4. Donnerstag Nachmittag- Meine Lehrerin fängt Feuer

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Langsam erhob ich mich wieder von der Bank, scannte meine Umgebung mit meinen Augen ab und behielt dabei meine harte Miene. Ich war mitten in einem Park, es war wenig los. Gut für mich. Ich hoffte, dass mich niemand ansprechen würde. Die einzige Stimme die ich hören wollte, war die meiner eigenen. Und das in meinem Kopf. Ich sagte mir immer wieder, dass mich die Einsamkeit eines Tages verrückt machen würde. Ich brauchte dringend soetwas wie einen Freund. Oder eine Freundin. Dabei bin ich grausam in solchen Dingen. Kopfschüttelnd lief ich weiter, mein Ziel vor den Augen. Die U-Bahn.

Freunde hätte ich sowieso nicht gefunden. Morgen würden wir nach Hause gefahren sein. Klassenfahrten waren ätzend, auch wenn sie eine Abwechslung zu dem Schulalltag gewesen sind. Nicht, dass ich etwas gegen die Schule hatte. Ich war äußerst gut, dennoch waren es mir einfach zu viele Menschen. Bei der U-Bahn angekommen, kaufte ich mir ein Ticket und stieg in die Bahn ein. Es war ein Sitzplatz frei, weshalb ich sitzen konnte. Wie sehr ich doch enge, vollgestopfte Plätze hasste. Sofort wurde mir warm, ich begann zu schwitzen, doch wagte es nicht meine Jacke aus zu ziehen. Ich hatte das Gefühl, dass jeder Blick mir galt. Und ich hasste das Gefühl. Bei jeder Station, an der die U-Bahn hielt, wurde ich nervöser und stieg letztlich eine Station früher als geplant aus. Ich würde lieber laufen, dachte ich mir und eilte die Treppe zur Erdoberfläche hinauf. Oben angekommen wurde ich von frischer Luft empfangen. Unter der Erde wurde ich immer nervös. Nicht, dass ich Angst hatte, es war eine andere Wirkung die sie auf mich hatte, die mich nervös machte. Unter der Erde fühlte ich mich so mächtig. Ich senke meinen Kopf, stecke meine Hände in die Jackentaschen und ging die letzten Meter zum Hotel zu Fuß. Dabei achtete ich nicht auf meine Umgebung und fiel, als hatte ich es nicht ahnen können, hin. Als ich meinen Blick hob, sah mich ein Mädchen entschuldigend an und hielt mir ihre Hand hin. Anscheinend war ihr mein Sturz zu verdanken, aber selbst Schuld, wenn ich nicht aufpasste.

"Tut mir echt leid, ich hätte besser aufpassen müssen. Ist etwas passiert?" Sie hielt ihre Hand immer noch in meine Richtung und ich spielte kurz mit dem Gedanken diese zu ergreifen, entschied mich dann aber dagegen und stand allein auf.

"Alles in Ordnung", versicherte ich ihr und wollte gerade weiter gehen, doch irgend etwas hinderte mich daran. Ach ja, genau, ich wollte mir ja Freunde suchen. Sie sah aus wie jemand, der sehr verpeilt war, passte allerdings auch nicht wirklich in ein Schema der mit bewussten Typen vom Mensch. Ich konnte sie nicht auf den ersten Blick zuordnen und das war seltsam. "Uhm, ist etwas", fragt sie plötzlich und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich konnte mir gerade noch auf die Zunge beißen, um sie nicht an zu meckern.

"Nein, alles bestens."

Sie sah verwirrt aus und betrachtete mich von oben bis unten, bis sie schließlich lächelte.

"Ich bin Elenor. Und du?" Sie legte den Kopf schief und wartete auf eine Antwort. Ich war kein Fan von Smalltalk, er erschien mir nutzlos. Doch ich tat ihr den gefallen und antwortete. " Ich heiße Leo." Interessiert nickte sie und sah dann zum Hotel.

"Ich war gerade auf dem Weg dort hin. Du auch", fragte sie mich und verstaute ihre Hände in ihren Jackentaschen. Ich bestätigte ihre Frage mit einem nicken und setzte mich langsam in Bewegung. Sie schien dies als Zeichen zu deuten, dass sie mit kommen sollte. Warum auch immer eine Fremde einfach so einem Jungen, den sie zuvor umgelaufen hatte, folgen würde. Ich würde es nie verstehen.

"Bist du auch mit deiner Klasse hier?" Wieder nickte ich nur und lief die Treppen zum Eingang hoch, das Mädchen auf meiner rechten Seite.

"Ich kenne dich", platzt es plötzlich aus ihr heraus. Wir standen mittlerweile im Eingangsbereich und ich drehte mich fragend zu ihr.

"Na, wir gehen in eine parallel Klasse", erklärte sie mir und lachte etwas. Verwirrt sah ich sie an. Naja, zumindest kannte ich jemanden. Freundin finden Schritt eins abgeschlossen.

"Ah, stimmt ja. Wo war ich nur mit meinen Kopf." Als Antwort lächelte sie nur.

"Lass uns aus dem Eingang gehen, wir stehen in Weg."

Wieder nickte ich nur und sah auf meine Armbanduhr. Ich hatte noch eine Minuten bis sich meine Klasse treffen würde. Und zu meinem Missfallen viel es immer auf, wenn ich nicht da war. Ich trat aus dem Eingangsbereich, winkte dem Mädchen als Verabschiedung zu und rannte zum Gruppenraum. Jetzt würde sie mich wahrscheinlich für verrückt gehalten haben. Oder sie stempelte mich als Arschloch ab, mir war es gleich. Mal abgesehen davon, dass mein Plan dann wieder nicht funktionierte. Ich machte mir das Leben auch selbst schwer. Und das in jeder Hinsicht. Ich konnte nicht wirklich gut mit Menschen oder jeglichem Lebewesen, ich hasste große Menschenmassen, ich besaß keine Freunde und ich fühlte mich niergends wohl. Ich blieb nie länger als ein Jahr an einem Ort, wenn ich länger dort war passierten seltsame Dinge. Es war so, als wenn ich nur für einen bestimmten Zeitraum geduldet wurde. Das traf für jegliches Lebewesen um mich herum übrigens auch zu. Naja, bis auf das war mein Leben stink normal. Für mich jedenfalls. Mit schnellen Schritten ging ich auf die Tür des Gruppenraum zu, als meine Imaginäre innerliche Uhr anfing zu klingeln.

Fuck, ich war zu spät. Keuchend riss ich die Tür auf und wurde von dem Starren meiner gesamten Klasse begrüßt. Herzlichen Glückwunsch.

"Aha. Sie haben es anscheinend nicht nötig zu erscheinen, oder wie sehe ich das?" Meine Klassenlehrerin durchbohrte mich mit dem übelsten Killerblick, den ich jemals gesehen hatte. Normalerweise wäre ich gegangen oder hätte den Kopf eingezogen und hätte mich ohne Wort auf meinen Platz gesetzt. Doch Lous Höhnisches Grinsen und der Blick meiner Lehrerin brachten mich zum kochen. Ich spürte, wie die Hitze in mein Gesicht kroch. Nicht vor Scham, sondern vor Wut.
"Ach, meinen sie das?" Meine Stimme war nicht so ruhig wie sonst, sie bebte leicht.

"Und wir werden auch noch frech", fassungslos starrte sie mich an.

Das gab mir den Rest. Ich wollte sie provozieren. Ich wollte es so sehr. Meine ganze Wut kontentrierte sich auf ihr Knielanges grünes Kleid und dann brach Panik aus. Meine Lehrerin rannte kreischend durch den Raum, meine Klassenkameraden eilten ihr zur Hilfe. Das totale Chaos. Und ich mitten drin. Das Kleid meiner Lehrerin brannte am unteren Saum und sah nach dem Löschversuchen ziemlich angesengt aus. Sie klappte zur Seite und blieb ächzend auf dem Boden liegen. Also meine Lehrerin, nicht das Kleid. Irgendwer brüllte etwas von "Krankenwagen", und der Rest starrte mich an, als wäre ich ein Außerirdischer. In dem Moment ging bei mir erst das Licht auf und ich kapierte, was gerade geschehen war. Scheiße, ich hab durch bloße Gedankenkraft meine Lehrerin angezündet. FUCK!

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