Introduction

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"Cassandra, Sophia, kommt sofort runter, essen ist fertig!", ertönte es und schlagartig öffnete ich meine Augen. "Soph, schnell wach auf, wir haben mal wieder verschlafen!", flüsterte ich und rüttelte an dem kleinen Bett neben mir, auf dem ein dünnes Mädchen lag, das laut seufzte. 

"Nur noch ein paar Minuten Mama.", murmelte sie.
"Sie wird uns umbringen! Wach auf! Sophia!" Plötzlich schlug sie ihre eisblauen Augen auf und war hellwach.
"Hat sie schon gerufen?", fragte sie ein wenig nervös und man konnte nicht mehr erkennen, dass sie gerade eben noch tief und fest geschlafen hatte. Als ich nickte stürmte sie auf, warf ihre Bettdecke nach hinten und rannte zu ihrem Schrank, in dem sie dann rumwühlte.
Währenddessen stand auch ich auf, legte erst meine, dann ihre Bettdecke zusammen, zog mich um und setzte mich kurze Zeit noch mal auf mein Bett um einmal tief durch zu atmen. Das half mir immer besonders um ein wenig runter zu kommen.
"Schnell!", schrie mich Soph an, gerade als sie sich ihre langen, blonden Haare zu einem Dutt zusammen band.
"Ich hasse dieses ewige Szenario.", ich stand auf und hastete mit ihr zusammen zur Zimmertür.

"Sagt mal was bildet ihr euch eigentlich ein? Zu spät kommen wird hier nicht geduldet! Ich sag euch das doch nicht jeden Tag wieder! Eigentlich könnte ich ein bisschen Dankbarkeit von euch erwarten, schließlich würdet ihr ohne mich auf der Straße sitze! Doch was bekomme ich? Nur Unpünktlichkeit und ähnliche ungute Sachen!", sie schrie uns an, wie jedes Mal.
Sie sagte es wird nicht geduldet, wie jedes Mal.
Wir werden morgen wieder zu spät kommen, auch wie jedes Mal.
Mit gesenktem Kopf deckten wir in Windeseile den Tisch und setzten uns lautlos. Den Blick nur auf den Teller gerichtet aßen wir Nudeln mit Tomatensoße. Richtig schmecken tat das zwar nicht, doch hier war auch nichts anderes zu erwarten. Es gab meistens Nudeln, ab und zu auch mal Pizza, aber immer etwas, was nicht viel Aufwand benötigte.
Nach dem Essen gingen wir zwei hoch in unser Zimmer und legten und auf unsere Betten. "Lange halte ich das wirklich nicht mehr aus.", sagte ich und seufzte laut. "Tja, hier kommst du wohl nie raus.", erwiderte sie, gefolgt von einem lauten Seufzer.
Das wiederum stimmte vollkommen. Lauren, die Ich-muss-euch-ständig-anschreien-Frau, war nämlich unsere Pflegemutter. Obwohl das schon zu viel gesagt war, denn "Pflegen" stimmte nicht wirklich. Sie passte nur auf, dass wir eine Unterkunft hatten und in die Schule gingen. Und für jeden von uns bekam sie leider auch noch Geld. "Uns", wie schrecklich sich das schon anhörte, vor allem in diesem Zusammenhang. Aber Geld war genau das, was sie sich von uns erhoffte, denn auch wenn es nicht viel war, ihr reichte es. Nur ihr Job als Putzfrau war ihr nämlich zu wenig und somit hat sie es sich zu ihrer Aufgabe gemacht, uns zu quälen. Außer mir und Soph gab es auch noch einen Jungen, er hieß Sam. Doch der war vor einer Woche abgehauen und somit aus diesem Höllenloch entkommen. Ja, das hier ist wahrhaftig die Hölle!

"Weißt du was ich jedes Mal träume, wenn ich meine Augen schließe?", fragte Soph plötzlich. Ich schüttelte nur den Kopf und sah sie fragend an. "Dann sehe ich mich an einem riesigen Tisch sitzen, mit Mom und Dad. Wir essen gemeinsam, reden und lachen." Als sie endete sah ich sie an. Ich glaubte eine Träne auf ihren Wangen herunter laufen zu sehen und ging somit zu ihr und drückte sie ganz fest. Soph war schon immer so sentimental gewesen, seit ich sie kenne, träumt sie von einer heilen Welt, in der sich alle lieben. Doch, und das kann niemand leugnen, das ist einfach nicht so. Man muss der Wahrheit ab und zu auch mal ins Gesicht sehen. Schließlich wird sie nie wieder mit ihren Eltern zusammen essen, oder sie auch nur sehen, denn vor ungefähr sechs Jahren waren sie beide bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben gekommen. Immer diese Autounfälle, reißen uns zahlreiche aus unserem Leben. Meiner Meinung nach sollte Auto fahren verboten werden. Trotz meinen Überlegungen, antwortete ich sogleich in einem ruhigen Tonfall: "Irgendwann wirst du an so einem Tisch sitzen, natürlich reden und lachen. Mit deinem wundervollen, geliebten Mann, deinen wunderschönen Kindern und ein Hund wird in eurem Garten spielen, es wird fantastisch werden." Ich hörte wie sie kurz lachte. "Ich liebe dich Cassie. Du findest einfach immer die richtigen Worte. Danke dafür." "Für dich immer wieder gerne."
"Bald wirst du 16.", sagte sie und verfiel in Schweigen. Nach einiger Zeit sprach sie weiter. "Dann kann es sein, dass du nicht mehr für mich da sein kannst." "Natürlich kann ich das! Ich werde nicht so jemand werden, keine Angst, ich bin immer für dich da!" "Aber wenn es passiert, dann wirst du weg müssen. Weit weg. Wenigstens bist du dann aus diesem Höllenloch raus." Ich schüttelte nur den Kopf, denn ein Widerspruch war anscheinend zwecklos. Sie hatte außerdem vollkommen recht. In 2 Tagen war schließlich mein 16 Geburtstag und da konnte sich alles ändern.
"Wie passiert das eigentlich genau?", fragte sie mich, mit einem Hauch von Verzweiflung, da sie anscheinend wirklich Angst um mich hatte. "Mit mir gar nichts!", brachte ich nur heraus.
Nach einiger Zeit hörten wir Lauren unten ziemlich laut brüllen. Was genau, war nicht zu verstehen. Soph und ich sahen uns nur Verständnislos an, ich jedoch konnte schon ahnen, was da los war. "Nein, sieh nicht nach.", murmelte Soph, doch ich war schon auf den Weg zur Tür, welche ich einen kleinen Spalt öffnete, so dass ich genau zu Lauren blicken konnte. Sie stand mit dem Gesicht zu mir und vor ihr stand ein Mittelgroßer Junge mit leicht gelockten Haaren. Das war Sam! Sofort stieß ich die Tür komplett auf und lief auf die beiden zu. Noch bevor Lauren ein Wort sagen konnte, drehte sich Sam um und ich fiel ihm in die Arme. Seine breiten Schultern hielten mich und ich fühlte mich nach der Woche endlich wieder sicher. "Ich hab dich so vermisst.", flüsterte ich in sein Ohr. "Ach Cassie.", sagte er nur. "Sag mal hast du jetzt auch den Verstand verloren? Ab auf euer Zimmer und zwar sofort!", rief Lauren und schob uns nach vorne. Sam ging ganz schnell mit in unser Zimmer und umarmte auch Soph. Jetzt war die Hölle endlich wieder komplett!

A little bit different. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt