Mit gesenktem Kopf gehe ich hastig einen Schritt nach den anderen Richtung Biologiesaal. Ich rede mir ein, dass sie mir heute nichts tun würden. Dass sie mich nur einen einzigen Tag in Ruhe lassen werden. Ich hab das alles nicht verdient und das ist ihnen klar. Also warum tuen sie das? Wir drei waren doch mal die besten Freunde. Ich hatte ihnen alles erzählt - einfach alles. Die Tatsache, dass das der Grund ist, warum ich von ihnen schikaniert werde, verletzt und enttäuscht mich so sehr. Ich darf einfach nicht weiter darüber nachdenken. Beste Freunde halten halt nicht für immer für einen und ich musste das auf eine schmerzhafte Weise erfahren.
Als ich den Biosaal erreichte, atme ich erleichtert aus und husche schnell in den großen Raum. Ich habe es geschafft. Nach dieser Stunde habe ich den Tag überstanden. Als ich mich in die letzte Reihe hocke höre ich sie tuscheln, traue mich aber nicht aufzusehen. Noch mehr Beleidigungen würde ich einfach nicht ertragen. Ich denke heute sollte ich alles beenden. Was bringt es mir noch zu leben, nur um in der Schule und daheim fertig gemacht zu werden? Denken sie, ich würde damit klar kommen? Denken sie, dass das kein Grund ist mir das Leben zu nehmen? Ich kann einfach nicht mehr. Vielleicht bringt ihnen mein Selbstmord zur Einsicht und sie hören auf, andere Kinder zu mobben. Vielleicht tut es ihnen ja im Nachhinein leid und sie bereuen es, aber das kann ich nicht versichern. Sie werden es vielleicht nie lernen.
Herr Schnitz knallt seine altmodische Tasche an sein Pult, woraufhin alle Schüler verstummen und sich nach vorne zu ihm drehen. Sein Gesicht ist rot vor Wut und er hat die Hände zu Fäusten geballt. ,,Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid?!", brüllt er und sieht jedem einzelnen wütend ins Gesicht. Seine Stimme bebt und ich zucke zusammen. Ich kann Geschrei einfach nicht hören. Es macht mir viel zu viel Angst. ,,Die 10b, Sie Schnitzel!", ruft Daniel, der 'Klassenclown' wie man so schön sagt, durch den ganzen Raum. Natürlich finden das alle, außer Herr Schnitz, superlustig und gackern um die Wette. So ein Ironiekeks. Ha ha. Ich kann nicht anders, als darüber nachzudenken, was er wohl tun würde, wenn ein Lehrer ihnen berichtet, dass ich Selbstmord begangen habe. Wahrscheinlich wieder einen Witz reißen. Und wahrscheinlich würden alle wieder lachen.
Mein Biologielehrer reißt mich aus meinen Gedanken. ,,Rotznasen seid ihr!", brüllt er, diesmal mehr an Daniel gerichtet, der sich zufrieden an seinen Stuhl lehnt. ,,Ich hab jetzt erneut eine Beschwerde von eurer Mathelehrerin erhalten! Was fällt euch eigentlich ein, einen Pornofilm an ihrem Computer runterzuladen?", kreischt er fast. Ich würde mir gerne die Ohren zu halten, doch dann würde er auch mich anschreien, und das wäre einfach zu viel. Ein paar unterdrücken sich ein Lachen, andere schmunzeln nur. Soweit ich weiß, dachte der Rektor es wäre sie selbst, die diesen Film downgeloaded hat und hat ihr wohl unbezahlten Urlaub gegeben. Irgendwie tut sie mir ja leid. ,,Darcy wars", ruft der Typ vor mir. Mein Kopf schießt nach oben und wandert direkt von ihm zu Herr Schnitz. Er glaubt ihm bestimmt nicht. Ich seh ihm ins Gesicht und seine zusammengeengten Augen und sein eisiger Blick erklären alles: Oh doch, er glaubt ihm. Und wie er das tut.
,,Darcy", sagt er mit einer angsteinflößenden Stimme und läuft mit schweren Schritten auf mich zu. Ich zittere am ganzen Leib obwohl ich weiß, dass ich das nicht war. Wieso hängt er mir alles an? Er weiß doch ganz genau, dass ich an diesem Zeitpunkt auf dem Klo war. Mir ist bewusst, dass ich es Herrn Schnitz einfach nur erklären muss, dennoch zweifle ich daran, dass er mir Glauben schenkt. Mitten vor meinem Tisch bleibt er stehen und verschrenkt die Arme. Er ist ziemlich klein, doch in diesem Moment sieht er 2 Meter groß und ziemlich bedrohlich aus. ,,I-Ich war es nicht. Ich schwör es!", flüstere ich kaum hörbar. Er knallt seine riesige Hand an meinen Tisch, woraufhin ich auf meinem Stuhl kurz aufhüpfe. ,,Das klang aber nicht sehr glaubhaft.", knurrt Herr Schnitz mir ins Gesicht, entfernt sich aber und verschrenkt wieder seine Arme. Ich öffne den Mund um etwas zu sagen aber die Laute bleiben mir im Hals stecken. Ich versuche es nochmal, aber nichts kommt raus. Ich sehe wie Larissa und Denise kichernd ihre Hände vor den Mund haltenl. Und das waren mal meine besten Freunde..