. "Rose..." began ich und streckte eine Hand nach ihr aus, doch sie wich vor mir zurück und unterbrach mich abermals: "Nein Finn! Lass mich einfach in Ruhe! Vielleicht ist es so auch am besten, vielleicht ist es besser, wenn du mich einfach vergisst." Ich konnte nicht glauben was ich da gerade gehört hatte. Das konnte nicht ihr Ernst sein, das konnte sie nicht tun! "Wie könnte ich dich vergessen..." sagte ich, so leise, dass es kaum noch hörbar war. Sie schluckte und sprach, ohne auf meine Bemerkung einzugehen und mit erstickter Stimme, weiter: "Je eher ich gehe, desto mehr Zeit hast du, dir eine Barbie zu suchen, so eine Miss Perfect und Schwiegermamis Traum. Und desto länger habe ich Zeit..." an dieser Stelle brach ihre Stimme ganz ab. Nun war es an mir, mich in Rage zu reden. Ich begriff einfach nicht, wie sie so etwas tun konnte. "Zeit wozu? Zuzusehen, wie alles wieder zusammenkracht? Zuzuhören, wie Elise lacht, wie Schneewitchens Stiefmutter im alternativen unhappy End? Oder vielleicht, dir jemand neues zu suchen? Daníel vielleicht?" Eine erste Träne rollte ihre Wange hinab. "Zeit, um mich an das Loch in mir zu gewöhnen..." flüsterte sie dann, drehte sie sich ruckartig um und rannte los zu den Pferden. Sie schwang sich auf den Rücken ihres Pferdes und ritt Richtung Wald. Natürlich war ich ebenfalls aufgestiegen und losgeritten, aber sie hatte schon einen riesigen Vorsprung und auch wenn Pico schneller hätte sein müssen, wäre es zwecklos ihr nachzureiten. Ich hatte River noch niemals so schnell galoppieren gesehen, die Stute schien Rose Emotionen mitbekommen zu haben und bei so einem Tempo war eins klar: dieses Mädchen wollte nicht eingeholt werden.

Als ich nach Hause kam, schien Sofia direkt zu bemerken, dass etwas nicht stimmte, jedenfalls fragte sie nach und gerade als ich ihr antwortete kam unsere Mutter herein. Die Schneekönigin grinste, wie selten. Mann, die musste sich ja echt freuen, normalerweise hätte sie nie so breit gegrinst, aus Angst vor Falten (oder davor, man könnte ihre Reißzähne sehen). "Ich wusste doch gleich, dass das keine Zukunft hat. Hättest du doch bloß gleich auf mich gehört." sagte sie jetzt auch noch in überheblichem Tonfall, woraufhin Sofia sie anfunkelte, als wolle sie sagen: 'Musste das jetzt sein?' doch Elise ignorierte es natürlich. "Sei bloß still, schließlich ist das alles deine Schuld!" zischte ich, während ich sie zur Seite schob und die Treppe hochlief.

Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, Rose auf keinen Fall anzurufen, aber natürlich hielt ich das nur bis zum Abend durch. Es meldete sich direkt die Mailbox, offenbar hatte sie ihr Handy ausgeschaltet und im Nachhinein susste ich auch gar nicht, was ich hätte sagen sollen, wenn sie rangegangen wäre.

Unaccepted - die FeuerprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt