Kapitel 8

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Die nächsten zwei Sätze, die folgten konnte ich nur zu 50% verstehen, weil sie teils rumänisch, teils deutsch waren. Der erste kam von Sebastians Vater: "Nu-mi vine sã cred. Fiică" Sebastian flüsterte mir "Heißt Ich kann es nicht glauben." zu. Der zweite, eher verständliche Satz kam von Sebastians Mutter. "Schätzchen, lass es einfach, deine Aussprache ist schrecklich, nach wie vor."

Die Wohnung der Stans war an sich sehr schön. Groß und geräumig und stilvoll eingerichtet. Im Wohnzimmer stand ein Klavier und an einer Wand hingen Bilder. Als ich genau hinsah, entdeckte ich ein Bild von Sebastian und mir, wie wir an einem Badestrand saßen. Der Arm seines neunjährigen Ichs ruhte um die Schultern einer acht Jahre jüngeren Version von mir, welche noch braune Haare hatte, wir trugen beide Badesachen und hatten der Kamera den Rücken zugedreht, doch ich konnte mich noch so gut an den Tag erinnern, dass ich uns anhand der Umgebung erkannte. Um uns herum waren lauter kleine Kinder unhergetobt, welche man auch auf dem Foto erkennen konnte und das Wasser glitzerte in der Sonne.
Sebastian trat neben mich und betrachtete ebenfalls das Bild. Ob er heute auch noch so etwas tun würde? "Du hast damals dein Eis in den Sand fallen gelassen", erinnerte Sebastian sich. Ich musste lächeln, als ich an damals zurück dachte und fügte hinzu: "Du hast deine Eltern angebettelt, mir ein neues zu kaufen, damit ich aufhören würde zu weinen." "Und dann saßen wir so da." Sebastian sah von oben auf mich herab und wuschelte mir durch meine hennaroten Haare. "Du warst damals voll knuffig." Ich verdrehte die Augen und versuchte meine Frisur zu richten. "Ach und du nicht?", antwortete ich grinsend. "Nein, ich war schon immer ein Badboy." "Der seine Eltern anbettelt, mir ein Eis zu kaufen, damit ich aufhöre zu heulen", konterte ich. Sein gespielt beleidigter Blick sprach Bände.

Wie gesagt, die Wohnung der Stans war schön, doch nichts toppte Sebastians Zimmer. Als ich es betrat, verschlug mir die Aussicht den Atem. Eine Wand wurde durch eine Panorama-Glasscheibe ersetzt und man hatte eine wunderschöne Aussicht über die Stadt und den East River, welcher Manhattan und Brooklyn voneinander trennte und Manhattan selbst. Weil die Sonne schon längst untergegangen war, sah man nur noch die Lichter der Gebäude und Wolkenkratzer Manhattans, welche sich dann auch noch im Wasser des East River spiegelten. Nun beleuchteten nur noch orange und rotgelbe Lichter New York, die Stadt die nie schläft. "Wow", brachte ich heraus, als ich mir die Aussicht genauer angesehen hatte. "Du hast... ich meine wow. Und damit schläfst du jede Nacht ein?" Sebastian lachte. "Ja. Versuch mal, bei der Bestrahlung zu schlafen." "Hatte ich heute Abend vor." Er grinste und schaltete kurz die Lampe seines Zimmers aus. Nun war es dunkel, ich konnte nur noch einige Silhouetten wahrnehmen, wie zum Beispiel Sebastian oder das Doppelbett, welches gegenüber der Glaswand platziert war. Draußen schien es dafür um so heller zu werden. "So könnte ich jeden Abend einschlafen", behauptete ich. Das Licht ging wieder an und ich betrachtete den Rest des Zimmers, welchen ich zuvor komplett irgnoriert hatte. Links von Sebastians Bett war ein Schreibtisch, an der nächsten Wand ein Schrank und ein Bücherregal. Rechts vom Bett befand sich die Tür, an der nächsten Wand hingen ein Fernseher, an welchen eine PS4 angeschlossen war, doch die Sicht auf Manhattan durch die Glaswand wurde durch nichts eingeschränkt. Ich fing jetzt schon an, Sebastian um sein Zimmer zu beneiden. Dieser stellte sich einfach neben mich und betrachtete mit mir den Stadtteil, den ich bewohnte. Ob er an mich dachte, wenn er Manhattan sah? Oder wenn er das Bild von uns im Wohnzimmer sah? Was dachte er überhaupt über mich? Wäre ich nur ein Lückenfüller, wenn wir jetzt eine Beziehung hätten, so kurz nach seiner Trennung? Wäre eine Beziehung zwischen uns überhaupt möglich? Würde er eine wollen?
"Beth?" Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. "Was denkst du gerade?" Na schöne scheiße. "Nichts, ich hab mir nur Manhattan angesehen." Nachdenklich blickte er aus dem Fenster. "Schonmal verliebt gewesen?", fragte Sebastian plötzlich und mir wurde heiß und kalt zugleich. Sollte ich ihn anlügen? Andeutungen machen?
Die Wahrheit kam für mich nicht in Frage. Alles würde kaputt gehen, er hatte grade erst eine Trennung hinter sich. "Können wir das Thema bitte lassen?", sagte ich schließlich mit zittriger Stimme. Er sollte es nicht wissen. Nein.

Ich hatte mich mit Sebastian gestritten, wer auf der Luftmatratze schläft und wer im Bett. Er wollte den Gentleman spielen und mich in seinem Doppelbett schlafen lassen, doch ich wollte ihn nicht verscheuchen. Es endete damit, dass ich die Luftmatratze nahm und neben die Panorama-Glasscheibe legte.

Es war ungefähr halb drei, als ich auf meinem Schlaflager saß, mit meiner rechten Schulter an der Scheibe lehnte und Musik hörte. Sebastian saß auf dem Bett und spielte mit seinem Handy. Wir redeten nicht miteinander, Worte waren nicht nötig, wir verstanden uns stumm. In diesem Moment war mir so ziemlich alles egal. Das Einzige was zählte, war die Tatsache, dass wir uns wieder gefunden hatten. An das Schicksal hatte ich noch nie geglaubt, denoch bezweifle ich stark, dass es Zufall gewesen war, dass wir uns wiedergesehen hatten. Damals im Central Park. Danach in dem kleinen Supermarkt, als ich Eis kaufen war.
Ich sah zu Sebastian rüber und musste lächeln. Wie er gebannt auf den Bildschirm seines Smartphones starrte und sich dabei auf die Unterlippe biss faszinierte mich.
Er bemerkte meinen Blick. Natürlich tat er das. Aber es war mir nicht peinlich, nein, nicht heute Abend. Heute Abend war es mir egal, heute Abend waren wir die Gleichen wie früher.
Sebastian bestätigte mir dies, indem er meinen Blick erwiederte. Er lächelte mich an, legte das Handy beiseite und stand auf, um sich mir gegenüber auf die Matratze zu setzen, sodass sich unsere Knie berührten. Ich legte meine Kopfhörer beiseite und sah in Sebastians blaue Augen, die mich immer wieder in ihren Bann zogen. Die mir soviel sagen wollten und doch schwiegen. Die mich als kleines Kind beruhigt und getröstet hatten und immer eine immense Lebensfreunde ausgestrahlt hatten.
Im nächsten Moment füllten sich meine Augen mit Tränen. Ich hasste mich dafür, dass ich diesen Augenblick so zerstört hatte, sowie ich dabei war, unsere Freundschaft zu zerstören, weil ich mich in Sebastian verliebt hatte. Die erste Träne floss und ich senkte meinen Kopf. Immer mehr Tränen folgten und ich schämte mich umso mehr.
Weil ich den Blick gesenkt hatte, sah ich so einiges nicht. Wie er mich wohl gerade ansah? Verächtlich? Besorgt? Verwirrt? Ich hörte nur ein Rascheln und erwartete, dass Sebastian aufstand und mich allein lassen würde, weil ich zu anstrengend war und ihn nervte.
Aber genau das Gegenteil geschah. Das Rascheln war ertönt, weil Sebastian aufgestanden war um sich neben mich zu setzen. Er zog mich einfach wortlos an sich, sodass seine Arme mich fest umschlossen und mein Kopf an seiner muskulösen Brust ruhte. "Ich kann dich nicht weinen sehen", sagte er nur. Ich schwieg. "Wieso fragst du dich jetzt? Es tut einfach nur weh, eine deiner wichtigsten Personen in deinem Leben unglücklich zu sehen. Bitte, tu' mir das nicht an. Rede mit mir." Ich schüttelte den Kopf. "Beth, bitte!" Ein Teil von mir wollte ihm die ganze Wahrheit sagen, der Rest schrie aus vollem Halse NEIN.
Ich schluckte kurz. "Das ist... ich.." Erneut kamen die Tränen. Sebastians Griff wurde noch stärker und er legte sein Kinn auf meinem Scheitel ab. Sanft fing er an, mich hin und her zu schaukeln. "Langsam", sagte er. Ich atmete tief ein. "Ich hab mich verliebt in... einen Bekannten von mir." Ehrlich, ich hätte schwören können, dass Sebastian sich kurz verkrampfte. Ob er etwas ahnte?
"Was macht dich so traurig daran?", fragte Sebastian. Ich schluckte erneut, ehe ich antwortete. "Ich weiß genau, dass er keine Gefühle für mich hat." "Woher kannst du das wissen?" Äh... Er hat grad eine Trennung hinter sich? Er ist zufälligerweise mein bester Freund? Man hat keine Beziehung mit seinem besten Freund? "Ich bin mir da ziemlich sicher, weil er... Naja, man sieht es ihm halt an. Er will nur mit mir befreundet sein." Als ich aufsah, konnte ich Sebastians Blick nicht deuten. Definitiv nicht. Er war versteinert, verweilte draußen in Manhattan, die Augen erschienen so hart. In diesem Moment hätte ich so einiges gegeben um seine Gedanken zu lesen.

Nach meiner Heulattacke hatten wit das Thema gewechselt. Mittlerweile war es schon halb fünf und ich wollte einfach nur noch schlafen. Ich lag auf meiner Matratze und sah nach draußen, Sebastian hatte sich neben mich gesetzt.
Mir war klar, wenn ich seine beste Freundin war, musste ich noch mit ihm über seine Ex reden. Ich war in seine Wohnung gekommen und mich bei ihm ausgeheult. Es war einfach nur fair, ihn nach ihr zu fragen. Klar, es kostete mich schon einiges an Überwindung zu fragen, aber er hatte es verdient, jemanden zum Reden zu haben. "Wie geht es dir jetzt eigentlich nach der Trennung?", fragte ich und bereitete mich innerlich schon auf jede Menge seelischen Schmerz vor. "Naja weißt du", fing Sebastian an. "Das mit Jennifer war nichts für die Ewigkeit. Sie war sowieso selten da für mich und so wirklich glücklich waren wir beide nicht." Ich verkniff mir ein irritiertes Hä? Ehrlich gesagt dachte ich, er hinge sehr an ihr. "Und... warum habt ihr euch getrennt?" Sebastian zuckte mit den Schultern. "Gab ein paar Probleme. Und ich bin jetzt ehrlich gesagt froh, dass es aus ist." Ich nickte, konnte mir danach jedoch nicht ein Gähnen verkneifen. Sebastian lächelte leicht. "Schlaf gut."

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Fühlt euch geknuddelt 😁

Flieg mit mir (Sebastian Stan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt