|Kapitel 1|

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Und es ist wieder einer dieser Nächte in denen mein Kopf zu platzen droht.

Darum gehe ich.

Ich gehe zu der einen Person die alles verstummen lässt. Ich weiß, dass er da sein wird. Das tut er fast jeden Abend.

Ich sehe ihn sonst nie. Nur Abends sitzt er da am Rheinufer. Manchmal hat er eine Flasche in der Hand, manchmal nicht.

Seine Hände fühlen sich immer so kalt an. Sie sind oft blau bis lila. Das kommt davon, dass er oft schlägt. Er meinte er macht das um mit seinen Stress umzugehen.

Aus der Ferne sehe ich ihn da schon sitzen. Irgendwie macht es mich glücklich ihn zu sehen. Dieses Gefühl von Glück fühlt sich sehr dumpf und unbedeutend an, doch es ist da.

"Hallo", begrüße ich ihn knapp und setze mich neben ihn. Er schenkt mir ein Lächeln das so kalt scheint.

Minuten sitzen wir da und unterhalten und mal wieder wortlos. Wie so oft.

"Wie ist eigentlich deine Name?", fragt er plötzlich. Seine Stimme ist so tief und wirkt beruhingent. Ich wünschte mir manchmal er würde einfach mehr reden, nur damit ich seine Stimme hören könnte.

"Verrückt oder? Wie sitzen nun schon seid einen Monat beinahe täglich stundenlang hier und haben uns nicht mal einander vorgestellt", stellt er fest und lacht kurz auf.

"Vielleicht hielten wie es ja nicht für nötig", sage ich und schaue aufs Wasser. Der Rhein bildet hin und wieder kleine Wellen nur um diese dann zerbrechen zu lassen.

"Vielleicht", erwidert er.
Kurz herrscht Stille zwischen uns.
"Doch jetzt halte ich es für nötig", unterbricht er diese Stille.

Ich drehe meinen Kopf zu ihm und schaue in seine blauen Augen. Sie sind so eiskalt wie sein restliches Auftreten auch.

"Ich bin Taddl", er hält mir seine Hand entgegen.

"Mika", entgegne ich und schüttel seine Hand.

"Wofür steht Taddl?", frage ich. Denn das Taddl sein richtiger Name ist schließe ich aus.

"Das ist mein Spitzname", erklärt er mir.
"Mein richtiger Name ist Thaddeus, doch den mag ich nicht"

"Wieso nicht er ist sehr schön, er klingt sehr originell", meine ich. Wobei ich mir denken kann, dass es andere Gründe hat warum Taddl ihn nicht mag.

"Meine Eltern haben ihn mir logischer Weise gegeben, ich möchte einfach nichts an mir haben was von ihnen stammt", entgegnt er und schaut betrübt zu Boden.

Scheinbar hatte Taddl nicht so Glück bei seinen Eltern. Denn nicht jeder wächst in einem liebvollen Haus auf, mit Eltern die sich um einen kümmern und einem nur das Beste wünschen.

"Du wirst immer etwas an dir haben was dich mit gewissen Menschen verbindet"

"Ob willst oder nicht", erwidere ich.

Taddl schaut noch betrübter zu Boden.

Ich seufze und ziehe mein Hemd bis zu meinem Rippen hoch. Taddl verfolgt meine Handlung mit verwirrten Blick.

"Ich habe auch etwas an mir was mich mit gewissen Menschen verbindet", sage ich dabei, und deute auf die lange Narbe die ich vom linken Becken- bis zum Rippenknochen trage.

Er schaut mich mit einem Blick voller Mitleid an.

"Was ist passiert?", fragt er nun. Ich ziehe mein Hemd wieder runter und setze mich.

"Mein Exfreund hat seine Wut ab und zu an mir ausgelassen", erkläre ich mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Wieso lächelst du?"

Schon lustig. Taddl hinterfragt meine Emotionen so gut wie immer. Vielleicht weil sie oft so unberechenbar sind.

"Weil's so erbärmlich ist. Ich hielt ihn für die Liebe meines Lebens", sage ich nun. Diesmal jedoch trauriger.

Taddl legt seine Hand tröstend auf meine Schulter. Ich denke er weiß nicht so ganz wie man jemanden tröstet, ich um ehrlich zu sein auch nicht.

Aber ich habe auch eigentlich keinen Trost bei Taddl gesucht, darum ist das auch nicht schlimm.

"Glaub' mir Mika, ein Typ der seine Freundin verletzt ist alles andere als die Liebe des Liebens"

Eigentlich wusste ich das bereits, doch es aus seinen Mund hören sich die Worte so verdammt gut an.

Ich kenne Taddl nicht wirklich nein, doch er spendet mir doch irgendwie Trost. Selbst wenn ich diesen nicht wirklich suche.

Mit ihm in den kalten Nächten zu sitzen und zu reden ist einfach schön. Selbst unsere wortlosen Gespräche, wie wir sie sonst eigentlich führen, sind schön.

Und auch in dieser Nacht sitzen wir hier. Er erzählt mir was über sich und ich etwas über mich.

Mit ihm Rede ich seltsamer Weise über diese Dinge. Mit anderen nicht. Um ehrlich zu sein habe ich nicht besonders viele soziale Kontakte.

Da gibt es keine Familie und Freunde habe ich auch kaum welche. Aber das ist kein Problem. Es stört mich nicht wirklich. Irgendwie war ich schon immer ein Mensch der lieber alleine war.

Deshalb ist es was besonderes, dass ich so mit Taddl Rede. Er ist in gewisser Weise Zeitvertreib und in gewisser Weise ein wichtiger Mensch für mich.

Wobei ich ihn doch kaum kenne.

"Erzähl mir doch noch etwas von dir", fordere ich ihn während wir aufs Wasser starren. Noch immer bildet der Rhein die kleinen Wellen die später zerbrechen.

Es ist wie bei vielen Seelen, sie werden erschaffen um später mal zu zerbrechen. Und sie können nichts dagegen tun.

Ich denke Taddl und ich sind auch zerbrochen.

"Was gibt es denn zu erzählen über mich?", stellt er als Gegenfrage.

"Jeder hat etwas über sich zu erzählen. Jeder hat eine Lebensgeschichte", meine ich dazu.

Nach einen Moment voller Stille beginnt er zu erzählen.

"Nun, ich bin jetzt 22 Jahre alt und mein Leben war bis jetzt... wie ein großes Labyrinth."

"Ich hab bisher noch nicht den Weg raus gefunden. Viele Menschen haben mich in diesem Labyrinth in Sackgassen geführt, zum Beispiel meine Eltern", er stoppt kurz.

"Aber da gibt es auch Menschen die mir helfen wollten, nur haben sie aufgegeben weil sie bemerkten, dass es keinen Sinn ergibt."

"Naja bis auch drei Menschen die mir wirklich am Herzen liegen. Nur befürchte ich, dass sie langsam auch nicht mehr können."

Er lächelt traurig.

"Ich weiß nicht ob den Weg noch finden werde in diesem Labyrinth. Vielleicht wird der Ausgang mir Klarheit schenken, vielleicht ist der Ausgang aber auch der endgültige Ausgang fürs Leben"

Ich weiß was er damit meint. Verdammt, ich verstehe ihn.

Während er mir das erzählt spiegelt sich sich so viel Schmerz in seinen Augen.

"Ich denke wir beide teilen das gleiche Schicksal", sage ich ruhig.

"Ich denke wir beide befinden und zurzeit in diesem verfluchten Labyrinth.
Vielleicht ist der Ausgang direkt vor unseren Augen. Vielleicht erkennen wir es nur nicht"

"Vielleicht", erwidert Taddl.

Mindless || Taddl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt