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„Wer hat Lust auf eine Runde ‚Ich sehe was, was du nicht siehst'?", fragte uns Emma plötzlich, während wir durch den Wald am Camp wanderten. Die Wanderung war unser heutiges Tagesprogramm, damit die Kids mal den Wald besser kennenlernten und auch die Umgebung, in welcher sie für acht Wochen lebten. Ich scannte meine Umgebung und fragte mich, wie man hier in mitten der Bäume ‚Ich sehe was, was du nicht siehst' spielen sollte. Die einzigen Farben die es hier gab, waren grün und braun. Manchmal auch vereinzelte graue Steine, aber die tauchten eher selten auf. Man könnte unsere Kleidung nehmen, da einige nicht auf Farbe verzichteten. Besonders Amber war auffallend in Pinktönen gekleidet, sogar ihre Turnschuhe waren rosa. Nickend stimmten einige der Kinder zu, welche mit Derek und mir den Abschluss des kleinen Wandertrupps bildeten.
Ohne lange zu warten und frech wie sie war, startete Emma mit der Runde. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist rosa." Innerlich verdrehte ich meine Augen und lachte, weil es so offensichtlich war, an wem sie diese Farbe gefunden hatte und was das Teil sein könnte. Doch ich wollte ihnen den Spaß nicht verderben und blieb still. 
Kyle antwortete, dass es wahrscheinlich der mega hässliche Rucksack von Amber sein musste. Bei diesen Worten drehte besagte sich um und zeigte ihm ihren, rosalackierten, Mittelfinger. Emma jedoch schüttelte ihren Kopf und meinte, dass seine Antwort falsch sei. Diesmal meldete sich Derek zu Wort und behauptete, es seien ihre Socken. Und natürlich hatte er Recht und durfte weitermachen. „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist braun." 
„Wirklich Derek? Braun? Der verdammte Wald besteht fast nur aus braun. Es könnte jeder Baumstamm oder jeder Ast sein", stöhnte ich auf und boxte ihn leicht. „Autsch!" Nun verdrehte ich wirklich meine Augen.
„Indi, du spielst nicht mit, du bist eine Spaßbremse. Das ist ja gerade das Lustige dabei, es könnte alles sein", schloss er mich aus dem Spiel aus.
„Ich bin also eine Spaßbremse, ja? Dein kleiner Freund wäre sicherlich anderer Meinung", flüsterte ich ihm hämisch grinsend in sein Ohr, als die Kids damit beschäftigt waren das richtige Objekt zu finden.
„Der Baumstamm da!", rief Julian und deutete energisch auf den von ihm auserwählten Stamm.
„Wie blöd bist du denn? Wir sind bestimmt schon an dem richtigen Baumstamm vorbei gelaufen", provozierte Kyle weiter.
„Kyle", ermahnte Derek ihn und strafte ihn mit einem seiner bösen Blicke. Kyle blickte gespielt unschuldig auf den Boden und murmelte eine leise Entschuldigung. Derek sagte Julian, dass auch seine Antwort falsch sein, und gab ihnen einen Tipp, dass das Objekt nichts mit dem Wald zu tun hatte.
„Es ist bestimmt die braune Schrift auf Sams Shirt", sagte Amber, die jetzt auch mitspielte. Wieder schüttelte Derek seinen Kopf. Die Kids rieten immer weiter und weiter, doch ständig waren die Antworten falsch. Irgendwann gab Emma auf und verlangt nach einer Auflösung. Auch wir anderen Mitspieler stimmten ihr zu. Wir waren jedes einzelne braune Teil durchgegangen, aber ständig war es nicht das richtige.
„Ihr müsst euch mehr auf die kleinen Dinge im Leben konzentrieren, denn ihr habt bloß nach den auffälligen Sachen geschaut. Wenn ihr das nicht getan hättet, dann wärt ihr bestimmt darauf gekommen, dass das gesuchte Objekt um Indis Handgelenkt gebunden ist."
Alle blickten wir nun auf mein Handgelenk, um welches ein braunes Haargummi spannte. Die Kids und ich stöhnten gemeinsam laut auf und wären Derek am liebsten an die Gurgel gegangen, da er es uns viel zu schwer gemacht hatte. Doch im Grunde genommen musste ich ihm zustimmen, denn auch auf das Unscheinbare muss geachtet werden.
Da das Haargummi von mir war, durfte ich weitermachen. Meine Farbe war blau und das passende Teil dazu war die Jeans von Felix. Während wir weiterspielten bemerkte ich gar nicht, wie vor mir ein mittelgroßer Stein lag, über welchen ich prompt stolperte. Bevor ich Bekanntschaft mit dem Boden machen konnte, hielten mich zwei große Hände an meiner Hüfte fest.
„Alles okay, Indi?", fragte mich Derek besorgt. Wir blieben kurz stehen und sahen uns tief in die Augen. Ich spürte wie die Röte in meine Wagen schoss und mein Herz immer schneller anfing zu schlagen. Meine Umgebung löste sich komplett in Luft auf, denn mein Fokus lag nur auf Derek. Meine Gefühle spielten verrückt, ich nahm nur ihn wahr. Wie seine Hände auf meinen Hüften lagen, seine Lippen wenige Zentimeter von meinen entfernt waren und ich ihn küssen wollte.
„Wir verlieren die anderen", flüsterte er und nahm seine Hände von meinem Körper. Ohne auf mich zu warten lief er weiter und ließ mich damit perplex zurück. Ich war unfähig zu beschreiben, was das gerade war, doch es musste daran gelegen haben, dass mir die Sonne zu sehr auf den Kopf geschienen hatte, trotz der Tatsache, dass wir in einem Wald waren.
Schnellen Schrittes eilte ich zu unserer Wandertruppe. Darauf bedacht, mir das Gefühlschaos, welches ich noch vor einigen Sekunden erlebt hatte, nicht anmerken zu lassen. Gefühlschaos, ja das war das richtige Wort. Ich mochte Derek nicht, nein, mehr als Sex war nicht zwischen uns und wird es auch nie werden.
Plötzlich schrie ein Kind laut auf und unterbrach meine Gedanken. Hektik brach aus, denn niemand wusste wirklich was geschehen war. Sofort ging ich zu Jonas, der, vor Schmerz gekrümmt, auf dem Boden lag. Felix und Sam kümmerten sich um ihn, da er sich scheinbar den Knöchel verstaucht hatte. Die anderen Kids waren natürlich besorgt um ihren Freund, trotzdem gingen sie, gemeinsam mit Mia, Derek und mir zurück ins Camp. Das Camp war zirka fünf Minuten entfernt, sodass wir schnell da waren. Sam trug den schmächtigen Jungen in das Auto von Felix, damit sie in der Stadt einen Arzt aufsuchen konnten.
Währenddessen waren wir anderen im Speisesaal. Die Stimmung war sehr gedrückt, niemand wollte seinen Freund sprichwörtlich am Boden sehen. Niedergeschlagen saßen die Kids auf den Bänken, vor ihren leeren Wassergläsern.
„Wir müssen sie irgendwie aufmuntern", meinte Mia, die die Kinder mitleidig ansah. Der Schwarzhaarige und ich stimmten ihr zu und überlegten, wie wir den kleinen Rackern am schnellsten ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnten. Ohne weitere Worte lief Derek in die Küche und kam mit dem CD-Player wieder zurück. Kurz hantierte er daran und kam dann wieder zurück zu uns.
„Macht einfach mit", sagte er und drückte auf Play. Mit einem Schulterzucken sahen Mia und ich uns an und ließen uns von Derek überraschen. Innerlich stöhnte ich laut auf, als die ersten Töne des ‚Gangnam Style' auf den Boxen tönte. Zuerst machten nur wir drei Betreuer uns zum Affen, die Kids waren so nett und lachten uns aus. Doch schließlich zogen wir sie von ihren Plätzen und animierten sie zum Mitmachen. Einige zierten sich, aber als sie bemerkten, dass die meisten mittanzten und auch noch Spaß daran hatten, machten sie mit. Die Stimmung war ausgelassen und wir Drei waren stolz auf uns.

Indiana in OhioWo Geschichten leben. Entdecke jetzt