(68) 14.10.1004 - first hour

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Sicht – Maria Gryffindor

Was hatte mein Großvater nur eine bizarre Einfall? Einen Lehrer einzustellen, der zwar einen sehr guten Ruf hatte und doch kein Stück sichtbar war. Es war merkwürdig, als würde dieser Mensch irgendetwas verstecken wollen, als würde diese unsichtbare Gestalt sich zu fein sein um sein Antlitz zu bescheren. Oder hatte es gar nichts mit ihm zu tun? Vielleicht wurde er verflucht? Oder gar verbannt aus dem Reich der Lebenden? Nachdenklich rannte ich den Korridor entlang und konnte mir keinen Reim daraus machen. All die Jahre mit denen ich mich nun mit diesem unsichtbaren Professor beschäftigt hatte. All die Jahre die ich verzweifelt nach einer Möglichkeit gesucht hatte. All die Jahre unserer Distanz wurde mir nun an jenem Abend klar, dass ich ihn vertrauen und kennen sollte.

Mittlerweile war ich in der fünften Klasse. Die Positionen der Vertrauensschüler wurde erstmals eingeweiht und mein Großvater erklärte uns, dass ab der siebten Klasse auch der betitelte Schulsprecher eingeholt werden würde. Ein Mädchen zu jener Zeit hatte es schwieriger an Ansehen zu gelangen. Entweder durch einen reichen Freund oder einem Skandal, der am Ende nur zum Tod führte. Ich hoffte auf keinen Fall auf eines der Beiden. Ich wollte einen Jungen kennen lernen, der bodenständig und gebildet war. Ich wollte einen Jungen kennen lernen, der sich neben mir setzte und mir nicht vorheuchelte. Ich wollte einen Jungen kennen lernen, der wusste, dass eine Freundschaft zwischen Mann und Frau nicht existiert. Einen Jungen, der über alles andere stünde um seine Meinung treu zu bleiben.

Ohne Aufsehen zu erregen schlich ich mich in dieser Neumondnacht durch die Gänge von Hogwarts und besuchte meinen Lieblingsort. Viele glaubten, dass die Bibliothek meine Liebe war, aber nichts war bemerkenswerter wie der Astronomie-Turm. Der Ausblick über den Schwarzwald und dem Schwarzen See war in der Nacht verführerisch und bedrohlich zu gleich. Lächelnd schwang ich mich die Stufen zu diesem Ort hinauf. Irgendwann ließ ich eine aus und machte größere Schritte. In jener Nacht würde meine erste Lehrstunde mit dem Häuservater der Schlangen stattfinden und ich war wirklich sehr nervös. Neugierig besah ich mir den leeren und dunklen Balkon von der zehntletzten Stufe.

Enttäuscht blickte ich mich in diesem Balkon herum und konnte weder Salazar noch jemand anderes sehen. Doch anstatt ein verräterisches Licht aufbrennen zu lassen, ging ich hinaus und genoss die frische Prise. Ein leichter Regenschauer setzte ein und versetzte mir lauter kleine Hügel auf meiner Haut. Ich schloss meine Augen und richtete mein Gesicht zu den kleinen Regentropfen. Seufzend genoss ich einfach diese Stille und dieses warme Wohlgefühl. Nach einiger Zeit des Lernens vergaß man rasch, dass die kleinen Dinge ihre größten Wunder erst entfalten, wenn man all die anderen nebensächlichen Sachen von sich fallen lassen konnte.

„Du bist wunderschön geworden." sagte eine tiefe und gefühllose Stimme.
„Professor Slytherin, Ihr habt Euch verspätet."

Normalerweise duldete er es sehr selten, dass jemand ihn anklagte. Doch bei mir reagierte er unnormal für seine Verhältnisse. Nie sagte er zu jemand außerhalb seines Hauses, dass er gut war oder dass er wunderschön war. Ich öffnete meine Augen und wandte mich um, sodass ich gegen seinen harten Brustkorb rannte.

„Miss Gryffindor, mir ist es nicht gestattet Eure Wege zu vereiteln. Allerdings möchte ich Euch warnen, wenn Ihr das Geheimnis von Eurem hochgeschätzten Professor erfahrt, wird das nur noch mehr Konsequenzen für Euch haben."
„Ihr wisst, ich kann sehr gut selbst auf mich aufpassen.
„Ihr wisst gar nicht mit welchen Mächten Ihr Euch anlegt."

Ich stemmte meine beiden Hände in die Hüfte und sah ihn provozierend an.

„Dann zeigt sie mir und ich werde entscheiden, ob ich damit leben kann oder nicht."
„Von Mut strotzend." brummelte die Schlange herablassend.
„Und Ihr seid listig wie immer." beleidigt wandte ich mich wieder herum.
„Glaubt mir, ich bin boshafter wie ich den Anschein mache. Wenn Ihr wirklich etwas tiefer in die dunkle Magie gehen wollt, so werde ich Euch dies lernen. Nur erwähne ich nur einige kleine Konsequenzen bei Komplikationen, wie: Das Zerbrechen der Knochen bei falscher Anwendung oder das Auflösen vom Körper bei falscher Bewegung des Zauberstabs und vor allem ist eines besonders wichtig, die richtige Betonung des Zaubers sonst verwest der Körper innerlich." erklärte er mir fachmännisch.

Ich nickte eifrig und stellte mich wieder in den Raum hinein. Lächelnd drehte ich mich zu ihm herum und zeigte ihm, dass ich bereit war für diese erste Stunde. Begeistert zuckte er die Mundwinkel und kam zu mir her, legte eine Hand um die meine Schulter und lächelte mich finster an.

„Diese Stunden werden über Eure Zukunft entscheiden."
„Ich bin bereit wie nie zuvor. Was soll ich tun?"
„Zuerst müsst Ihr Euch von Euren Grundgedanken lösen. Ihr müsst wissen, dass es auch das Schreckliche in der Welt gibt."
„Wie?" verlangte ich zu wissen.

Seine Hand fuhr langsam hinunter zu meinem Dekolleté und hielt dort kurz inne. Sein Kopf senkte sich in die Schräge. Seine Blicke wurden glasig und spiegelten mich deutlich wieder.

"Schlaf mit mir!"

Expecto PatronumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt