Neulich im Bus

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Neulich im Bus fragte sie mich ganz unverblümt aus dem Moment heraus:
„Glaubst du an das Leben?"
Ich sah sie verwirrt an, worauf wollte sie hinaus?
Sie bedachte mein Stirnrunzeln mit einem Lächeln. „Ich meine, glaubst daran, dass es echt ist? Glaubst, dass das hier wirklich alles existiert?", fragte sie und zeigte auf ihr unmittelbares Umfeld. Dabei wibbte ihr hellblondes krauses Haar im Takt ihrer Worte mit.
Nun, glaubte ich daran?
Sie sah mich erwartungsvoll mit ihren großen blauen Augen an. Und ich wusste sie würde nicht ruhen, wenn ich ihr nicht eine ernsthaft überlegte Antwort geben würde. Und für diesen Charakterzug verehrte ich sie am Meisten.
Ich tat wie geheißen und sah mich ganz bewusst um.
Die mittagliche Sonne schien warm und fiel in ausgestreckten Armen gleißend in den Bus. Ich mochte es, wie das Licht jede Sekunde einen anderen Winkel erhellte, als wir gemütlich dahin ruckelten. Draußen sah ich eine aufblühende Bäumealle in all ihrer neu entstehenden Pracht. Mein Blick schweifte zu unseren Mitfahrern. An solch einem schönen Tag lächelten sie, ließen ihre Gesichter durch das Busfenster wärmen und genossen in der Stille den Augenblick. Etwas gedämpft vernahm ich das hohe froh klingende Singen der Frühlingsvögel. Sanft strich ich den Saum meines weichen graues Sitzes. Mir kam es vor, als würde ich sogar einen frischen Duft dieses klaren Tages riechen, als wir gemählich durch die Straßen kurvten. Der strahlend blaue Himmel reflektierte beinahe an jedem Fenster, dessen Weg wir kreuzten. Ich nahm all das auf einmal war, und fühlte mich im Moment unglaublich erfrischt und geborgen. Mein Blick fiel wieder auf sie, dann auf ihre verwachschenen blauen Converse- Schuhe, die sie, wie sie sagte, immer trug wenn ihr das Leben so leicht freudig wie heute vorkam.
Es musste einfach alles wahr sein. Ich glaubte an ihre blauen Glücksschuhe, ich glaubte an die warme Sonne und an alles was ich wahrgenommen hatte. Denn es gefiel mir in seiner Schönheit so gut, dass ich unbedingt wollte, dass es alles wahr war.
Sie nahm meinen Blick wahr und lächelte groß, bis sich ihre Lachfältchen ebenfalls kräuselten. Sie hatte mich beim Nachdenken beobachtet, und wusste demnach genau was ich dachte. Und für diesen Charakterzug verehrte ich sie am Meisten. Sie nickte anerkennend, als würde sie meinem Gedankengang zustimmen. Dann drehte sie ihr Gesicht zum Fenster, schloß die Augen und vernahm die Wärme. Und somit war der Augenblick auch schon wieder vorbei.
Neulich im Bus da waren wir an der Wahrheit ganz schön nah dran.

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