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Ich höre ihn plötzlich die Treppe hinauf kommen. Es scheint so, als versuche er tatsächlich leise zu sein. Ich richte mich jedoch auf und tue so, als wäre ich durch ihn wach geworden.

Zane hält in seiner Bewegung inne uns sieht mich durch die Dämmerung an. Ich halte seinem Blick stand. So viele Fragen schwirren mir im Kopf, die er mir beantworten soll. Denn anscheinend wusste er wirklich mehr über meine Familie, als ich es tat.

Lange sehe ich diesen mysteriösen Jungen an, der plötzlich gar nicht mehr so kriminell wirkt, wie davor. Agent bedeutet doch etwas gutes, oder nicht?

Ich senke den Kopf und spiele mit einem Teil der Decke. Zane wendet sich mir ab und geht an den Schreibtisch. Er öffnet eine Schublade und legt sein Handy hinein, ehe er das Fach zudrückt. Natürlich ist es mit einem Zahlencode gesichert.

"Gut geschlafen?",fragt er ohne mich anzusehen. Ich senke wieder den Kopf und nicke. Bis mir auffällt, dass er das gar nicht sehen kann.

"J-Ja?",gebe ich ihm als Antwort. Zane wendet sich mir schließlich zu, ehe er die Arme vor der Brust verschränkt. Schon wieder mustert er mich.

"Ich hätte dir dieses Video nicht zeigen dürfen",sagt er und versetzt mich in einen Schockzustand.

"Ist es fake?",frage ich hoffnungsvoll, doch er lacht.

"Nein, Baby. Es ist echt",antwortet er und ich schlucke schwer. Klar, wie soll man sowas auch fotomontierten. Aber man kann es ja mal versuchen.

"Dann...dann bin ich froh darüber, dass du es mir gezeigt hast",sage ich entschlossen und traue mich nicht, ihn anzusehen. Ich weiß nicht, was für eine Reaktion auf seinem Gesicht ist. Und ich habe Angst davor, sie zu sehen. "Das ist nicht alles, oder?",frage ich schließlich. Ich weiß, dass ich Recht habe.

"Nein",sagt er rau. Ich schließe seufzend die Augen und nicke leicht. Mist.

"Du",setzte ich an und hebe meinen Kopf, um ihm in die Augen zu blicken. Ich will ihn damit konfrontieren, dass ich ihn beim Telefonat belauscht habe. Vielleicht sollte ich mich aber vergewissern, dass er wirklich Agent war. Ich winke ab. "Schon gut, ich..."

"Scheiße, Serena",sagt er plötzlich. Ich sehe ihn fragend an. "Deine Nase blutet",sagt er und geht die Treppe hinunter. Ich fasse mir erschrocken an die Nase. Es ist wahr. Wieso habe ich das nicht gemerkt?

Ich stehe auf und folge ihm. Unten angekommen bekomme ich auch schon ein Taschentuch sanft gegen die Nase gedrückt. Ich halte es fest und sehe Zane dabei zu, wie er das Blutbad im Haus beobachtet. Ich folge schließlich seinem Blick. Grauenhaft.

"Wir ziehen um",sagt er und sieht mich von der Seite an. Ich muss kurz schmunzeln und senke sofort den Kopf. Warum musste ich lachen?

"Findest du das witzig?",fragt er jetzt eher wenig erheitert. Ich räuspere mich und schüttle den Kopf. Das Nasenbluten war anscheinend nur ein kleiner Aussetzer, denn plötzlich hatte es aufgehört.

"Es ist nur...",setze ich an, doch plötzlich vernehme ich das Geräusch eines Wagens. Er hat direkt vor dem Haus gehalten. Ich starre Zane mit großen Augen an.

Stirnrunzelnd schaut er auf die Tür und wartet. Ich werde nervös. Ist es sein Freund Dawson, der das Auto gebracht hat?

"Zu früh. Das kann nicht sein",sagt Zane leise, packt mich am Arm und zieht mich die Treppe mit hoch. Oben angekommen hält er mich auch am anderen Arm fest. Sein Blick trifft meinen. Nervös blicke ich ihn an. Plötzlich gleiten seine Finger an meine Wange und streichen eine Strähne hinter mein Ohr.

"Serena, wir haben Besuch",sagt er und schmunzelt leicht. Wieso konnte er das, in solch einer Situation? "Ich hasse Besuch, also bringe ich sie um",ergänzt er. Ich will etwas erwidern, doch er legt seine Hand auf meinen Mund. Dann wendet er sich von mir ab und gibt etwas in den Zahlencode der Schublade ein. Plötzlich zieht er eine Waffe hervor und lädt sie.

Ich zucke zusammen, als ich das Geräusch höre und weiche zurück. Mein Bauch knurrt urplötzlich. "Keine Sorge, Serena. Erst das und dann essen wir",raunt er mir zu. "Du bleibst hier oben",ändert sich sein Ton. Ich nicke schnell und verkrieche mich aufs Bett.

Zane geht bis zur Hälfte das Geländer hinunter. Seine Arme sind angespannt und definieren seine Muskeln. Seine langen Finger umklammern die Waffe. Er sieht vertraut damit aus. Natürlich, er ist ja auch ein Agent. Oder etwa nicht? Sein Kiefer ist angespannt, doch sein Gesichtsausdruck wirkt entspannt.

Plötzlich ein lautes Klopfen und ein kleines Lächeln von Zane. "Ihr Wichser",raunt er. Er wirft mir einen kurzen Blick zu. Ich sehe ihn mit großen Augen an, doch als er sich stumm wieder anwendet, atme ich aus. Er wird sie umbringen. Er kann das.

Plötzlich geht die Tür auf. Sie fällt eher auf. Und gleich darauf Schüsse. Ich schreie kurz auf und halte mir die Hände an die Ohren. Gott, bitte lass ihn nur geschossen haben. Lass ihn getroffen haben.

Nach einigen Sekunden glaube ich nichts mehr zu hören und nehme die Hände vom Kopf. Ich höre ein lautes Aufstöhnen.

"Wer schickt euch?",brüllt Zane und gleich darauf ein Schreien. Ich erhebe mich vom Bett und haste ans Geländer. Einer der Männer liegt regungslos am Boden. Der Andere greift sich kriechend an die Nase. Zane war natürlich dafür verantwortlich.

Doch anscheinend ist das nicht genug, denn mit einem Ruck zieht Zane ihn an den Haaren hinauf, bis der Typ auf den Knien ist und ihn bettelnd ansieht. "Bitte",wimmert er. Ich verziehe das Gesicht.

"Was?",fragt Zane und nähert sich seinem Ohr. "Nochmal."

"Bitte, ich..",doch er kann seinen Satz nicht beenden, denn schon landet Zane's Faust in seinem Gesicht. Stöhnend fällt der Kerl zur Seite. Ich kneife die Augen zusammen. Er stellt sich  über ihn und packt ihm am Kragen.

"Wer schickt euch?",fragt er nochmal. Die Wut ist ihm ins Gesicht geschrieben. "Wer?",brüllt er und rüttelt an dem Kerl. Er wimmert und hebt wehrend die Arme, dabei schüttelt er den Kopf. Zane schließt seufzend die Augen, zieht den Typen auf die Beine und gibt ihm eine Kopfnuss. Jetzt ist die Nase wahrscheinlich ganz gebrochen.

"Okay!",brüllt der verletze Mann, der anscheinend erst jetzt genug von der Folterei hatte. "Okay, okay. Ich sag's dir!",stöhnt er schmerzvoll und greift sich an sein blutendes Gesicht. Zane zieht ihn wieder am Kragen und sieht ihn erwartungsvoll an.

"Callahan, du hast uns verraten. Deine eigene Familie",lacht er hervor. Seine Zähne sind voll mit Blut umschlossen. "Du weißt, wer mich schickt",grinst er.

Zane zieht seine Waffe hervor. Ich halte mir die Hand vor den Mund.

"Ich habe keine Familie",sagt er, ehe er die Waffe an den Kopf des Mannes hält und ohne zu zögern abdrückt. Ich schließe noch rechtzeitig die Augen. Zitternd setze ich mich auf den Boden. Gott. Fast hätte ich einen Mord gesehen.

Zane's Gesicht erscheint wie aus Zauberhand vor meinem. Ich zucke zusammen. Tränen laufen mir über die Wangen.

"Hey",sagt er sanft. So unglaublich sanft. So als könnte er niemals so brutal mir gegenüber sein. "Hast du zugeguckt?",fragt er vorsichtig. Ich schüttle sofort den Kopf. Scheint so, als wäre er erleichtert.

"D-Du...Du hast ihn erschossen",sage ich mit zittriger Stimme.

"Den anderen auch",fügt er kalt hinzu. So monoton, dass ich erkennen sollte, wie grausam er sein kann. Doch das wollte ich nicht einsehen. Ich schüttle den Kopf.  "Ich sagte doch, Serena. Töten fällt mir leicht."

Eine Gänsehaut überfährt meinen ganzen Körper. Ich kneife die Augen zusammen.

"Ja",flüstere ich. "Ich erinnere mich."

SerenaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt