Hätte ich vor einem Monat einen blutenden Mann am Boden liegen sehen, hätte ich sogar meine teuersten Klamotten ausgezogen und gegen seine Wunde gepresst, um ihn vorm Verbluten zu bewahren. Ich hätte Erste Hilfe geleistet, hätte alles mir in der Macht stehende getan. Doch wenn ich Zane jetzt so ansah, zweifelte ich daran. Ich zweifelte an meiner Menschlichkeit.
Er fing plötzlich an zu husten. So qualvoll. Stöhnend rollte er auf die Seite und krallte seine Finger in das Sofakissen. Scheiße. Ich wich einen Schritt weiter zur Hintertür und machte mich dazu bereit, jede Sekunde aufzubrechen und um mein Leben zu rennen. Zane hört nicht auf zu husten. Seine Augen sind immer noch geschlossen, er runzelt die Stirn, seine Brust hebt und senkt sich. Schnell, viel zu schnell. Seine Haut glänzt, weil sie von Schweiß bedeckt ist. Die Adern an seinem Hals, an seinen Armen, sie stechen gefährlich hervor. Er kämpft.
"Gott!",fluche ich und fahre mir durch das Haar. Laufen oder bleiben? Helfen oder nicht helfen? Scheiße, Serena. Er hat dich entführt. Das ist deine Chance. Wieso laufe ich nicht weg? Ich habe den Koffer. Ich habe, was ich brauche. Die Tür steht mir offen, es kann mich keiner verfolgen. Warum zum Teufel bin ich noch hier?
Plötzlich höre ich ihn laut aufstöhnen. Sein Husten ist rau und tief. Es verpasst mir eine Gänsehaut. Er sah aus wie ein verdammt heißer Schauspieler, der von mir gerettet werden wollte. Ein ganzer Mann, der...Gott. Was rede ich hier?
"Okay, okay, okay",spreche ich mir nervös zu und lege den Rucksack vorsichtig in die Ecke. Den Koffer stelle ich sicherheitshalber hinaus. Mein Herz schlägt mir schon im Hals, als ich Zane ansehe und ihn scharf mustere. Ist er so im Stande, mir wehzutun? Könnte er mich in diesem Zustand fesseln? Auf einmal kommt mir die brennende Idee.
Ich laufe in das Badezimmer und durchsuche die Schränke. Morphin, Morphin...Morphin! Ich ziehe die kleine Dose hervor und schaue angestrengt darauf. Ich wusste, dass man Morphin zur Betäubung bei starken Schmerzen benutzte und das es ein verschreibungspflichtiges Medikament war. Wie Zane daran gekommen war, wusste ich nicht. Kein Wunder. Ich wusste auch nicht, wie er an den Koffer, an Informationen über mich und meine Familie, sowie Waffen und allem gekommen war. Sich darüber den Kopf zu zerbrechen war, wie in diesen gottverlassenen Wald zu laufen.
Ich haste zurück ins Wohnzimmer.
"Fuck!",stöhnt Zane. Er war aufgewacht. Nur ganz schwach öffnete er die Augen und presste sich mit der Hand auf seine Schusswunde. Ich wandte mich für einen kurzen Augenblick ab. Das ganze Blut hatte doch eine stärkere Wirkung auf mich, als erwartet.
"Z-Zane",sage ich und plötzlich schnellt sein Blick nach oben. Seine Augen treffen direkt auf meine. Er sieht mich an, so als hätte er einen Geist gesehen. "Morphin. K-Kannst du mit Morphin was anfangen?",stottere ich aus sicherer Entfernung. Ich wollte vorbereitet darauf sein, falls er sich plötzlich auf mich stürzen würde.
"Was machst du hier?",stöhnt er und wirft den Kopf in den Nacken. Schmerzerfüllt kneift er die Augen zusammen. Ich verziehe das Gesicht. Er leidet. Ich habe auch gelitten. Ich sollte drauf scheißen.
"Zane! Morhpin!",schreie ich ihn an, doch er schüttelt den Kopf und atmet schwer.
"Gib mir",setzt er an. "Gib mir ein Handtuch",fordert er. Ich renne zurück ins Badezimmer und greife ein sauberes. Doch bevor ich auf ihn zulaufe, bleibe ich wie angewurzelt stehen.
"I-Ich werfe es dir zu",warne ich ihn. Zane streckt plötzlich seine Hand aus. Gezielt schwinge ich es ihm zu. Lässig fängt er es auf und presst es sich auf das Loch in seinem Bauch. "Ich denke, dass das Morphin, dir...",setze ich an.
"Scheiße, Serena. Kein Morphin! Willst du mich umbringen?",stöhnt er und tupft auf die blutige Stelle. "Obwohl, dumme Frage"keucht er und brummt tief. Meine Lippen öffnen sich ein wenig. Hatte mich das gerade etwa...? Nein.
DU LIEST GERADE
Serena
RomanceEntführt. Sie taten alles, um mich zu finden. Im Glauben daran, dass ich schreckliches erleiden musste. Doch was sie nicht wussten war, dass ich nur von ihm und von niemand anderem sonst gefunden werden wollte. Etwas so falsches, fühlte sich plötzl...