Prolog

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"Entschuldigung?" Sie zuckte zusammen und drehte sich erschrocken um. "Ähm ja?" Vor ihr stand ein junger Mann. Seine Haare waren hellbraun und seine Augen funkelten in einem wunderschönen grasgrün. Sanfter Regen nieselte auf die beiden und ließ einer ihrer wenigen türkisen Strähnen an ihrere Stirn festkleben. "Ich wollte wissen wie spät es ist. Ich habe leider mein Handy zu Hause vergessen", ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen "und ich wollte den Bus nicht verpassen." Ihre Hand glitt in ihre Jackentasche und zog ihr Handy heraus. "17:34. Wann kommt denn ihr Bus?", fragte sie mit leiser Stimme. Plötzlich grinste er breit. Eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht. "Ich bin Enes. Du musst mich nicht mit sie ansprechen." Sie senkte den Blick. "Tut mir leid. Ich bin Katharina." Sie streckte ihm die Hand hin und er drückte sie leicht. Ihre zarte Haut spürte seine raue Hand. Leicht nervös strich sie sich die festgeklebte Strähne wieder hinters Ohr. "Katharina ist ein schöner Name. Wartest du auch auf die Linie 8?", fragte er mit sanfter Stimme. Sie nickte. "Ich vermute du auch."

Nach ein paar Minuten kam der Bus und schweigend stiegen sie ein. "Ich darf mich doch neben dich setzten, oder Katharina?" Sie zuckte zusammen und sah ihn mit großen Augen an. Leicht nickte sie und ruschte in den Sitz.
Etwas schüchtern fragte sie: "Woher kommt eigentlich der Name Enes?" Leicht drehte er sich zu Katharina und lehnte sich an. "Enes kommt aus dem Türkischem. Es steht für einen Menschen der nie alleine ist und immer Gesellschaft braucht. Ich bin gerne in Gesellschaft." Nach einer kurzen Pause lächelte sie und sagte: "Ich hasse Menschen." Das war alles. Nur dieser eine Satz. Leise hörte man Regentropfen an die Fensterscheiben trommeln.

Sie atmete tief durch. "Tut mir leid. Das war unpassend." Ihr Blick suchte sich einen Punkt in der Ferne. Ihre Gedanken schweiften ab und er sah in ihren himmelblauen Augen diese Leere. Seine Kehle zog sich enger zusammen. Kein Funkeln welches er vorhin gesehen hat. Ihre Augen wurden glasig.

Er kannte diesen Blick.
Er kannte solche Momente.

"Hey." Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie strich sich ihre klitschnasse Haare hinter das Ohr. "Hm?", ihre Stimme hatte ein Hauch von Traurigkeit. Mit einem gequälten Lächeln überdeckte sie diese. "Wann musst du aussteigen?"
"In zwei Stationen. Du?"
Ihre Stimme beruhigte sich und plötzlich sah er diesen Hoffnungfunken in ihren wunderschönen Augen wieder bekommen.

Draußen regnete es mittlerweile stärker und auch als sie auststiegen hörte der Himmel nicht auf zu weinen. Gemeinsam liefen sie nebeneinander her und sie erfuhr das er grade von der Schule kam. Wie auch sie. Komplett durchnässt blieben sie an einer Kreuzung stehen. "Ich muss jetzt rechts", meinte sie leise. "Ich links und dann mit der Straßenbahn noch weiter", antwortete er mit einem breiten Grinsen. "Bekomme ich deine Nummer?", fragte sie zögerlich. Lächelnd zog er sein Handy aus der Hosentasche. Er hielt es ihr hin und meinte: "Tipp mir deine ein."

Mittlerweile war der Himmel schwarz und Wolkenverhangen. Bis auf die Knochen verfroren kam sie bei sich zu Hause an. Alles war still. Nur das Säuseln des Windes war zu hören. Ein Seufzer rutschte ihr über die Lippen als sie die Tür aufschloss. Sie war froh endlich zu Hause zu sein. Endlich in den sicheren, eigenen vier Wänden. Ihre Eltern waren nicht da, sodass sie in Ruhe duschen und den Tag nochmal durch zu spielen konnte. Als sie aus der Dusche stieg, blieb sie pötzlich stehen.
"Hatte er nicht sein Handy...?", murmelte sie. Sie betrachtete ihr müdes Ich in dem leicht beschlagenem Spiegel. Ein breites Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. "Dieser hinterlistiger..." Leicht schüttelte sie den Kopf. "Menschen gibts." Und trotzdem schlug ihr Herz höher, als sie an Enes dachte. Mit einem einem abwertenden "Pfff.." trocknete sie sich ab und ließ den Tag mit einem Abendessen vor dem Fernseher ausklingen.

Trotzdem kreisten ihre Gedanken immer um ihn. So sehr sie auch versuchte sich abzulenken, er kehrte immer wieder zurück. Schließlich schlief sie mit den Gedanken an ihn und dem Bild seines frechen Grinsen vor ihrem inneren Auge ein. Aber nicht ohne noch einmal einen Blick auf ihr Handy zu wagen.

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Das Leben fickt mich jeden Tag     "Hallo, mein Name ist Leben."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt