"Hey, Ivy!". Ich entgegnete sein Lächeln und antwortete: "Heey, Max. Was machst du denn hier?" Ich klang weniger enthusiastisch als er, aber das schien ihn anscheinend nicht zu stören.
"Ich bin zu Besuch bei meinen Eltern hier", erklärte er, "Und was machst du so spät noch hier?"
"Ich jobbe hier", entgegnete ich und deutete auf das Restaurant. Ich sah auf den Boden und hoffte, dass das Gespräch bald enden würde. Mein Wunsch wurde leider nicht erhört. "Hast du noch Kontakt zu einigen aus der Klasse?", fragte er und schaute mich neugierig an.
Ich mied seinen Blick und murmelte: "Ne, überhaupt nicht." Er schien nicht überrascht zu sein. "Noch immer etwas Menschenscheu?"
Bei seiner Bemerkung schaute ich ihn nun doch an. Was hatte er eben gesagt? Er hielt sich wohl für besonders lustig und lachte über seinen eigenen Witz. War das überhaupt ein Witz oder meinte er das ernst?
Mein Gesichtsausdruck war ganz offensichtlich nicht der begeisterte, was er nun auch bemerkte und sein Lachen verstummte. "Das war ein Witz", stellte er klar. Ich verspürte immer noch keinen Drang über seinen 'Witz' zu lachen.
"Ach komm, Ivy! Genau das meine ich. Du hättest es nicht ernst nehmen müssen, aber natürlich musstest du, Ivy, wieder eingeschnappt sein, nur weil ich erwähnt habe, dass du anders bist", rief er genervt aus. Ich runzelte die Stirn: "Also meintest du das doch ernst?"
Er seufzte und schien darüber nach zu denken. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn er es ernst gemeint hätte.
Ich selbst empfand das ja auch so, das hieß aber nicht, dass ich seine Bemerkung lustig fand. Es war nämlich alles andere als lustig, dass ich mich so fühlte, als würde ich nicht hier her gehören. Als würde ich nicht zu all diesen anderen Leuten gehören, so als wäre ich Fremd in dieser Welt.
"Ich meinte es in gewisser Weise ernst. Aber hey, kannst du es mir verübeln? Du warst von Jahr zu Jahr merkwürdiger."
"Warum warst du dann überhaupt mit mir zusammen, wenn ich ja ach so merkwürdig war," fragte ich, bevor ich mich hindern konnte. Eigentlich wollte ich gar nicht darüber sprechen.
Gerade wegen solch unangenehmen Erinnerung war mein erster Gedanke von hier zu flüchten, denn auch obwohl das schon über zwei Jahre her war, ist es eher etwas, was ich vergessen wollen würde und worüber ich nicht konfrontiert wollen würde. Tatsächlich würde ich vieles in meinem Leben einfach vergessen - auslöschen - wollen. Wenn ich bloß die Möglichkeit dazu bekommen würde, dann würde ich sie definitiv ergreifen!
"Ich dachte, wenn man mehr Zeit mit dir verbringen würde, wärst du nicht so schreckhaft und verschlossen gegenüber anderen. Außerdem warst du hübsch", meinte er und zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen, dass es keine große Sache war.
Ich verstand nicht, wie er so locker bleiben konnte. Er hat mir damals das Herz gebrochen. Ich hatte ihn wirklich gemocht und was hat er gemacht?
"Ich verstehe immer noch nicht, warum du dann später nicht einfach Schluss gemacht hast", sprach ich meine Gedanken aus. "Ich hatte noch gar nicht darüber nach gedacht Schluss zu machen. Du hast ja Schluss gemacht", meinte er verwirrt. Das war jetzt nicht sein Ernst? "Ich hab Schluss gemacht, weil du etwas zu viel Spaß mit einer anderen gehabt hattest. Und genau das verwirrt mich. Warum hast du nicht mit mir Schluss gemacht, wo du dich sowieso mit anderen getroffen hast?"
Jetzt tat ich leider das, was ich eigentlich hatte vermeiden wollen. Ich sprach mit ihm darüber. Aber konnte man mir das verübeln? Immerhin war das nun die Möglichkeit Klarheit zu schaffen und damit abzuschließen. Ich glaubte zwar daran, dass ich schon vor zwei Jahren damit abgeschlossen hatte, aber so gespannt wie ich nun auf seine Antwort wartete, zeigte mir, dass ich noch nicht mit dem Thema fertig war.
Als er damals nur wenige Monate später in eine andere Stadt für seine Ausbildung gezogen war, da hatte ich das Thema einfach nur beiseite geschoben. "Jetzt entspann dich doch mal. Ich hab darüber einfach nicht nachgedacht." Wieder tat er sein Gesagtes mit einem einfachem Heben der Schultern ab und es wirkte noch gleichgültiger. Anders gesagt, war er damals einfach nur mit mir zusammen gewesen, weil ihm langweilig war. Super! Ich sollte mir eindeutig etwas von ihm abgucken. Lieber war es mir gleichgültig, als in meinem Zimmer mit tausenden von Taschentüchern zu hocken.
Jetzt da ich meine Antwort bekommen hatte, wollte ich einfach nur, dass unser Gespräch enden würde. Ich sah mich um, während ich nach einer Ausrede suchte, als ich aus der Ferne schon mein Taxi entdeckte. Ich konnte mir ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen und drehte mich zu Max. "Ich würde ja liebend gerne noch weiter mit dir plaudern, aber mein Taxi ist da", verkündete ich mit einem kleinen Lächeln. Ich hoffte, dass er daraufhin einfach abhauen würde.
"Na dann... Man sieht sich", entgegnete er freundlich und ging auch schon davon.
Okay, dieses Gespräch war irgendwie nicht so toll verlaufen, aber ich hatte Schlimmeres erwartet, musste ich zugeben.
Als ich mich in den Rücksitz vom Taxi niederließ, dachte ich nochmal an die Zeit vor zwei Jahren zurück. Ich hatte Max, nachdem ich mit ihm Schluss gemacht hatte, klar gemacht, dass er mich in Ruhe lassen sollte, was er auch getan hatte. In der Schule hatte ich ihn dann geflissentlich ignoriert, aber als er dann angekündigt hatte, dass er bald weg ziehen würde, da wollte ich wieder mit ihm reden. Ich wollte nicht, dass etwas zwischen uns stand, sondern dass wir uns freundlich begegnen konnten. Ich schüttelte über mein damaliges vor Liebeskummer blindes Ich den Kopf, denn nur weil ich mit ihm das Gespräch gesucht hatte um ihm viel Glück zu wünschen, hatte ich heute diese Konversation über mich ergehen lassen. Aber hey, ich war heute nicht in Tränen ausgebrochen, musste ich mich selbst loben. Anscheinend hatte ich wirklich relativ gut damit abgeschlossen.
Ich verband die Erinnerung von Max aus meinen Gedanken und konzentrierte mich stattdessen auf meinen Umzug. Im Kopf ging ich nochmal alles durch, was ich schon erledigt hatte und was noch aus stand. Bei dem Gedanken bald aus dieser Stadt zu sein, formten sich meine Lippen zu einem breiten Grinsen. Was der Taxifahrer von mir dachte, wo ich wie ein honigkuchenpferd grinsend auf seiner Rückantwort saß, war mir in dem Moment vollkommen egal.
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Intercalary
Fantasy"Du bist anders. Das hast du wahrscheinlich selbst bemerkt und du hast das Gefühl, dass dich niemand versteht, aber das stimmt nicht. Wir verstehen dich. Wir sind alle anders." "Wovon redest du denn da?", rief ich aus, da ich langsam das Gefühl hatt...