Kapitel 1

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Alltag

Sind Menschen nicht eigenartige Geschöpfe?

Ihnen steht das komplette, für menschliche Sinne zu erfassende Spektrum an Eindrücken und Visionen zu Verfügung und trotzdem gehen die wenigsten auf diese Wahrnehmung der Dinge ein. Die anderen hängen fest in ihren von Ethik und Generationen bestimmten Meinungen über das, was man einen normalen Umgang, einen normalen Alltag und normale Intrigen nennt.

Wenn jemandem allein plötzlich die ganze Spanne seiner irrationalen Existenz aufgeht, ihn ein kalter Schauer überkommt und er das Gefühl bekommt tief in sein eigenes Gehirn gezogen zu werden... Schüttelt er sich danach, denkt an etwas vermeintlich rationales und verscheucht den gemeinen Hauch der Unsicherheit. Oder er tut es nicht und wird als vermeintlich depressiv eingestuft.

Das Beängstigende daran ist immerhin, das alles was einem in seiner kleinen Welt wichtig vorkommt, auf die Probe gestellt wird und nach Wichtigkeit und Priorität aussortiert wird.

Der Streit mit einer Freundin, der Eindruck den man hinterlassen haben könnte, die heimliche Schwärmerei, die Abneigung gegen Jemanden oder Etwas- All das wirkt doch von oben betrachtet recht nichtig, oder?

Und trotzdem ist es essentiell für das, worin wir leben. Das ganze Gerede über die höheren Sphären der Wahrnehmung sind ja gut und schön, aber wir agieren nicht darin. Es ist doch wichtig, seine Gedanken bei dem zu haben, was passiert, was einem gefährlich werden könnte oder woran sein Herz wirklich hängt. Ich glaube zumindest-

,,Was ist denn nun? Ich dachte, du wolltest mir helfen, aber's sieht so als würdest du mir nicht mal zuhören.'' Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. Einen Moment lang starrte ich nur den Jungen mir gegenüber an, bevor ich realisierte wo ich war.

,,Ja.. Ja, natürlich Niko. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Bis dahin, bau keinen Mist! Das könnte sonst selbst für mich schwierig werden.'', Ich zwang mir ein Lächeln ab und brachte ihn dann zur Tür.

Ich beobachtete noch, wie er den Gang hinunter schlurfte, mit seinen gefärbten schwarzen Haaren, der schlechten Körperhaltung und der viel zu tief hängenden Hose, bevor er um eine Ecke verschwand und mir aus den Augen.

Ich schloss die Tür und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Warum tat ich das nur.. Niko war jemand, der jede Chance auf Hilfe ein ums andere Mal verspielt hatte und trotzdem kam er zu mir und vertraute sich mir an. Ich war damit vermutlich einfach überfordert. Es passiert ja nicht jeden Tag, das Menschen, von denen man glaubt, das sie eine schlechte Meinung über einen selbst haben, kommen und meinen, man wäre ja eigentlich in Ordnung.

Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Nichts wie raus aus diesem Gebäude, ich musste raus ins Grüne, weg von Problemen, die nicht meine eigenen waren.

Ich atmete tief die frische Luft ein. Auch wenn frisch in Reathbring City vielleicht unangebracht war. Die Straßen waren nicht überfüllt, die Häuser schon seid langem keine Betonblöcke mehr und die meisten Ecken waren mit Bäumen bepflanzt worden, aber dennoch konnte niemand bestreiten, das es eine Stadt war. Wenn man bunten Trubel suchte, war man hier richtig. Tat ich aber nicht, sondern ging zu Fuß los, vorbei an Geschäften und erreichte nach einer Stunde den äußeren Stadtring.

Ab hier ging mir endlich das Herz auf und die Anspannung löste sich. Den Wachen zuwinkend ging ich durch das Tor der äußersten Mauer von Reathbring und von da aus, auf einen Feldweg, der mich schnell zu meinem Zuhause führte.  

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