underestimation

258 12 10
                                    

Sie machte erst Halt, als ihr die kalte Luft vom späten Abend entgegenschlug und sie schlagartig frösteln ließ. Wie konnte er es nur wagen? Wieso war er hier? Er war noch nie im Smuggler's aufgetaucht, wenn Jasmin arbeitete. Oder sie hatten sich beide gegenseitig ignoriert. Verständlich, wenn man bedachte, dass die beiden rein gar nichts miteinander zu tun hatten. Sie waren noch nicht einmal so etwas wie flüchtige Bekannte, die sich gegenseitig grüßten. Also, wieso war er hier? Wieso war er auf sie zugekommen als hätte er sie gesucht? Konnte er sich nicht einfach eine von diesen Schlampen nehmen, die in ihren winzig kleinen Miniröcken herumstaksten? Die gab es im Smuggler's Cove zur Genüge.

Jazz schnaubte missbilligend, als sie an die Szene von heute Morgen dachte. Wie er dieses Mädchen abserviert hatte. Und nun machte er sich gleich an die nächste ran. Dumm nur, dass er sich allem Anschein nach Jasmin ausgesucht hatte. Sie war nicht leicht zu beeindrucken. Und schon gar nicht von seinem Aussehen. Es brauchte schon wesentlich mehr als eine schöne Verpackung, um ihr Interesse zu wecken.


Die versteckte Gasse hinter der Bar wurde nur von dem kleinen Lichtkegel erleuchtet, der von der Lampe neben dem Eingang herrührte. Normalerweise kamen die Mitarbeiter des Smuggler's nur zum Rauchen hierher, doch Jasmin hatte dringend aus dieser beklemmenden Situation herausgemusst. Zudem hatte sie ihre Schachtel mit den Glimmstängeln zu Hause gelassen, da sie sonst keine Pause in ihrer Schicht benötigte. Doch diesmal sehnte sie sich nach einer Zigarette zwischen ihren vollen Lippen und dem Qualm, der ihre Lungen erfüllen würde. Verdammt sei dieses plötzliche Verlangen!

Hinter ihr vernahm sie unerwartet schwere Schritte, die den Kies unter den Schuhen leise knirschen ließen. Man konnte von der Straße die kleine Gasse erkennen, in der sie sich gerade befand, doch ging niemand außer den Angestellten freiwillig in diese. Wieso sollte man sich auch in eine dunkle, abgelegene Gasse begeben wollen? Und das mitten in der Nacht?

Jazz lehnte mit dem Rücken an der kalten Gebäudewand und atmete einmal tief durch, wappnete sich für das Bevorstehende. Wer da auch immer gerade auf sie zukam, wollte sicherlich nicht nur einen kleinen Plausch mit ihr halten.


»Du läufst weg.« Eine kleine Pause entstand. »Immer läufst du vor mir weg.« Sie kannte diese Stimme. Natürlich kannte sie sie. Das kann ja nur noch beschissen enden.

»Ich laufe nicht vor dir weg. Ich will nur ganz einfach nichts mit dir zu tun haben. Warum will das einfach nicht in deinen Schädel rein?« Mit diesen Worten wandte sie sich dem Mann zu, dem sie um jeden Preis aus dem Weg gehen wollte.

»Weil ich einfach unwiderstehlich bin und mir kein weibliches Wesen jemals verweigert hat, was ich wollte«, erwiderte er keck. Doch außer seinen hellen Augen, die selbst in der spärlichen Beleuchtung zu funkeln schienen, verriet nichts sein Amüsement.

Jasmin konnte sich nicht vorstellen, wie es eine Frau länger als ein paar Stunden mit ihm aushalten konnte. Vielleicht war er ein Gott im Bett, heruntergestiegen, um den Frauen dieser Welt wieder ein wenig Hoffnung zu schenken – auch wenn es nur für ein paar Stunden war –, aber genau das war wahrscheinlich das Problem: Er wusste es. Und er war skrupellos arrogant ob dieses Umstands.

»Tja, dann wird das wohl dein erstes Mal sein«, stellte Jazz bestimmend fest und wandte sich von Tristan ab, um wieder durch den Hintereingang in die Bar zu gelangen.

Doch da hatte sie die Rechnung ohne den Dunkelhaarigen gemacht, der nun nach der Klinke griff und die Tür scheppernd wieder schloss. Er stand so dicht bei ihr, dass sie ein weiteres Mal an diesem Tag seinen heißen Atem in ihrem Nacken spürte. Es war ihr unangenehm, dass er ihr so nah kam. Sie mochte es nicht, wenn irgendjemand ihre Privatzone durchdrang. Außer es handelte sich um Sex. Guten Sex.

Tattoos, Piercings und PlugsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt