Kapitel 7

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Was machte man, wenn man in den (ehemals) besten Freund verliebt war, dieser allerdings eine Trennung durchmachte und man kein Lückenfüller sein wollte?
Richtig, Schokolade in sich rein stopfen, auf dem Sofa liegen und Game of Thrones gucken. Leon hatte sich vor Kurzem die ersten zwei Staffeln gekauft und nun lagen wir auf der Couch und fingen an, die erste Staffel durchzusuchten. Freitagnachmittag hatten wir angefangen, jetzt war es halb zwei, Freitag Nacht und wir steckten mitten im Finale der ersten Staffel. "Wolltest du morgen nicht bei Sebastian übernachten?", fragte Leon, als der Abspann lief. "Heute" korrigierte ich ihn und zeigte auf die Uhr. "Und ja, aber ich fahre erst abends nach Brooklyn, also hab ich noch Zeit." Leon nickte und entnahm dem DVD-Player die Disc. "Noch die erste Folge von Staffel zwei?" "Definitiv!"

Ich sag es mal so: Wir hatten auch die zweite Staffel komplett durchgeguckt. Nun war es zehn Uhr morgens und ich sehnte mich nach meinem Bett. Müde stellte ich meinen Wecker, damit ich spätestens um 16 Uhr aufwachte, denn Sebastian und ich waren um 18 Uhr verabredet.

Als ich aufwachte, schwor ich mir, nie wieder mit Leon die ersten zwei Staffeln einer Serie in einem Stück durch zugucken. Mein Kopf brummte höllisch und auch nachdem ich mir eine Aspirin eingeworfen und kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, fühlte sich mein Kopf immer noch wie ein Schlachtfeld an.
Ich schleppte mich aus dem Badezimmer und würgte eine Banane herunter. Die Aspirin fing an, zu wirken, doch die Müdigkeit ließ noch lange nicht nach.
Ein ebenso verschlafener Leon setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch und trank Kaffee. Ich hasste dieses Gesöff. Wie konnte man das nur trinken? "Das ist auf deinem Mist gewachsen", wagte ich zu behaupten. "Hm." Leon nahm einen weiteren Schluck Kaffee. "Deine Schuld." "Hm."Noch ein Schluck. "Mein Kopf tut weh." "Hm." "Wie geht's dir?" Mein Bruder nahm einen weiteren Schluck aus seiner Tasse, ehe er etwas erwiederte. "Müde. Und als hätte die Schlacht von Schwarzwasser auf meinem Kopf stattgefunden." "Du solltest aufhören diese Serie zu gucken. Obwohl sie gut ist", meinte ich. Leon schüttelte den Kopf und sah auf sein Handy. "Ich hab doch erst vor knapp 23 Stunden angefangen."

Als ich mit Paps Auto über die Brooklyn Bridge in Richtung Sebastian fuhr ging es mir beträchtlich besser. Die Kopfschmerzen waren verschwunden und ehrlich gesagt freute ich mich viel zu sehr auf Sebastian, als dass ich wirklich müde sein könnte.
Sebastian hatte Recht: Die Wohnung von ihm und seinen Eltern war wirklich nah an der Brooklyn Bridge, sodass ich mein Ziel wirklich schnell fand.
Als ich ausstieg, schien sich mein Puls zu verdoppeln. Ruhig bleiben. Ich packte meine Umhängetasche aus und schloss den Wagen ab und lief zum Eingang. Alles cool. Ich drückte eine der Klingeln an der Tür, auf welcher Stan stand und das klassische Surren ertönte. Die Tür ging auf. Einatmen, ausatmen. Ich trat ein. Dann kam auch schon Sebastian die Treppe heruntergerannt und steuerte auf mich zu. Ohne weiteres zog er mich in seine Arme. Ich ließ meine Tasche fallen und hielt ihn fest. Schloss die Augen. Atmete seinen Geruch ein. Mir wurde angenehm warm, ein Kribbeln ging durch meinen ganzen Körper. Hier bin ich zu Hause. Als ich genauer hinhörte, konnte ich Sebastians Herzschlag ausmachen. Ich grinste. "Hi erstmal", sagte er schließlich und ließ mich los. Ich verkniff mir ein mädchenhaftes Kichern. "Hi." Sebastian nahm meine Tasche und zog mich an meinem Handgelenk zur Treppe. "Wie geht es dir?", fragte er. Wir liefen die Stufen nach oben. "Bestens. Dir?" Sebastian zuckte mit den Schultern. "Momentan auch gut. Könnte aber besser sein." Ich blieb stehen und legte meine Hand auf seine Schulter. Auch Sebastian hielt an. "Ich bin immer da für dich, okay? Wenn du reden willst, dann raus mit der Sprache", sagte ich. Er lächelte leicht und legte kurz seine Hand auf meine, welche immer noch auf seiner Schulter ruhte. Meine Welt schien allein wegen einer einzigen Berührung an meiner Hand ins Strudeln zu geraten. "Danke, Beth." Ein Lächeln von ihm. Ein Lächeln von mir. Dann ging er weiter.
"Was gucken wir überhaupt?", wollte ich wissen. Sebastian schluckte. "Nichts." Verwirrt zog ich meine rechte Augenbraue hoch. "Häh?" "Ich hab keinen Film gekauft, Beth. Ich wollte einfach nur Zeit mit dir verbringen. Kein Film." Ich wollte einfach nur Zeit mit dir verbringen. Der Satz hallte ewig in meinem Kopf nach. Mir wurde wieder warm, ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht und ich hätte schwören können, dass in meinem Bauch Insekten mit Flügeln, bekannt als Schmetterlinge umherflogen.
"Beth?" Sebastian sah mich an, ich war wohl stehen geblieben. Seine Schuld, er sollte mich halt nicht mit Sätzen wie Ich wollte einfach nur Zeit mit dir verbringen, die alles bedeuten konnten verwirren. "Alles okay." Ich lief weiter und nach zwei weiteren Treppen kamen wir an der Wohnung von Sebastian und seinen Eltern an. "Ach ja, Beth, ich muss dir noch was sagen." Ich liebe dich? Meine Ex ist eine Bitch, ich will nur dich? Sebastian ist eigentlich ein Mädchenname? "Meine Eltern wissen nicht, dass du heute bei mir übernachtest, sie denken es ist mein bester Freund." Oh. Fail.
Ich hatte mich früher sehr gut mit Sebastians Eltern verstanden. Für mich waren sie wie Tante und Onkel. Sebastians Vater hatte mich immer Fiică genannt, was rumänisch war und soviel hieß wie Tochter. Es war immer schön bei ihnen in dem alten Häuschen am Rande Wiens, in welchen sie wohnten zu sein und ihnen zu zuhören. Sebastians Mutter hatte mir immer ganz alte Geschichten aus der Zeit erzählt, in welcher sie mit ihrem Mann und Sebastian in Rumänien lebte. Manchmal sang sie mir rumänische Volkslieder vor oder versuchte, mir die Sprache beizubringen, was jedoch scheiterte. Trotzdem war es schön zu hören, wie sich Sebastian und seine Eltern in ihrer Muttersprache unterhielten.
Und gleich würde ich sie wiedersehen. Mir kam ein Einfall. "Sebastian?" "Ja?" Er wollte die Tür öffnen, doch ich hielt ihn ab, damit seine Eltern uns nicht hörten. "Was heißt Ich bin zurück auf rumänisch?" Sebastian lächelte. "M-am întors."
Er öffnete die Tür und rief seinen Eltern irgendetwas auf rumänisch zu. Ohne weiteres ging eine Tür rechts von mir auf und Sebastians Mutter stand im Türrahmen vor mir. Sie hatte sich nicht verändert, sie hatte vielleicht ein oder zwei Falten mehr, aber war optisch immer noch die Gleiche.
Als sie mich sah, riss sie die Augen auf. Hinter ihr erschien Sebastians Vater und starrte mich an. Ehe die beiden etwas sagen konnten, meinte ich "Salut. M-am întors."

Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt