Die Sonne ging bereits auf, als ich immer noch auf dem Baumstamm saß und Trübsal blies. Nachdem mir letzte Nacht klar wurde, dass ich Noah niemals einholen würde, hatte ich mich auf diesem Baumstamm niedergelassen. Meine Tränen waren längst versiegt, aber ich begriff immer noch nicht, warum Noah einfach so weggerannt war. Warum vertraute er mir nicht? Hatte er Angst davor, dass ich nicht damit klarkommen würde? Aber das brauchte er doch nicht, nicht bei mir...
Auf einmal spürte ich eine Präsenz neben mir, die eine wohlige Wärme durch meinen Körper jagte. Ich drehte meinen Kopf zu Chensit. Er war es wirklich, denn nur er konnte dieses Gefühl bei mir auslösen.
„Du kommst immer dann, wenn ich am dringendsten Hilfe benötige oder?", fragte ich ihn und lächelte traurig. Er sah mir in die Augen und nickte. Ich lehnte meinen Kopf an seinen Hals und seufzte. „Ach, Chensit. Was soll ich nur machen? Noah ist jetzt ebenfalls ein Hybrid und vor mir weggerannt. Haben wir beide überhaupt eine Chance? Oder ist das die Bestrafung für all das, was ich getan habe?"
„Es ist nicht deine Schuld, Meredia.", sagte Chensit.
„Sagst du das jetzt nur, weil ich das hören will?"
„Nein, ganz im Gegenteil. Ich sage es, weil es die Wahrheit ist. Noah hat etwas getan, wofür er jetzt die Konsequenzen trägt. Aber das muss er dir selber sagen." Chensit war immer so geheimnisvoll. Manchmal hasste ich es wirklich, wenn jemand nicht einfach gleich mit der Wahrheit herausrücken konnte, sondern dass man sich immer selbst darum kümmern musste.
„Und ich schätze mal, dafür muss ich ihn finden, da er nicht zu mir kommen wird, richtig?", fragte ich.
„Du lernst schnell, Meredia.", antwortete er und lächelte mich an. Ich bildete mir sogar ein, in seinen Augen ein verschmitztes Funkeln gesehen zu haben. Ich sprang vom Baumstamm und fluchte innerlich.
„Warum kann nicht einfach mal etwas einfach sein?", fragte ich. Chensit öffnete bereits den Mund zum Antworten und ich hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen. „Bitte, sag jetzt nichts. Ich kann es mir denken.", sagte ich und ging dann zu ihm. „Also Chensit, hilfst du mir bitte ein weiteres Mal Noah zu finden?"
„Das tue ich sehr gerne, Meredia.", antwortete er und ließ mich aufsteigen. Scheinbar schien er genau zu wissen, wohin wir mussten, denn sobald ich aufsaß, rannte er auch schon in Richtung einer mir unbekannten Gegend des Waldes, los. Wir erreichten eine kleine Höhle, als ich von Chensits Rücken sprang und drauf zuging, entdeckte ich Noahs nun mit Fell übersäten Körper. Ich nährte mich immer mehr, ich hatte ihn fast erreicht, als er plötzlich die Augen aufriss und mich aus leuchtend gelben Augen ansah.
„Bitte schick mich nicht schon wieder weg, Noah. Ich möchte dir helfen, so wie du mir geholfen hast. Hörst du? Du hast es geschafft, ich bin geheilt. Und jetzt möchte ich dasselbe mit dir machen. Aber du musst dir helfen lassen." Ich hoffte inständig, dass er diesmal nicht wieder wegrennen würde. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er mich schon wieder verlassen würde. Der Gedanke daran, ließ mir erneut die Tränen in die Augen steigen. „Noah... Ich liebe dich.", flüsterte ich. Er setzte sich auf und in seine Augen trat ein mitfühlender Ausdruck und in diesem Moment war ich mir sicher, dass tief in diesem Wesen immer noch mein Noah war, der mich immer noch liebte und der mich nicht mehr wegstoßen würde. Ich schlang die Arme um seinen Hals und vergrub mein Gesicht in seinem weichen Fell. Er legte seinen riesigen Kopf auf meinen und so saßen wir lange da. Die Nähe des anderen genießend, während zumindest ich mir wünschte, dass dieser Moment niemals vergeht.
Irgendwann sagte Noah in die Stille hinein: „Das ist der Preis, den ich für deine Heilung zahlen muss."
Es überraschte mich, dass ich ihn überhaupt verstand, aber das lag wahrscheinlich daran, dass er sich nicht vollständig zu einem Wolf gewandelt hatte. Ich hob meinen Kopf und sah ihn an. Chensit hatte sich derweil zurückgezogen und ich dankte ihm dafür. „Was meinst du damit?", fragte ich Noah.
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Die kleine Meerjungfrau - einmal anders
ФэнтезиTief unten im Meer lebte die kleine Meerjungfrau als Jüngste von den sechs Töchtern des Meerkönigs. Sie war schon immer anders als ihre Schwestern gewesen, sie hatte nicht so langes goldenes Haar wie sie und auch ihr Fischschwanz war nicht so glänze...