20. Kapitel

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Wow. Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber dass so schnell alles zu spät ist, das hätte ich nicht gedacht. Jetzt wird er es erfahren, bevor ich es ihm gestehen kann, was alles doppelt so dramatisch werden lässt.
   Harry's Porsche leidet echt unter meiner Wut auf mich selbst. Die Reifen quietschen, der Motor heult auf, bis ich schließlich durch das große Tor fahre und den Wagen parke. Ich fühle wie das Blut meine Gliedmaße verlässt und sich bei meinem Herzen sammelt. Denn das wird gleich gebrochen sein.
   Ich komme rein. Der Fernseher läuft. Also gehe ich in das Wohnzimmer. Aber dort ist niemand.

Nachdem ich das Haus abgesucht habe, setze ich mich erstmal auf das Sofa und atme tief durch.  Was jetzt? Soll ich hier warten, bis er wieder kommt? Plötzlich gilt meine Aufmerksamkeit dem Fernseher. Ich schalte lauter und höre zu.

So eben erreichte uns die Eilmeldung, dass der größte Skandal um Mr. Harry Styles veröffentlicht wurde, den es bisher in der Karriere des jungen Mannes gab. Der 22-jährige wurde demnach von der 19-jährigen Emily Watson über mehrere Monate versteckt verhört und ausgefragt. Sie arbeitete für den aus Wales bekannten Verlag 'Wales Director', bei dem sie nach Veröffentlichung sofort gekündigt haben soll. Styles selber geht jeder Frage im Bezug darauf aus dem Weg. Als Antwort auf diesen mehr oder minder schweren Verrat antwortet er und seine Band 'One Direction' mit einem Auftritt im Griffith Park hier in L.A. Tausende wütende Fans stürmen dort hin, um dem niedergeschlagenen Harry beizustehen. Nähere Informationen darüber, was genau in diesem Bericht steht, haben wir in einer halben Stunde.

Ich wische mir die Tränen aus dem Gesicht und stehe auf. Ich muss dahin.
Ich beschließe mir sein weißes Shirt überzuziehen, dazu meine schwarze Leggins und Chucks, einen schwarzen Hut, den Harry manchmal getragen hat. Ich zögere. Aber seine Sonnenbrille brauche ich auch. Mein Foto ist überall zu sehen.
   Ich nehme mir ein Taxi und renne in den Park. Er ist riesig, wo sind sie? Aber so schwierig ist es gar nicht sie zu finden. Ich folge einfach dem Strom von Menschen. Bauarbeiter sind dabei eine kleine Bühne aufzubauen. Gut, zumindest falle ich nicht auf.
   Es ist bewölkt und erstaunlich dunkel dafür, dass es erst kurz nach zwei ist. Und dann ist es soweit. Liam und Louis kommen zuerst auf die Bühne. Sie haben wohl in dem abgesperrten Bereich hinter der Bühne gewartet. Dann kommt Niall, kopfschüttelnd, und dann Harry. Seine Harre sind wieder einmal zusammengebunden er trägt das schwarze Shirt mit schwarzer Jeans und schwarzen Schuhen. Seine Stimmung ist eindeutig.
   Die Menge sagt keinen Laut. Niemand kreischt, niemand klatscht. Da komme ich nie wieder raus. Und dann beginnt das kurze Solo der Gitarre. Scheiße, ich kenne den Song. Und ich liebe ihn. Aber jetzt gerade habe ich Angst vor ihm. Alls wäre nicht alles schon beschissen genug beginnt es jetzt auch noch an zu regnen. Kein leichter Schauer, sondern ein richtiger Guss.

Niall singt die erste Strophe. Die ganze Zeit über steht er neben Harry, bis dieser den Refrain zerschmettert.

Point of no return now
It's just too late to turn around
I try to forgive you
But I struggle cause I don't know how
We built it up so high and now I'm fallin'
It's a long way down...
It's a long way down...

Seine Stimme ist gebrochen und rau. So ... kaputt. Es zerreist mich. Ohne weiter zu überlegen dränge ich mich zwischen den Menschen durch, auch wenn ich davon gerade meine erste Panikattacke seit Wochen habe und klettere auf die Bühne. Ich höre sie Fans hinter mir, die mich erkennen und mir Beleidigungen an den Kopf werfen.
   Ich stehe vor den Jungs, nehme Hut und Brille ab und gehe auf Harry zu. Mein langes, rot-braunes Haar wird sofort nass.
   Ja, er hat geweint. Seine Augen sind rot und geschwollen. Mich zu sehen treibt ihm wieder die Tränen in die Augen. Louis singt unentwegt die zweite Strophe, lässt sich nicht von mir stören.

Ich stehe vor ihm und sehe ihm in die Augen. Dann singt er den zweiten Refrain. Ich habe ihn beim singen auf der Bühne noch nie so beobachten können wie jetzt. Aber leider sind es ziemlich miese Umstände.
   Bei den Worten 'We built it up so high and now I'm fallin' lässt er sich vor mir auf die Knie nieder und legt seinen Kopf gegen meinen Bauch, um den Refrain und damit seinen Teil des Auftritts zu beenden. Warum tut es so weh, ihm so nahe zu sein?

Der Auftritt ist beendet und die Masse wird gebeten, das Areal um die Bühne zu verlassen. Die komplette Wiese steht unter Wasser, als Niall, Louis und Liam zum schwarzen Bus gehen und einsteigen. Harry kniet noch immer vor mir. Ich lege meine Hand unter sein Kinn und zwinge ihn mich anzusehen. “Warum?“, flüstert er. Ich hab es nicht verstanden, weil das aufgezogene Gewitter laut ist, aber ich habe es an seinen Lippen abgelesen. Ich will es ihm erklären, alles, so genau wie möglich, aber er wird mir wahrscheinlich nicht zuhören. Und das kann ich verstehen. Wieder kommt mir in den Sinn, dass ich ihn überhaupt nicht verdient habe.

“Lass uns bitte nach Hause gehen.“, sage ich und helfe ihm auf. Er wirkt so schwach, lässt sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich fallen. Warum sucht er meine Nähe?! Ich halte ihn fest und spüre unter den kalten Tropfen seine heißen Tränen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich in der Lage bin, einen Menschen so sehr zu verletzen.

Ich habe geduscht, meine Sachen gepackt und sie in das Auto von Cassie geladen. “Bist du soweit?“, fragt sie mich, als ich im Bad stehe und nochmals alles durchgehe. “Schätze schon.“
   Niall steht im Flur. “Du solltest dich von ihm verabschieden.“, bemerkt er und sieht zu Cassie. Diese  nickt nur. “Ich warte dann unten.“

Seine Zimmertür ist geschlossen, also klopfe ich leise. Dann gehe ich rein. Harry?“ Er sitzt an seinen MacBook und liest sich alles durch. Meine Berichte, die Kommentare der Welt ... ich würde am liebsten wieder gehen.
   Harry sieht auf. Er hat tiefe Augenringe. “Du gehst?“, fragt er leise und klappt den Bildschirm zu. Ich nicke stumm. “Ich wollte mich nur verabschieden. Und dir sagen, dass es mir leid tut.“ “Wo wirst du wohnen?“ Meine Entschuldigung interessiert ihn anscheinend gar nicht. “Bei meiner Freundin.“ Er nickt. “Pass auf dich auf. Schreib mir, wenn du zu Hause bist.“

Und so endet dieser Abschnitt meines Lebens. Unter Tränen verabschiede ich mich von Niall, der mir, trotz allem, alles Gute wünscht und ich fahre mit Cassie zum Flughafen. Wir steigen in den Flieger und sind nach wenigen Stunden in Wales. Meine Mutter holt uns ab und bringt uns zu Cassie. Ich schreibe Harry.

00:43: Ich bin da und lebe noch. Danke für alles.

The Deal || Harry Styles *COMPLETED* #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt