Kapitel 15

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-03. April-Freitag

"Oah bin ich im arsch.", lacht Steve heiser neben mir. "Was säufst du auch so viel, man." "Das liegt nicht nur daran." Er stoppt, hebt seine Flasche und trinkt einen weiteren Schluck. "Sondern an der Uhrzeit." "Jaja. Wie spät ist es überhaupt?" Flo schaut mit zusammen gekniffenden Augen auf sein Handy, um die Uhrzeit ab zu lesen. "Eh.. 06.09 Uhr." Ich nicke und realisiere erst dann. Gehetzt springe ich auf, ziehe mir meine Jacke an und schnappe mir Kopfhörer. "Was ist denn jetzt los?" "Luna?" "Pat du weißt.. Ich.." "Geh schon." Ich stürme in den Flur, wo ich erstmal mit Frodo zusammen stoße. "Was ist los?" Ich reagiere nicht auf ihn sondern stürze aus der Wohnung. Ich höre noch wie Frodo mir folgen will, aber mein Bruder ihn aufhält. "Wenn sie soweit ist, wird sie dir alles erzählen.", ist das letzte was ich höre, bevor ich in meinem eigenen Tunnel verschwinde und durch Berlin irre. Die schwärze umgibt mich. Es schmerzt in mir. Zerfrisst mich von innen. Ich stoppe außer Atem an der alten weide. Setze mir die Kopfhörer auf. Musik auf volle Lautstärke. Ich schiebe zitternd die Äste, die bis auf den Boden reichen, zur Seite und rutsche den Stamm des Baumes entlang auf den Boden. Mein ganzer Körper zittert. Tränen laufen mir in Massen die Wangen hinab. Tropfen auf meine Hose, meine Jacke und auf den Boden. Meine Augen flackern und ich schließe sie schnell. Vor meinem Inneren Auge sehe ich den Moment, als Marie und ich diese alte weide entdeckt haben. Meine beste Freundin. Das war unser letzter gemeinsamer Urlaub. Ich weiß es noch als wäre es gestern gewesen.
"Komm schon Du Schlappschwanz!", ruft mir meine beste Freundin von vorne zu. Grinsend springt sie von ihrem longboard und läuft lachend über die Wiese. Kopfschüttelnd folge ich ihr. "Lu!! Ich hab was gefunden." Sie greift nach meinem Handgelenk und zieht mich hinter sich her. Stoppen tut sie vor einer alten weide. Die äste berühren den Boden. Vorsichtig schieben wir sie zur Seite und schlüpfen hindurch. Wir stehen in einer kleinen Höhle. Die Sonne scheint durch ein paar Schlitze und taucht alles in ein schönes Licht. Wir lassen uns auf das warme Gras nieder und grinsen uns an. "Das ist der Wahnsinn hier." "Mein neuer lieblingsort. Also hier in Berlin." Ich nicke lächelnd. "Ich bin so froh dass wir das gemacht haben." "Und ich erst! Das wiederholen wir!" Grinsend klatschen wir ein und schauen hoch zur Baumkrone.
Mein Blick wandert hoch. Weitere Tränen verlassen meine Augen. "Wiederholen..." "Ich hab dich lieb Marie. Ich vermisse dich schrecklich.", schluchze ich leise. Mit zitternden Händen ziehe ich mein Handy hervor, mache meine Musik aus und gehe auf den Chat mit Marie. Letzte Nachricht 03.04.2011
Ein audio. Das letzte was sie sagte. Ich höre mir das Audio noch einmal an.
"Ey du alte socke. Ich bin grad auf dem weg nach hause und muss dir noch was sagen. Ich will, dass du das durchziehst. Mach YouTube. Mach das was dir Spaß macht. Blödsinn, so wie immer schon. Ich werde dich immer unterstützen und wenn du irgendwann die ganzen großen kennenlernst, nimmst du mich ja mit. Und wenn du dann deinen Playbutton absahnst, wirst du dich bei mir bedanken. Ich werde dich dann umarmen und wir werden beide weinen. Weil wir so sind. Ich bin froh dich getroffen zu haben. Wir sind wie Schwestern. Ich hab dich lieb, Schwesterchen. Und jetzt dreh dein erstes Video, damit ich dich als beste Freundin auslachen kann, wenn du hater hast. Happy Birthday."
Das waren ihre letzten Worte. Dann wurde sie von dem LKW angefahren und starb noch im Auto.
Meine Beine tragen mich wie von selbst durch den strömenden Regen Richtung UWG. Ich weiß nicht warum, aber ich hab das Gefühl, dass ich mit Frodo reden muss. Ich muss mich ihm anvertrauen. Er.. er kann mir helfen. Ich muss nicht in Trauer versinken. Ich muss da nicht alleine durch. Mit Tränen überlaufendem Gesicht klingel ich und stolpere wenig später die Treppe zur WG hoch. Die Tür wird geöffnet und Niklas sieht mich verschlafen an. Als er mich erblickt, ist er sofort hellwach und zieht mich in die Wohnung. Als erstes drückt er mich kurz, obwohl ich klitsch nass bin, und dann schiebt er mich sanft zu Frodos Zimmer. Leise Musik ist durch die Tür zu hören. Niklas öffnet die Tür, drückt mich in das Zimmer und schließt sie wieder hinter mir. Frodo hat mich noch nicht bemerkt. Ich räuspere mich kurz, um auf mich aufmerksam zu machen. Er hebt seinen Kopf und sieht mich aus müden Augen an. Tränen kullern meine Wangen hinab und tropfen leise auf den Boden seines Zimmers. Ohne ein Wort steht er auf und umarmt mich. Frodo drückt mich fest an sich und lehnt seinen Kopf gegen meinen. Ich schlinge meine arme um seinen Körper und schluchze unregelmäßig. Etwas nasses landet auf meinem Kopf. Es wird immer mehr, bis ich spüre wie frodos Körper immer wieder kurz zuckt. Langsam löse ich mich von ihm und schaue in sein Gesicht. Er weint. "Warum? Warum weinst du?", schniefe ich. Er lächelt mich leicht traurig an. "Weil.. weil ich mir sorgen um dich gemacht hab." Frodo setzt sich auf sein Bett und zieht mich sanft neben sich. Umständlich ziehe ich mir Schuhe und meine nasse Jacke aus und lasse sie auf den Boden fallen. Wir rutschen soweit zurück, bis wir an der wand lehnen. "Wo warst du?", will er nach einer weile wissen. "In einem kleinen Park. Bei einer weide." "Und was hast du da gemacht?", fragt er vorsichtig weiter. "Geweint. Nachgedacht. Getrauert." Er sieht mich von der Seite her an. "Warum? Wenn ich wissen darf!?" Ich nicke stumpf. "Deswegen bin ich hier. Ich.. ich wollte dir alles erzählen und mich für heute morgen entschuldigen." "Ist schon okay." Ich atme tief durch und schaue ihm direkt in die Augen. "Also, es war vier Jahren..."

Der Hobbit und das MondmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt