Der Tag an dem ich starb

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Der Tag an dem ich starb, war ein wunderschöner, sonniger Dienstagabend im August bei einem kleinen Gartenfest, im Kreise meiner Familie und Freunde.
Niemand von ihnen wusste das ich starb, während sie lachend hier feierten. Woher sollten sie auch? Ich habe es nie jemandem erzählt.

Aber für euch fange ich von vorne an. Wenigstens euch erzähle ich die ganze Geschichte. Damit hoffentlich irgendjemand an mich jemals denken wird.

Es begann vor 1 1/2 Jahren, kurz vor meinem 21ten Geburtstag.

"Frau  Nowak. Es tut mir leid es ihnen mitteilen zu müssen, aber die Medikamente die sie eingenommen haben, führten zu einer Herzschwächung und Durchblutungsstörrung. Ihr Herz wird von Tag zu Tag schwächer, und nach mehrfachen Untersuchungen und vielfachen Gesprächen mit Kardiologen und Kollegen, muss ich ihnen mitteilen das sie noch 2 Jahre haben. Höchstens. Sollte sich bis dato kein passendes Herz finden und es nicht zu einer Transplantion kommen, werden sie an Herzversagen sterben.
Ich lass ihnen ein paar Minuten um darüber nachzudenken, es ist sichtlich viel. Später wird Herr Doktor Schubert zu ihnen kommen. Er ist ein Korifée auf dem Gebiet der Kardiologie und führender Facharzt der westlichen Ländern."

Das war die Nachricht die ich damals als erstes von Frau Doktor Klauser gekriegt habe. Als sie das Zimmer verließ, fing ich an zu lachen. Es war zum verrückt werden. Hier sitzte ich in einem Krankenhausbett, an Händen und Füßen fixiert, weil ich eine Überdosis genommen haben. Malwieder.
Seit 15 bin, habe ich sechs mal versucht mir das Leben zu nehmen.
Schon ironisch, wie das Leben so spielt. Zwanghaft versuche ich zu sterben und jetzt wurde mir erzählt das es ohne Transplantations in geraumer Zeit dazu kommen wird.
Es war wirklich zum lachen.

"Hallo Jeanny. Ich bin Felix. Deine persönlichen Krankenschwester."

Sein Grinsen werde ich bis heute nicht vergessen. Es war das schönste und strahlendste Lächeln was ich je gesehen haben. Er wurde mein bester Freund. Nichts an mir schien ihn zu stören. Weder die Narben an meinem Körper die mich entstellten, für die ich selber die Verantwortung trug, noch die gestörte Psyche. Er kannte mein Krankenblatt. Wusste wie oft ich in Psychiatrien war und wie oft ich versucht hatte mir das Leben zu nehmen. Weder den Depressionen noch der Persönlichkeitsstörung schenkte er mehr als die nötige Beachtung.
Das schien ihn alles nicht zu interessieren.

"Sind sie sicher das wir ihre Familie nicht benachrichtigen sollen?"

Frau Klauser verstand nicht warum ich nicht wollte das meine Familie davon erfuhr. Ich bin bereits volljährig, weswegen ich selber darüber entscheiden konnte. Sie wollte mir sogar meine Zurechnungsfähigkeit entziehen, mich praktisch entmündigen, aber wir konnten uns glücklicherweise einigen.
Nach einem langen und ausführlichen Gespräch mit ihr, Felix und meiner Therapeutin konnten wir mehrere Punkte klären.
1. Ich müsse augenblicklich aufhören mich selbst zu verletzten.
2. Ich nehme die regelmäßigen Termine bei Frau Blumberg, meiner Therapeutin, und Doktor Schubert war.
3. Niemand benachrichtigt meine Familie, außer im Falle einer erfolgreichen Transplantation.
4. Bis auf die Herztabletten werden alle anderen Medikamente abgesetzt.
Und 5. Ich solle vom Notar nicht nur ein Testament sondern auch eine Patientenverfügung aufsetzten lassen.
Felix riet mir dazu einen kleinen Film zu drehen, in dem ich meiner Familie alles erklären.
Am Ende des Gespräches, welches immerhin über drei Stunden dauert, durfte ich das Krankenhaus verlassen.

"Jeanny, wir machen uns Sorgen um dich. Das war das sechste Mal. Ich kann das nicht mehr. Ich liebe dich, aber ich kann das nicht mehr. Ich will das du ausziehst. Diese Woche noch. Nie wieder will ich dich so vorfinden müssen. Das nächste Mal bist du tot. Was ist passiert, das du immer und immer wieder versucht dir selber das Leben zu nehmen. Weißt du überhaupt was du uns allen damit antust. Mir? Deinem Vater? Deiner kleinen Schwester? Deinen kleinen Brüdern?"

Der Tag an dem ich starbWo Geschichten leben. Entdecke jetzt