12. Morgen

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Das erste was ich wahrnahm, als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug, war die Leere des Bettes neben mir. Sofort umfing mich eine eigenartige Kälte und ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich zuckte zusammen.

»Tim?«, flüsterte ich in das Nichts hinein.

»Nee, nur ich.«, kam auch sofort eine Antwort, bloß war es nicht TIms Stimme, die sprach, sondern die meiner Schwester.

»Dein Tim ist gerade beim Frühstück, es ist nämlich schon halb elf«, klärte sie mich auf und eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung, die ich mir nicht erklären konnte, überkam mich.

»Er ist nicht mein Tim«, verbesserte ich meine Schwester, doch sie lachte nur auf:

»Nein? Das sah gestern aber anders aus. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass da nichts läuft zwischen euch.«

Ich schnaubte empört auf, woraufhin sie nur lachte.

»Wir sind doch nicht schwul!«, empörte ich mich. Immernoch lachend kam meinr Schwester auf mich zu und setzte sich neben mich, legte einen Arm um meine Schulter.

»Da wäre ich mir nicht so sicher«, lachte sie.

»Gehts noch? Tim ist mein bester Freund!«, verbesserte ich sie, doch noch während ich sprach, war ich mir nicht mehr zu 100% sicher, dass ich ihn wirklich nur rein freundschaftlich mochte. Ich schüttelte energisch den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden.

»Ich find das süß. Für mich bist und bleibst du schwul. Und Tim genauso.«, beharrte meine Schwester in dem Moment, als Besagter das Zimmer betrat.

»Was ist mit mir?«, fragte seine dunkle Stimme und er nahm den Platz neben mir ein, von dem meine Schwester in eben diesem Moment sich erhoben hatte.

»Du bist schwul.«, wiederholte die Verräterin und erntete dafür ein Lachen von Tim.

»Cool, wusste ich gar nicht.«, erklärte er todernst, »Und wie kommst du da jetzt drauf?«

»Ich habe festgestellt, dass du und mein Bruder das süßeste schwule Pärchen wärt, das ich kenne.«, erklärte sie fröhlich. Schlagartig wurde ich noch röter als eh schon.

»Vielleicht sind wir das ja.«, antwortete Tim bloß und zog mich mit einem Arm zu sich heran, so dass ich das Gleichgewicht verlor und gegen ihn fiel. Ich quietschte kurz erschrocken auf und obwohl ich wusste, dass Tim nur scherzte, spürte ich bei seinen Worten sich Wärme in mir ausbreiten.

Meine Schwester gab entzückte Laute von sich. In gespielter Verzweiflung ließ ich meinen Kopf gegen Tims Schulter sinken. Er lachte auf und fuhr mir mit seiner freien Hand durch die Haare. Schnell gab ich meinen übertrieben genervten Gesichtsausdruck wieder auf und konnte nicht verhindern, dass stattdessen ein glückliches Lächeln auf meine Lippen trat. Kurz erlaubte ich es mir, die Augen zu schließen, bis Tim neben mir empört aufschrie:

»Du hast jetzt nicht ernsthaft ein Foto gemacht?«, lachte er und bekam nur ein freches »Doch« von meiner Schwester zurück.

»Na warte«, drohte er und erhob sich apprupt, wodurch ich mich nur knapp vor dem Umfallen retten konnte. Ich hörte seine Schritte und das Aufquietschen meiner Schwester, hörte sie miteinander rangeln und lachen. Traurig lächelte ich. Zu gerne wollte ich Teil dieser Rangelei sein und mich wieder wie ein ganz normaler Jugendlicher verhalten können. Doch das würde nie mehr möglich sein. Als meine Schwester erschöpft nach Luft schnappte und sich für gechlagen erklärte, drängte ich meine düsteren Gedanken wieder zurück in die Untiefen meines Herzens. Ein paar Sekunden herrschte Stille, dann hörte ich Tim wieder auflachen, begleitet von einem »Naaaaaaaaaw« meiner Schwester. Im nächsten Moment senkte sich die Matratze zu beiden Seiten meiner und die beiden ließen sich links und rechts neben mir nieder.

»Und, wie sieht das Foto aus?«, versuchte ich den Moment zu überspielen.

»Wahnsinnig süß«, erklärte meine Schwester, ergänzt von Tim:

»Mindestens so süß wie in echt.«

Wieder lachte er, bevor er erneut zum Sprechen ansetzte:

»Du siehst glücklich aus darauf.«, bemerkte er und ich konnte sein Lächeln dabei hören.

Ich bekam mit, wie er meine Schwester bat, ihm das Bild zu schicken und kurz darauf das Geräusch einer eingehenden Nachricht auf seinem Handy. Mir wurde klar, dass sie seine Nummer zu haben schien und unwillkürlich fragte ich mich, wie lange schon. Ich schloss die Augen und versuchte, das Gefühl zu ignorieren, das sich in mir auszubreiten drohte. Eifersucht. Stattdessen konzentrierte ich mich auf das Pochen hinter meinen Augen, das mich seit dem Absetzten der Schmerzmittel verfolgte. Die Stimme meiner Schwester riss mich erneut aus meinen Gedanken:

»Willst du dich nicht eigentlich langsam fertig machen?«

Ich sah sie bildlich vor mir, wie sie eine Augenbraue hochgezogen hatte, eine Fähigkeit, um die ich sie schon immer beneidete.

»Nö.«, erklärte ich bloß, stand aber trotzdem auf, um dann orientierungslos stehen zu bleiben.

»Ähhh... Schrank?« fragte ich schüchtern, zog meinen Kopf ein und kam mir dabei wahnsinnig unfähig vor. Nicht ein Mal so etwas einfaches schaffte ich alleine.

»Rechts«, lachte meine Schwester und ich tastete mich vorsichtig in die vorgegebene Richtung, bis ich Glas unter meinen Fingern fühlte. Das Fenster.

»Haha«, gab ich trocken zurück und blickte böse in ihre Richtung.

»Noch rechtsiger.«, erklärte sie in perfektem Eigenbau-deutsch, »Falsche Wand.« Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich weiter zu tasten, bis ich schließlich tatsächlich an den Schrank kam. Schließlich stand ich unschlüssig vor den geöffneten Türen und verzweifelte innerlich.

»Ich weiß nicht ein Mal, was da für Kleidung drin ist«, murmelte ich leise. All meine Kleidung war, wie alles in dieser Wohnung neu, da nach dem Brand nichts mehr zu gebrauchen gewesen war.

»Vom Stil her ist alles wie früher«, erklärte meine Schwester von meiner Matratze aus, schien aber keine Anstalten machen zu wollen, mir zu helfen. Also griff ich schließlich aufs Geratewohl in den Schrank, zog eine Hose heraus, ließ sie auf den Boden fallen und fand schließlich darüber die Ablage meiner Tshirts. Wahllos zog ich eines heraus und legte es auf die Hose.

»Autsch«, kommentierte Tim von meiner Matratze aus und ich drehte mich irritiert zu ihm um. Ich hörte ihn aufstehen und zu mir kommen, trat bereitwillig einen Schritt zur Seite, froh um seine Hilfe.

»Du hattest das Glück, ungefähr die schlechtmöglichste Kombination zu ziehen«, erklärte er und legte eines der Teile zurück in den Schrank. Stattdessen zog er ein weiteres hervor und drückte mir seine neue Wahl in die Hand. Obendrauf legte er noch eine Boxershorts und ich konnte sein dreckiges Grinsen dabei fast sehen, zumindest so, wie ich mir vorstellte, dass er aussah, wenn er dreckig grinste. Wieder ein Mal wurde ich rot und tastete mich mit gesenktem Kopf aus dem Zimmer und ins Bad.

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Hayho meine Lieben!

Hier wieder ein neues Kapitel, dieses Mal wirklich ohne viel Nachgeplapper meinerseits. Danke für die vielen lieben Kommentare, ich freue mich jedes Mal wie.... wie irgendjemand der sich sehr freut (Vergleich des Jahrhunderts!)

Ansonsten kann jeder gerne ein Kommentar oder so ein  tolles Sternchen dalassen, ich bin dann glücklich :)

Liebe Grüße, minnicat3

Blindes Vertrauen ~ #StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt