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Coreys Sicht wurde durch einen milchigen Schleier verdeckt und sie blinzelte hinauf in ein verschwommenes Gesicht, das soeben aufgetaucht war. Das Pochen an ihrem Handgelenk betäube all ihre Sinne, sodass sie nicht mal hätte schreien können, wenn sie es gewollt hätte und sie fühlte, wie ihr Körper immer mehr erschlaffte.
Nur mit Mühe erkannte sie die Gestalt, die sich über sie gebäugt hatte und dumpf drang eine aufgeregte Stimme an ihr Ohr. Corey versuchte etwas zu sagen, doch ihre Stimme klang rau und es kam mehr ein Gurgeln aus ihrem Mund, als vernünftige Wörter. Müde blinzelte sie, als habe sie Stunden geschlafen und sie versuchte etwas durch den dichten Nebel vor ihren Augen zuerkennen. Ihr Freund fing an, sie an beiden Schultern gepackt, zu rütteln, sodass ihr Kopf schlapp hin und her geschüttelt wurden, dabei hörte sie stetig die gleichen Wörter durch die dichte Watte an ihrem Ohr. ,, Nicht einschlafen. Nicht einschlafen..Bitte..Nicht einschlafen!" Corey fühlte sich schuldig und wollte am liebsten Alex sagen, es sei alles gut, aber Lügen hätte in diesem Fall nicht sehr geholfen. Aus ihrem Mund drang wieder nur ein kratzendes Gurgeln. Er ließ sie los und sie landete mit einem dumpfen Geräusch, wieder auf dem Boden und sie sah erneut in den Nachthimmel. Sie spürte etwas an ihrem Mund und öffnete ihn automatisch, bevor sie genauer darüber nachdachte.
Coreys Gedanken rannten kreuz und quer, sie versuchte sich zu sammeln, doch ihre Gedanken gingen in dem bitteren Geschmack in ihrem Mund unter. Etwas breitete sich in ihrem Mund aus und es war ganz und garnicht lecker. Der Geschmack ähnelte dem eines Blattes oder einem Büschel Grashalmen. Wenn Alex jetzt ernsthaft gerade ein Blatt in meinen Mund getan hat, kann er froh sein, dass ich mich nicht bewegen kann, geschweige denn sprechen. Doch auf einmal verschwand die Watte vor Coreys Ohren, sie konnte klar und deutlich Alex dunkle Stimme hören und auch der Nebel vor ihren Augen löste sich auf.
Verwundert setzte sich Corey auf und hob ihre Arme an, sie konnte sich wieder ohne Probleme bewegen. Ihre Augen suchten derweil ihren, vor kurzem noch gelähmten, Körper ab, schaute auf das nun heile Handgelenk und sahen dann erschrocken und erleichtert zugleich hoch, zu Alex.
,,Alex..." stotterte Corey durcheinander. ,, Da war so ein Mann im Bus, als ich hergefahren bin und dann packte der mich plötzlich am Handgelenk und.." ,während die Wörter nur so hervorsprudelten, richtete sie sich auf und legte ihre Tasche um ihre Schulter. ,, Aber als ich dachte es wäre alles gut, fing mein Handgelenk an zuschmerzen und ich fühlte mich plötzlich so..müde.." Das letzte Wort flüsterte Corey abwesend und starrte auf ihr Handgelenk. Es war heil, gesund und nicht mehr schwarz.
Ich werde verrückt, dachte sie verzweifelt. So etwas gibt es doch garnicht!
Alex sah Corey mit zusammen gekniffenden Augen an. ,, Wie sah der Mann aus?" fragte er langsam, als sie verzweifelt hochblickte, in Alex Augen. ,,Wie meinst du das?" fragte sie verwirrt. Alex seuftze: ,,Ich weiß nicht wie ich es sagen soll.." Er wippte nervös mit beiden Füßen auf und ab und fuhr sich ständig mit der Hand über die schwarzen Haare. ,,Sahen die Menschen anders aus? Also vom Gesicht vielleicht her?" Corey zögerte unsicher. In ihrem Kopf ging sie noch einmal die Bilder der Menschen durch, die sie vor kurzem gesehen hatte. ,,Das alte Ehepaar im Park gestern.." sagte sie stumpf. ,,Als du wolltest, dass ich schneller laufe, da haben sie mich so merkwürdig angesehen.." Sie zögerte wieder. ,, Sie haben die Münder aufgerissen und gefaucht. Alle beide hatten so merkwürdige spitze Zähne." flüsterte sie, ein unangenehmes Schaudern breitete sich in ihr aus. Corey erwartete jetzt, dass Alex auflachen und sie verspotten würde, doch er blieb still und sie fuhr fort. ,, Und heute morgen im Bus, setzte sich ein Mann neben mich. Er hatte die ganze Zeit über auf mich gestarrt, als ich mit dir geschrieben habe." ,, Hat er gesehen, was du geschrieben hast?" warf ihr Freund dazwischen und sie blinzelte überrascht. ,,Ich denke nicht. Er hat immer nur auf mich geschaut." Entspricht das der Wahrheit? Corey wusste es nicht. ,,Wieso?" fragte sie, ihre Stimme zitterte leicht. ,, Weil.."
Doch Alex Worte wurden durch ein tiefes dröhnended Heulen unterbrochen, sodass Corey zusammenfuhr. ,, Was war das?" wisperte sie, als Alex, den Kopf zum Eingang der Gasse gewendet hatte, einen Finger hob und ihr somit befahl, ruhig zu sein. ,,Er weiß das wir hier sind." flüsterte Alex angespannt, sein Blick war noch gen Eingang der Gasse gerichte, als Corey sich neben ihn stellte. ,, Wer? Der Mann aus dem Bus?" flüsterte sie verblüfft und runzelte die Stirn. ,, Warum sollte der mir denn gefolgt sein?" Doch Alex antwortete nicht, stattdessen zog er etwas spitzes, geschwungenes aus seiner Jacke hervor und Corey machte vor Schreck einen Satz nach Hinten.
,,Du hast einen Dolch in deiner Jackentasche?" schrie sie entsetzt auf und stolperte fast über eine leere Coladose, als sie einen weiteren Schritt nach hinten tat. Entsetzen breitete sich in ihr aus und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, sie sei wieder gelähmt. Nur diesmal vor Schreck.
Alex warf Corey einen belustigt funkelnden Blick zu, antwortete jedoch nicht, sondern drehte seinen Kopf schon wieder dem Gasseneingang hin. Empört wollte Corey etwas entgegnen, klappte jedoch ihren Mund zu, als sich das laute Dröhnen von eben wiederholte. Nur war es diesmal noch lauter.
Verängstigt kauerte sie sich hinter eine, der in der Gasse stehenden Mülltonnen, als Alex versuchte ihr mit lauter hektischen Handbewegungen zusagen, dass sie sich verstecken sollte und lugte über den Rand des Deckels. Was auch immer das ist. Es will garantiert keine Umarmung.
Der Gang verdunkekte sich langsam und Corey konnte nur noch schwach die Silhouette von Alex erkennen.
Das geht mir echt zu weit, dachte Corey verbittert und beobachtete ihren Freund, der nun langsam einen Schritt nach dem anderen nach vorne trat.
Und plötzlich wie aus dem Nichts, sprang ein großes schwarzes unförmiges Etwas aus dem Schatten und attackierte Alex. Ein spitzer Schrei verließ Coreys Mund und sie verkrampfe ihre Hände ineinander.
Ihr Herz schlug gegen ihren Brustkorb, das Blut in ihren Ohren rauschte und sie schmeckte plötzlich Blut. Sie hatte garnicht gemerkt, dass sie sich auf die Lippen gebissen hatte. Unfähig irgendwas zu tun, beobachtete sie mit strapazierten Nerven, wie Alex dem dunklen Etwas auswich und mit dem Dolch in seiner Hand ausholte. Die Klinge blitzte hell auf, obwohl die Gasse überfüllt mit Dunkelheit war und somit kein Licht durchließ.
Die Polizei, dachte Corey plötzlich. Wieso bin ich nicht schon früher drauf gekommen? Hastig kramte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Handy, doch als sie es endlich ertastet hatte, rausholte und anschalten wollte, fing es an zu Knistern, kleine Blitze stoben aus allen Öffnungen heraus und der Bildschirm flackerte, ging aus und wieder an. Was zum? Doch ehe Corey das Gerät auch nur von sich schmeißen konnte, gab es ein Zischen von sich und der Bildschirm ging aus.
Das Handy war kaputt.
Frustriert sah Corey zu Alex, der dem schwarzen Etwas nun sein Dolch in die Brust rammte und dieses gequält aufstöhnte.
Ein Zischen war zu hören, ähnlich das eines Ballons, aus dem Luft entwich und mit einem lauten Peng zerplatzte die dunkle Gestalt.
Alex stand schwer atmend an der Stelle, wo das Ding gerade noch stand und sah zu Corey hinüber, die sich langsam aufrichtete. ,, Oh mein Gott.." flüsterte sie geschockt. ,, Du hast es getötet!" Ihre Hände zitterten nervös und unruhig verkrampfte sie sie wieder ineinander. ,, Du verstehst das nicht, Corey." versuchte Alex unsicher zu erklären, doch Corey hörte nicht zu. Sie sah hinab in eine kleine dunkle Pfütze und musterte ihr, zu einer zu tiefst entsetzten Grimasse verzerrtes, Gesicht. ,,Oh man.." murmelte Corey, ihre Augen starrten wie hypnotisiert auf die Spiegelung ihres Gesichtes, im Wasser. ,,Ein Haufen Asche oder Rauch, was weiß ich, was das war, hat dich angegriffen! Ich glaube, ich werde verrückt..." Sie lachte nervös, während sie ihren Kopf schüttelte. Nur ein Traum. Das kann doch nur ein Traum sein! Versucheshalber kniff sie sich mit der linken Hand an ihrem Arm. Der Schmerz war leider real. Zischend rieb sie mit der anderen Hand die ziepende Stelle, welche man leider unter ihrer Jacke schlecht erkennen konnte.
Coreys Gedanken rasten, sie konnte keinen noch so kleinen Gedanken fassen. Stöhnend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen, dann drehte sie sich zu Alex um, der sie beobachtete. "Du wirst nicht verrückt." entgegnet er, nach einer langen Zeit des Schweigens, in der sie sich beide einfach nur angestarrt hatten. "Ich werde dir alles nacheinander erklären. Nur nicht jetzt. Sie sind immer noch in der Nähe."
Frustriert stampfte Corey mit ihrem Fuß auf. Das dreckige Wasser auf dem Gassenboden spritze hoch, gegen ihre Hose und durchnässte sie. ,, Aber was wollte dieses..Ding? Warum hat es dich angegriffen?" ,,Diese Dinger heißen Schatten der verfluchten Seelen, Corey. Und sie suchen nach dir." Corey sah Alex fassungslos an. ,,Sie kommen aus meiner Heimat. Dem Dämmerungsland. Sie suchen Prophezeite, die uns retten können und töten sie. Sie sind böse. Ich musste ihn töten, weil er sonst dich getötet hätte." Alex sah ernst auf sie herab. Nie in ihrem Leben hatte sie gedacht, dass sie mal ihren besten Freund für verrückt halten würde. Nicht sie war verrückt, sondern er.
,, Alex, hör auf damit." Sie war enttäuscht und geschockt zugleich.
,, Was auch immer das hier war, kann nicht real gewesen sein!" Corey lachte laut auf. ,, Warscheinlich stecken hier irgendwo deine Fantasygeschichten-Kumpels, mit denen du dich jeden Samstag triffst und dachtest du könntest mich veräppeln. Aber ich sag dir mal was.." Corey ging wütend auf Alex zu und tippte ihm bei jedem Wort auf die Brust. ,,Ich hätte nie gedacht, dass du sowas tun würdest." Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und wante hastig ihr Gesicht ab. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie richtige festsitzende Angst gehabt hatte. Todesangst. Um ihres UND Alex Leben. ,,Corey!" Alex stimme zeriss die Stille, die sich über die Gasse gelegt hatte. ,,Sieh mich an." Seine Stimme war nur ein Flüstern gewesen und trotzdem zuckte sie bei seinen Worten zusammen. ,, Nein." erwiderte sie trotzig. ,,Ich werde jetzt gehen!" Und sie war bereits einen Schritt losgegangen, als sie am Arm gepackt wurde. Erschrocken schrie sie auf, kniff ihre Augen zusammen und erwartete nun den gleichen stechenden Schmerz, wie heute Morgen im Bus, doch nichts geschah.
,,Sorry.." hörte sie Alex murmeln, doch er hielt sie weiter fest. ,,Corey." sagte seine Stimme wieder eindringlich. ,, Sieh mich an!"
Ganz langsam wendete sie ihm ihr Gesicht zu, die Augen immer noch protestierend zusammengekniffen.
,,Corey!" schrie Alex nun. ,, Alles ist war, jetzt mach die Augen auf."

Und Corey schlug die Augen auf.
Blankes Entsetzen traf sie so stark, wie ein Schlag in die Magengrube, unfähig nur einen Muskel zu bewegen, starrte sie ihren besten Freund an.
Und dann schrie sie.

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Fast 80 Reads \(^-^)/
Wow, vielen Dank!!

Das Lied der AuserwähltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt