Sonnenlicht

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Hallo :D
also zuerst einmal freut es mich sehr, dass ihr zu meiner Geschichte gefunden habt, dafür schon mal vielen Dank :D
Ich würde mich über jegliche Art von Kritik sehr freuen :)
Viel Spaß beim Lesen :D


In dem Moment, da der Junge die Augen öffnete schien er das erste Mal seit langer Zeit wieder sehen zu können.

„Sieh nur", sagte er leise und streckte die Hand in die Richtung, wo er sie hinter sich vermutete. „Siehst du das?"

Er hörte, wie die Äste unter ihren Füßen brachen, als sie sich umdrehte und jedes Knacken hallte in ihm wieder und ließ ihn zusammenfahren.

„Was meinst du?", erwiderte sie verwirrt und trat an seine Seite. Schon an ihrem Tonfall konnte er hören, dass sie ihre Arme in ihrer allgegenwärtigen Geste verschränkt hatte. Er hasste es, wenn sie das tat.

„Kannst du es nicht sehen?" Seine Worte waren mehr an sich selbst gerichtet, als an sie, doch trotzdem fuhr sie herum und starrte in seine Richtung.

„Was meinst du?", rief sie, was den Jungen wieder zusammenzucken ließ, und wandte sich wieder zurück, die Hand schützend über ihr Gesicht gelegt damit ihr das Licht nicht über die Augen fiel.
Mit einem Kloß im Hals wandte er sich dem Mädchen zu und legte beide Hände auf ihre, sodass ihr Gesicht nun völlig im Schatten lag. Waren seine Hände im Vergleich zu den ihren schon immer so groß gewesen?

Für kurze Zeit standen sie einfach da, Hand in Hand, und der Junge fragte sich, wie das Mädchen nur so verzweifelt nach den Schatten suchen konnte, wo die Sonne ihnen doch so warm und hell entgegen leuchtete. Für einen Augenblick schloss er die Augen und nahm die Wärme auf seiner Haut in sich auf, als wäre sie etwas Besonderes, ein kostbares Gut, das er womöglich nie wieder erblicken würde.

Doch dann ertönte wieder die Stimme des Mädchens, das mittlerweile ihr Gesicht in seine Handfläche presste. „Wir müssen weiter."

Ihre Worte ließen das Herz des Jungen springen, denn sie regten die Erinnerung an etwas anderes, das er in diesem Augenblick beinahe vergessen hatte. Beinahe.

Auf ihre Worte jedoch folgte keine weitere Reaktion. Für einen Augenblick standen sie noch da, die Muskeln angespannt, drauf und dran sich zu bewegen, doch jede weitere Sekunde die verstrich nahm etwas davon mit sich, bis die Worte nicht mehr waren als Schall und Rauch, der zwischen ihnen Stand.

Wieder strichen Minuten vorüber und die Sorgen des Jungen wurden in Wärme und Licht weggeschwemmt. Sie verschwanden in der leichten Brise, die sanft an ihnen zog und die Blätter in den Bäumen der Umgebung rauschen ließen.

Mit einem Mal kam wieder Bewegung in das Mädchen und sie nahm seine Hand von ihrem Gesicht. Als sie ihn anblickte hatte sie ihre Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen, ihre Mine war von Schmerzen verzerrt.

Der Junge bemerkte, wie ihr Atem schwerer und schneller wurde. „Tut es dir nicht weh?", fragte sie leise und starrte ihn an, das Gesicht möglichst weit von der Sonne abgewandt.

Ein Lachen entfuhr dem Jungen. Lächeln hätte sich schon seltsam angefühlt, wie lange es wohl her war, doch das Lachen, das tief aus seiner Lunge kam und beinahe klang wie ein Husten ließ seinen Brustkorb schmerzen und wie auf ein Signal sank er zu Boden.

Als seine Knie auf das weiche Gras trafen durchfuhr ihn ein steckender Schmerz, der von seinen Beinen bis in seine Fingerspitzen zu wandern schien. Doch dann war er verflogen und alles was er spürte war das Sonnenlicht auf seiner Haut. Das Mädchen sog scharf Luft ein und packte seinen Arm, offenbar hatte sie Angst er würde wieder ohnmächtig werden.

„Doch", sagte er leise und schloss wieder die Augen. „Aber das bedeutet ich kann sie sehen." Als er sie öffnete konnte er erkennen, wie sie ihm ihre Hand entgegenstreckte und um Zentimeter seine Schulter verfehlte. Dann ließ sie sich zu ihm nieder.

„Was ist mit dir?" Er stellte die Frage bevor er ihre Bedeutung realisierte.

Das Mädchen legte ihren Kopf auf die Beine, das Gesicht von dem großen, lodernden Ball abgewandt, der vor ihnen am Himmel schwebte. „Ich sehe nur weiß."

Der Junge schluckte hart und legte dann seine Hand auf ihre. Sie hatte ihre Arme wieder zu einem engen Knoten verschlungen. „Es wird wieder gut", flüsterte er ihr zu und sie begann zu zucken.

Seine zweite Hand wanderte zu ihrer Schulter und versuchte sie festzuhalten, bis er realisierte, dass sie weinte. Sie hielt für einen Augenblick still, als seine Fingerspitzen über ihr Gesicht strichen, während der Junge spürte, wie die Tränen über ihr Gesicht und seine Finger liefen.

„Alles wird wieder gut", setzte er hinzu, nun wieder mehr zu sich als zu ihr, doch statt ihm Hoffnung zu geben, schienen die Worte das Loch in ihm nur noch weiter aufzureißen, denn er wusste, dass es nur leere Versprechen waren.

Wieder kehrte Stille zwischen ihnen ein und der Junge nutzte die Zeit und wandte sich dem großen Licht am Himmel ab. Jedoch erkannte er nichts. Die Landschaft vor ihm schien wie ein großes verschwommenes Nichts, von dem ihm schwindlig wurde.

Er kniff für einen Augenblick die Augen zusammen in der Hoffnung es würde wieder besser werden, doch als er sie wieder aufriss brach das Licht wie eine Flutwelle auf ihn herein und er kniff seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

Der Junge bemerkte, dass auch ihm Tränen in den Augen standen, also wandte er sich wieder zurück und trotz der Schmerzen, die es ihm bereitete starrte er wieder dem großen lodernden Ball entgegen, bevor seine Lieder wieder zufielen und da nichts war außer die Wärme auf seiner Haut und die Brise, die durch seine zerzausten Haare fuhr.

„Was siehst du?", stellte das Mädchen eine neue Frage, die den Jungen aus seinem Paradies rief.

„Die Sonne", antwortete er leise.

„Und sonst?"

Eine kurze Pause entstand, als der Junge nicht sofort antwortete, denn die Antwort schien sich in ihm wie eine Schlange zu winden, bevor sie über seine Lippen kamen. „Nichts."

Ein weiteres Schluchzen erschütterte die Stille um sie und der Junge schluckte den Kloß in seinem Hals wieder ein Stück hinunter.

„Wir sind verloren", brach es zwischen den Schluchzern hervor.

„Das sind wir", stimmte er ihr zu und wieder fand seine Hand ihre. Als sich seine Finger um ihre schlossen drückte sie zuerst ganz sanft, dann immer fester zu, bis der Junge wieder den altbekannten Schmerz fühlte, doch er ließ ihn zu.

Denn es war nicht an der Zeit sich gegenseitig zurückzustoßen. Es war nicht die richtige Zeit sich zu streiten und auch nicht dem großen Stern weiter zu folgen, denn dann würden sie den Halt verlieren und für immer in den Fluten verschwinden. Es war nicht an der Zeit verängstigt auf ihre Verfolger zu warten, denn sie würden sie früh genug wiederfinden.

Es war an der Zeit die Wärme und das Licht in sich aufzunehmen, solange sie noch konnten, denn der große Ball neigte sich dem Horizont zu und würde bald verschwinden. Und wenn er am nächsten Tag wieder an dieser Stelle stehen würde, waren sie schon lange an einem anderen Ort.

SonnenlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt