Prolog

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Der Blick der jungen Frau, die inmitten einer Lichtung an einen Pfahl gefesselt war, glitt flehend umher. Tränen der Verzweiflung rannen über ihre Wangen, doch niemand schien ihr helfen zu wollen. Mitleidslose Wesen aus schimmernden Lichtern umringten sie. Geschwächt hob sie den Kopf und blickte dem Wesen entgegen, welches ihr am nächsten war.

„Vater ... bitte nicht ...", drang voller Angst über ihre spröden Lippen.

Das Licht vor ihr waberte, die Schatten wurden länger. Alsbald stand dort ein älterer Mann, die Miene fest und entschlossen, wenngleich von Trauer verzerrt. „Du kennst die Gesetze unseres Volkes. Mit deiner Entscheidung hast du dein Schicksal selbst gewählt." Seine dunkle Stimme hallte durch den Wald und ein Zischen ging von den Wesen hinter ihm aus, ihre Farben schienen für einen Moment heller und leuchtender zu werden. Vergebens versuchte die junge Frau, ihre Hände aus den Fesseln zu winden und weitere Tränen rannen über ihre Wangen, fielen auf den weißen Stoff des Kleides, welches sie trug. Sie hatte um die Strafe für ihr Vergehen gewusst und doch niemals daran geglaubt, dass man sie stellen würde. Ihre Freunde, ihre Familie und ihr Verlobter ... - alle waren dort, um Zeuge ihrer Buße zu werden, und niemand würde einschreiten.

„Nein!! Lasst sie frei!!". Der verzweifelte Schrei eines Mannes, gefesselt und von zwei Wesen bewacht, drang an ihr Ohr. Kraftlos hob sie den Blick und sah ihm entgegen. Schmerz, Wut und unendliche Liebe durchzuckten gleichermaßen ihren Leib, als er sich aufbäumte – versuchte, sich zu befreien.

Es würde ihm nicht gelingen und die stumme Bitte um Vergebung rann über ihre Lippen. Voller Trauer und Unglauben schüttelte er den Kopf und schrie wieder auf, doch verstand sie dieses Mal keines seiner Worte.

Nicht ihm hatte ihre Hand gehören sollen, nicht er sollte ihr Gemahl werden und doch gebührte ihm jeder Atemzug ... - jeder Schlag ihres rasenden Herzens.

Ihre Seelenspiegel weiteten sich, als sein Antlitz mehr und mehr vor ihr verschwamm, bald nur noch eine Ahnung war hinter den aufsteigenden Rauchschwaden.

Rauch?!

Zu spät wurde ihr gewahr, dass das Laub, welches man um den Pfahl herum verteilt hatte, brannte. Zu spät erkannte sie, dass das Urteil vollzogen wurde und alsbald fraßen sich die lechzenden Flammen durch den Stoff ihres Kleides, hungrig nach ihrem Fleisch.

Die sengende Hitze ließ ihre Haut beinahe wie Wachs schmelzen, wandelte ihr wallendes Haar in Asche. Sie legte den Kopf zurück und ihrer Kehle entwichen grausame Schreie des Schmerzes, während ihr Leben unaufhaltsam vor ihrem inneren Auge an ihr vorbei glitt.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 08, 2016 ⏰

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