Er wischte sich die schwitzige Hand an der dunklen Jeans ab. Gerade eben hatte diese Coco aus der Parallelklasse ihn angerufen. Ihn! Ob er nicht mitwolle, hatte sie gefragt. Zu dieser Abiparty, für die in der Schule Werbeplakate ausgehangen hatten. Wow. Um ehrlich zu sein, versprach sich Gan nicht viel von Partys. Aber mit Freunden war das schon etwas anderes – die konnte er nur zu gut gebrauchen. Er war zwar eher ein Einzelgänger, aber seit sie hier wohnten, hatte er nur sehr wenig mit Gleichaltrigen unternommen.
Er ging schnell duschen, zog sich eine dunkle Jeans und ein schwarzes Hemd an, schlüpfte in seine roten Vans und machte sich auf den Weg. Auf dem Fahrrad gab er die Adresse, die das Mädchen ihm genannt hatte, in sein Handy ein und ließ sich die Route berechnen. 5,2 Kilometer – er hoffte, sie rechneten nicht sofort mit ihm. Was, wenn sie genervt waren, weil er so spät kam? Oder vielleicht wollten die anderen ja auch gar nicht, dass er kam. Was sollte er dann tun?
Als er in dem Wohngebiet ankam, stellten sich seine Sorgen als unberechtigt heraus. Das recht unauffällige Einfamilienhaus gab von außen einen komplett verdrehten und fälschlich ruhigen Eindruck des Lebens darin.
Der große Junge Tim, der hier wohnte, machte ihm die Tür auf und entschied sich dann dazu, ihm die Hand zu geben. Es war ein bisschen unangenehm – sie kannten sich ja fast gar nicht.
Über die Schwelle der Haustür getreten, fühlte Gan sich wie in einer anderen Welt. Es war unglaublich warm und laut hier drin, die Luft roch nach frischem Rauch und altem Essen und war voll von Gelächter. Das afrikanische Mädchen schien die anderen zu unterhalten.
Der Kreis der sechs schien wie eine Familie zu sein. Sie strahlten ein derartiges Gemeinschaftsgefühl aus, dass Gan sich unmittelbar ausgeschlossen und lächerlich überflüssig fühlte. Nur ruhig, dachte er. Ruhig.
Es war faszinierend hier, aber er war nüchtern und aus einem Tag voller Hausaufgaben in diese betrunkene, vom Alltag abgeschottete Gruppe gerutscht. Es war, als säßen sie alle in einem 3D-Film – nur, dass Gan noch keine Brille hatte. Also nahm er dankend an, als Coco ihm eine Mischung in die Hand drückte und leerte das Glas zur Hälfte in nur wenigen Schlucken.
Er stand immer noch im Türrahmen und huschte erst an den runden Küchentisch, als Coco einen Stuhl neben sich zurückgezogen hatte um ihm zu bedeuten, er solle Platz nehmen.
Jetzt hatten ihn auch die anderen bemerkt.
„Ah, unser kleiner Freund ist auch wieder da! Und wieder im Hemd, das ist ja allerliebst", rief Vincent – der Bruder von Coco - vergnügt. „Halt den Mund", erwiderte diese schlicht. Kein Lachen, kein Zeichen von einem Scherz.
„Nur'n Witz, bleib ruhig, Beschützerin der Minderheiten", erwiderte Vincent so selbstverständlich, als hätte diese Aussage Gan nicht beleidigt. „Komm her mein Freund, und erzähl was, bevor du uns wieder einschläfst!"
Es war falsch gewesen, hierherzukommen, von Anfang an eine schlechte Idee. Gans Bauch zog sich zusammen. Er gab es nicht gerne zu, aber er hatte irgendwie Angst vor Vincent. Der schien ihn nicht zu mögen, und da er hier mehr oder weniger den Ton anzugeben schien, hatte Gan doch sowieso keine Chance, Freunde in der Gruppe zu finden. Nicht, wenn Vincent sich über alles, was er tat, lustig machte.
Aber jetzt gab es kein Zurück, und zum Glück gab es ja noch Coco, die nett war, und Tim, der nicht viel sagte, aber ihm zulächelte. Der blonde Junge – Henri? – sagte nicht viel, und auch diese Sophie nicht. Sam erzählte dafür umso mehr, und das war toll so. Gan mochte sie irgendwie.
Als sie sich langsam fertig machten, um loszugehen, war er schon ein wenig betrunken. Er beobachtete Coco, wie sie sich ihre Schuhe anzog. Sie sah einfach toll aus, mit ihrer hohen, engen Jeans und dem kurzen Top, alles in schwarz. Elegant, irgendwie. Sofort wurde Gan ein bisschen sauer auf sich und ein bisschen peinlich berührt, als er an sich heruntersah und die Zusammenstellung von schwarz, dunkelblau und rot auf sich wirken ließ. Es gab noch jemanden, der Coco beobachtete, merkte Gan jetzt: Tim. Und der konnte seine Augen einfach nicht von ihr ablassen. Selbst, als sie sich in der untergehenden Abendsonne auf den Weg machten, und die beiden nebeneinander gingen, wandte er den Blick nicht von ihr ab, schaute immer links zu ihr herunter. Sie sahen bizarr aus, beide so dünn, Tim so groß, Coco so klein neben ihm, mit ihrer Cola-Vodka-Mischung in der Hand, die bei jedem Schritt mitschwang. Die Luft war warm und roch nach Zeitlosigkeit. Dass es ein Morgen geben würde, kam Gan eher unrealistisch vor. Vögel sagen, der Himmel war rosa, die Tage wurden jetzt heller, er war betrunken, und er war hier, mit diesen Leuten!
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coco und co
Novela JuvenilTausend Dramen. Acht Jugendliche. Ein wunderbarer Freundeskreis. Es geht um Coco und ihre Freunde, die versuchen, die Welt anders zu betrachten und die Erwachsenen zu kritisieren, um Liebe und um Freundschaft. Es geht um Loyalität und darum, nicht z...