Schatten

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Zäh floss die Dunkelheit von den Mauern herab und hüllte alles in gefährliche Schatten. Wie ein Meer aus Schwärze legten sie sich auf die kleine Gasse. Sogar der Himmel verdüsterte sich. Nur ein kleiner Raum blieb frei. Darin stand er. Furcht war ihm auf das Gesicht geglitten, wo eben noch linkischer Triumph geglänzt hatte, dank des hervor gebrachten Zaubers.

Wie ein Tier bäumte sich die Finsternis vor ihm auf, vergessend das er ihr Meister war, vergessend das es gezähmt war, nur ein einziger Instinkt herrschte in der Tiefe: Ausbrechen.

Wie oft hatte er die Dunkelheit eingesperrt, sie in ihrer eigentlichen Größe beengt? Zu oft. Er hatte nie damit gerechnet das sie ihm ebenbürtig war, ja, wenn nicht sogar überlegen, denn letztendlich hatte sie sich befreit, bereit ihren Herren zu verschlingen.

Mit einem Mal stieß es vor und hob ihn hoch. Ein Schrei entfloh seinem Mund, als die Dunkelheit sich um seinen Körper legte. Sie floss ihm in Mund und Nase, drang in ihn ein und legte sich schwer auf seine Augen.

Er wehrte sich verzweifelt, schlug mit den Armen durch Luft.

Dann hielt er inne, seine Herzschläge, panisch wie das eines kleinen Tieres, dröhnten ihm in den Ohren. Es riss ihn nach hinten, drückte seinen Rücken durch. Seine Glieder spannten sich an und die Adern traten hervor.

Schmerz. Blendender, gleißender Schmerz explodierte hinter seiner Stirn. Seine Kehle schnürte sich zu und sein Herz brannte wie Feuer. Er griff sich an die Brust, fuhr mit den Händen darüber als vermöge er die Dunkelheit weg zu wischen. Seine Augen traten hervor und zuckten wild hin und her, die Quelle des Leidens zu finden. Aber es gab keine, es war um ihn herum. In ihm.

Er wand sich, schüttelte seinen Kopf. Gefühle durchzuckten sein Gehirn wie Stromschläge. Gefühle die nicht seine eigenen waren. Gefühle, die seine kleine Seele nicht ertrug.

Er schrie sie in die Nacht hinaus, doch auch das verschaffte ihm keine Linderung. Er kauerte sich zusammen, ganz klein, in unfügsamer Schwärze. Immer mehr strömte auf ihn ein. Sein Verstand setzte aus und sämtliches eigene Empfinden fand ein rasches Ende. Er hob zitternd seine tauben Hände an den Kopf, der wie wahnsinnig hin und her zuckte, in gequälter Rage.

Ein letzter, riesiger Schwall traf ihn und riss ihn aus seiner kauernder Starre. Sein Brustkorb riss auf, sämtliche Rippen verbogen sich bis sie splitternd brachen. Die Glieder platzen auf und Muskeln, Sehnen und Adern quollen hervor. Alles fiel auseinander und verschwand als einzelnes Stück in der Schwärze. Nur seine Schreie hallten in der Dunkelheit.

Die Gestalt setzte sich auf. Ein Lächeln huschte über das Gesicht. Hatte es ihm doch gegeben wozu er es hatte zwingen wollte. Es hatte ihm eben diese Macht zuteil werden lassen, die auch in ihr schlummerte und das war passiert. Es hörte noch seine Schreie und sein Leiden war wie süßer Wein auf der Zunge verblieben. Wurde Zeit zu gehen und der Dunkelheit Einheit zu gebieten, jetzt wo sie ein weiteres Mal ihren Hunger hatte stillen dürfen.  

Die kleine SamlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt