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Ich sitze aufrecht. Meine Hände sind nicht gefesselt, genauso wie meine Beine. Ich reiße erschrocken die Augen auf und blicke um mich. Ein leerer Raum. Die Wände und der Boden komplett aus weißen Fliesen. 

"Hey",höre ich jemanden hinter mir sagen und springe erschrocken auf. Ein weiteres Mädchen sitzt auf dem Boden und hat sich in einer Ecke verkrochen. Ihre vernarbtes Gesicht fällt mir sofort auf. 

"Wo..Wo sind wir?",frage ich. Sie schüttelt den Kopf. Ich schaue mich nochmal um. Keine Fenster, nur eine Metalltür. Ich renne auf sie zu, doch sie ist natürlich verschlossen. 

"Ich bin Avery",sagt sie und lächelt mir schwach zu. Ich setze mich zu ihr und reiche ihr meine Hand. "Serena",sage ich und genieße ihre Gesellschaft so sehr, dass sich meine Augen mit Tränen füllen. 

"Wie lange bist du schon hier?",frage ich sie und kann den Narben in ihrem Gesicht nicht ausweichen. 

"Eine Weile. Ich habe aufgehört zu zählen",erwidert sie und ich nicke. "Ich auch",gebe ich zu.

"Was wollen die von uns?",frage ich und fahre mir durch mein nasses Haar. "Wer tut so etwas?",seufze ich und fange an zu weinen. 

"Sie verkaufen uns",sagt Avery und es verschlägt mir die Sprache. "Sie verkaufen uns?"

"Ja",erwidert sie. "Ich wurde schon vier Mal verkauft." 

Ihre harten Worte verlassen ihre Lippen mit solch einer Leichtigkeit, als würde sie nicht davon sprechen, dass sie Opfer eines Menschenhandels war. 

"Haben sie dir das angetan?",frage ich und deute auf ihre Narben. Avery nickt leicht. "Gott",wispere ich und halte mir die Hand vor den Mund. 

"Wie alt bist du, Avery?",frage ich, da mir erst jetzt ihre kindlichen Gesichtszüge auffallen. "17",erwidert sie. Ich schüttele den Kopf und werde mir bewusst, dass die Situation noch schlimmer war, als ich gedacht hatte. Ich war kein einfaches Opfer einer Entführung, sondern eine Frau, die verkauft und misshandelt werden würde.

Avery schreit auf, als die Metalltür aufgerissen wird. Ich erblicke alles andere als einen maskierten oder alten Mann. Nein, ich starre in das Gesicht eines sogar durchaus jungen Mannes, der so alt wie ich hätte sein können. Er mustert mich kurz, ehe er auf Avery zugeht und sie hinauf zerrt. 

Für einen kurzen Moment weiche ich ängstlich zurück. "Nein!",schreie ich und versuche, ihm Avery zu entziehen. 

"Serena!",schreit sie und beginnt zu weinen. Mit Leichtigkeit versetzt er mir einen Ruck, sodass ich zu Boden falle. "Serena!",schreit ihre kindliche Stimme wieder nach mir. Benommen schaue ich ihr nach.  

"Avery!"

Ich haste zur Tür, doch sie fällt zu. Avery's Schreie werden immer leiser, bis sie ganz verstummen. Schluchzend gleite ich zu Boden und lege meine Stirn auf die kalten Fliesen. 

SerenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt