coco und co

6 (SAM)

6 (SAM)

Heute war es ziemlich kalt, und das war super so, denn man konnte den ganzen Tag im Haus bleiben, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Bis jetzt hatten die Freunde kaum etwas Nennenswertes unternommen, nicht ein einziges Mal heute das Haus verlassen.

Es klingelte an der Tür, als Sophie gerade Saft und Gläser auf einem Tablett ins Wohnzimmer balancierte. Vincent wollte die Tür aufmachen, aber Tim kam ihm zuvor. Es war Gan.

Gestern hatte er das Angebot, bei Tim zu übernachten, abgelehnt. Seine Mutter würde auf ihn warten, hatte er gesagt, aber er würde den Tag darauf kommen, wenn das ginge. Natürlich ging das. Es fühlte sich ein bisschen komisch an, dass auf einmal ein Neuer unter ihnen war. Komisch, aber gleichzeitig erstaunlich angenehm.

Sam hatte das Gefühl, sie würde jede Minute einschlafen, während Henri und Tim ihr Zeug von den Sofas räumten, damit alle Platz hatten. Heute wollten sie einen Film gucken, zum Glück, denn alle waren ziemlich müde und erschöpft von den letzten Tagen. Es war aber nicht dieses kalte Müde voller Kopfschmerzen und negativer Gedanken, sondern viel mehr wie das wohlige, zufriedene Müde kurz vorm Einschlafen in einem frisch bezogenen Bett.

Sie durchstöberten die DVDs, die in der Schublade unter dem Fernseher versammelt waren. Es waren nicht viele, aber sie entschieden sich recht schnell für einen etwas älteren Animationsfilm. Da war es immerhin nicht allzu schwierig, die Handlung nachzuvollziehen, wenn sich man nebenbei unterhält.

Als Sophie die DVD aus der Hülle nahm, runzelte sie die Stirn. „Leute, da ist ein anderer Film drin."

„Wieso, was ist das denn?"

Sie kniff die Augen zusammen, um im Halbdunkeln den Titel entziffern zu können. „Drei Herzen voller Liebe".

„Klingt nach irgendeiner Geschichte wie tausend andere, wo sich eine Frau in zwei Männer gleichzeitig verliebt", lachte Henri. „Der eine so ein perfekter Arzt, und der andere besitzt ein Motorrad und wirkt irgendwie so'n bisschen böse."

Da Sophie beschloss, es sei wohl Schicksal gewesen, dass der Film in der falschen Hülle gesteckt hatte, und in erster Linie auch, weil sie den ursprünglich geplanten Film nicht finden konnten, schauten sie sich also nun „Drei Herzen voller Liebe" an.

Der Arzt war in Wirklichkeit Architekt, aber sonst hatte Henri die Geschichte gut eingeschätzt.

Die Handlung war nicht nur langweilig, sondern die Typen auch ziemlich ekelhaft. Sams Augen fielen zu, und als sie aus ihrem Halbschlaf wieder aufwachte, stritt sich die Protagonistin gerade mit ihrem pseudoperfekten Verlobten. Dramatische Musik setzte ein und der Typ seufzte, während er sich mit seinen muskulösen Armen auf der aufgeräumten Kücheninsel abstützte und den Kopf senkte. Szenenwechsel zur Frau. Mit gegen die Kälte verschränkten Armen und wehenden Haaren lief sie zügig die Straße herunter und blickte alle paar Schritte über die eigene Schulter. Plötzlich war ein schnell lauter werdendes Brummen zu hören – ein Motorrad. Fantastisch. Das war zu klischeehaft, um wahr zu sein. Der Fahrer setzte seinen Helm ab und schüttelte seinen Kopf, dass die braunen Locken nur so wehten – natürlich in Zeitlupe. Die beiden schienen sich schon kennengelernt zu haben, als Sam eingenickt gewesen war, denn die Frau schrie den Mann an und sagte, sie würde nicht in tausend Jahren etwas mit jemandem wie ihm zu tun haben wollen. Sie stritten hin und her, der Kerl konstant betont lässig. Er lächelte, als sie sich in Rage redete. „Was soll ich denn bitte über dich denken? Du verfolgst mich, das ist gruselig, okay? Du legst dich mit jedem an, und du bist ein Arschloch, Tom! Verdammt, ich-"

Sie wurde unterbrochen. Der Typ, anscheinend Tom, hatte seine eine Hand an ihre Hüfte gelegt, die andere eng um ihren Hinterkopf, und drückte sie nun an sich, um sie heftig zu küssen. Dramatische Musik.