Gehirnfressende Zombies

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Ich kann nicht schlafen. Ich bin schon um acht ins Bett gegangen - also auf die braune Couch von Matthew - und wälze mich seid neun Stunden hin und her. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass die herunter gelassene Schalusie, nicht nur reiner Schrott ist und kurz vor dem Zerfall steht, sondern ich glaube felsenfest daran, dass die vielen, schwarzen Löcher darin Mäuler von gehirnfressenden Zombies sind, die nur darauf warten, dass ich einschlafe, um mich anschließend genüsslich zu verspeisen.
Ich hätte sie schon längst eigenhändig aus den Angeln gerissen, doch der draußen tobende Sturm hindert mich daran.
Anders als bei den meisten Menschen liebe ich Unwetter... solange ich nicht mitten drin stehe. Es entspannt mich, dass stetige Pfeifen zu hören, wenn der Wind durch die winzigen Ritzen in den Ecken dringt und wenn der Regen leise, aber eindringlich auf das Dach niederprasselt.
Ich stelle mir vor, was gerade vor meiner Tür geschieht. Eigentlich sichtbar, doch vom Unwetter versteckt. Ich kann vor meinem inneren Auge sehen, wie die Natur sich das zurückholt, was wir Menschen ihr gewaltsam entrissen haben. Ich spüre förmlich wie die Pflanzen sich durstig durch den kalten Stein an die Oberfläche fressen.
Sanft lasse ich meine Fingerspitzen über den nackten Boden gleiten.
Plötzlich habe ich keine Angst mehr davor, dass die Zombies unter meiner Coch hervorkrabbeln könnten und sich mein Hirn als keinen Imbiss für zwischendurch genehmigen. Das Unwetter zieht an der Schalusie; droht sie in ihre Einzelteile zu zerlegen. Es scheppert laut und ich flüstere dem heulende Wind aufmunternd zu.
Wer braucht schon Angst vor Zombies zu haben, wenn man die Naturgewalten auf seiner Seite hat?
Ich schwinge die Beine über den Couchrand, senke die Lieder und höre eine Weile nur dem unerbittlichen Kampf zwischen Sturm und Monster zu. Lausche den markerschütternden Schreien der Schalusie und dem zufriedenen Jaulen des Windes.

Als ich die Augen wieder öffne, nimmt mir gleißendes Licht die Sehkraft. Ich schirme meine verkleinerten Pupillen mit einer Hand ab und reibe mir mit der anderen meinen steifen Nacken. Irgendwann habe ich mich an die hellen Sonnenstrahlen gewöhnt. Ich stehe auf, strecke alle meine Glieder von mir und trete an das einzige Fenster im Hinterraum. Es ist breiter als hoch.
Das Unwetter ist vorübergezogen und hat die Schalusie mit sich gerissen. Tod liegt der Zombie am Boden, zwischen kahlen Büschen und weißem Gras.
Weißem Gras!?
Mit einem strahlenden Lächeln schiebe ich das protestierende Fenster auf und begrüße den vielen, vielen Schnee. Der Winter ist früh gekommen, stelle ich fest, beschwere mich aber nicht. Ich habe den Schnee schon immer geliebt. Den Schnee, nicht die Kälte. Dass diese beiden Dinge nicht unweigerlich zusammen gehören, zeigt mir dieser Morgen. Die Luft ist zwar eisig und lässt mich schaudern, doch, als wollen die Sonnenstrahlen das nicht zulassen, wärmen sie mich sogleich wieder. Bei dem ständigen Temperaturumschwung kribbelt meine Haut.
In dem gleichen Moment in dem ich mir meinen schweren Mantel über die Schultern werfen will, rappelt mein Smartphone. Ich werfe einen Blick auf die Zeitanzeige - die mir sagt, dass es neun Uhr in der Früh ist - dann schiebe ich den grünen Hörer über das zerkratzte Display.
,,Hey, hier Nathan", meldet sich eine melodische, freundliche Stimme.
Ich brumme spaßeshalber wie ein schlecht gelaunter Morgenmuffel.
,,Du-"
,,-hast mich aus dem Bett gejagt?", unterbricht Nathan mich lachend.
,,Ich habe kein Bett. Ich habe eine bequeme Couch!" Stolz recke ich das Kinn, nur um dann festzustellen, dass er das ja nicht sehen kann.
,,Und das Schaukelpferd meiner kleinen Schwester ist lebendig", spottet er weiter, während ich mir mein Handy zwischen Schulter und Ohr klemme, um mich anzuziehen.
,,Ich würde dir jetzt liebend gerne eine runterhauen, doch ich hatte noch-"
,,-keinen Kaffee?"
,,-keinen Tee! Hör auf mich als zu-"
,,-unterbrechen?"
Diesmal ist mein Brummen ernst gemeint und wirkt auch gleich viel bedrohlicher.
,,-nerven! Du selbstverliebter Ignorant!" 'Ignorant' sollte er nicht mitbekommen, denn mein Handy rutscht aus meiner langsam, aber sicher verkrampfenden Halterung und landet mit einem erstickten Plumps auf meiner zerstrampelten Bettdecke.
Ich ziehe mich fertig an, erst dann nehme ich mein Telefon wieder an mich. Nathan scheint nicht mal bemerkt zu haben, dass ich kurz weg war. Er plappert ununterbrochen von seinem wunderschönen Morgen, dem atemberaubendem Schnee und der sanften Wärme. Wenn er gut gelaunt ist, geht er mir fast auf die Nerven.
Ich hole einen Fertig-Hamburger aus dem Mini-Kühlschrank und schiebe ihn in die winzige Mikrowelle. Meine - bis auf den CD-Player und mein Smartphone - einzigen elektrischen Gerätschaften, die ich beide bei meinem Bruder habe mitgehen lassen. Er meinte er wolle sich eh einen größeren Kühlschrank und eine neue Mikrowelle besorgen. Und ich habe ihm nicht widersprochen, da das Zeug wirklich in katastrophalem Zustand ist. In dem Kühlschrank klebt an einigen Stellen schon der Schimmel und die Mikrowelle hat nicht nur eine pechschwarze Scheibe, sondern knistert so ohrenbetäubend, dass ich in Deckung gehe wenn sie läuft. Das Drehen hat sie verlernt, sodass die eine Seite des Burgers geschmacklos und knackig und die andere anwidernd weich und labrig schmeckt.
Nicht ich müsste Joshua für seine Großzügigkeit dankbar sein, sonder er mir dafür, dass ich seinen Müll entsorge.
Dennoch zufrieden beiße ich in den Burger.
,,Also?"
,,Also was?", frage ich kauend und mustere Filou, der bettelnd neben mir sitzt. Seine Miene zeigt das blanke Elend. Ich beiße noch einmal in meinen Burger, dann verlange ich von ihm eine Rolle und gebe ihm zur Belohnung den Rest meines Frühstücks.
,,Hast du mir überhaupt zugehört?", empört Nathan sich gespielt empört.
,,Ne, nicht so ganz", gestehe ich und werde im selben Augenblick von Cherry abgelenkt, die sich an Filou ein Beispiel genommen hat und nun flehend vor mir hockt.
Als ich sie nur genervt von oben herab betrachte, beginnt sie schnurrend eine Acht um und zwischen meinen Beinen hindurch zu ziehen. Immer wieder streifen mich ihre Tasthaare.
Ich öffne den Kühlschrank, wühle eine Weile darin herum und ziehe dann ein frisch geöffnetes Päckchen Lachs hervor. Cherry bringt ein aufforderndes Miauen zustande.
Ich lasse das gesamte Päckchen auf den Boden fallen und wende mich wieder Nathan zu.
,,Sry. Kannst du das nochmal wiederholen?"
,,Ist das dein Ernst!" Sein Unterton spiegelt eine gewisse Gereiztheit. ,,Willst du mit uns wandern gehen oder nicht?"
Ich schaue hinüber zu Filou der sehnsüchtig dem Lachs hinterherblickt, sich jedoch nicht wagt Cherry zu Nahe zu kommen.
,,Kann ich meinen Hund mitnehmen?"

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