Annika P.O.V
"Ich bin Lucy. Und du bist die Neue, oder?"
"Ja, aber nenn' mich doch Annika", sagte ich darauf lächelnd. Insgeheim mochte ich es ganz und gar nicht 'die Neue' genannt zu werden. Ich hoffte nur, dass mich nicht alle nur als das ansehen würden.
"Hm gut, ich glaube das könnte ich einrichten," erwiderte sie darauf und fing an zu grinsen.
"Gut, wie ich sehe, kann ich euch ja dann alleine lassen. Lucy, kannst du Annika alles zeigen und möglicherweise auch erklären? Ich muss noch schnell zu einem anderen Mädchen, was heute auch neu gekommen ist."
Lucy nickte. "Natürlich Alex."
Alex verließ den Raum und schloss die Türe hinter sich.
Jetzt standen wir aber etwas unbeholfen da.
"Warst du bis jetzt eigentlich...immer alleine in einem Zimmer?" versuchte ich ein Gespräch anzufangen.
"Ja, aber die Glückliche wurde adoptiert."
Ich wunderte mich ein wenig über ihren plötzlich veränderten Ton und glaubte sogar einen Funken von Verachtung heraus zu hören.
Also ist die Richtung, in die ich das Gespräch gelenkt habe, wohl nicht so gut...
"Ähm okay...Kannst du mir dann vielleicht alles Wichtige über das Heim hier erzählen?"
Lucy bejahte es und nachdem sie anfing zu erzählen, besserte sich ihre Laune wieder allmählich und ich fing nebenher an, meinen Koffer aufzumachen.
"Hier ist dein Schrank", unterbrach Lucy kurz ihre Rede und zeigte auf das hellhölzerne Möbelstück.
Ich nickte ihr daraufhin nur dankbar zu, weil ich sie nicht noch mehr bei ihrer Rede unterbrechen wollte. Gerade ratterte sie die Zeiten vom Frühstück, Mittagessen und Abendessen herunter.
"Aber du kannst dir zwischendurch auch jederzeit eine Kleinigkeit aus der Küche holen, falls du Hunger bekommst. Trinken ist ja sowieso klar."
"Okay."
Und schon verfiel sie wieder in ihre Erzählungen und warf sich eine ihrer langen Haarsträhnen über die Schulter. Als sie noch immer nicht fertig war, war wiederum ich fast fertig mit auspacken. Zum einen könnte es daran liegen, dass Lucy dauernd vom Thema abschweifte, um nur wieder ein paar Sätze später wieder einen alten Faden aufzufangen und dort weiter zu sprechen.
Oder es lag daran, dass ich von vornherein nicht allzu viel zum Auspacken hatte. Aber hieß es nicht auch 'Pack deine sieben Sachen' ? Das würde bei mir vielleicht sogar passsen. Viele Klamotten besaß ich nämlich schon mal nicht. Gut, es waren mehr als nur sieben Kleidungsstücke, aber trotzdem. Die Anzahl der restlichen Dinge, die man nicht anziehen konnte, war noch geringer.
Mein allerwichtigstes Besitztum steckte sowieso an meinem Finger.
Wenn ich irgendwas von meinen Klamotten oder beispielsweise Büchern verlieren würde, wäre es mir nicht so wichtig, wie als ob ich meinen Ring verlieren würde. Ich glaube, wenn das wirklich passieren würde, würde ich Tag und Nacht suchen, bis ich ihn wieder gefunden hatte. Alles andere konnte man sich einfach wieder neu dazu kaufen, den Ring aber nicht.
Ich hatte keine Ahnung, wie alt er schon war, doch auf jeden Fall war der Ring aus echtem schönem Silber. Das zeigte nämlich die Eingravierung in der Innenseite: 925. Außerdem schlangen sich auf der Außenseite auch noch dünne goldenen Streifen um den Ring. Er muss wirklich wertvoll sein...
"Hast du noch irgendwelche Fragen?"
Mein Kopf schellte erschrocken hoch, als Lucy mich an der Schulter anstupste.
"Was?", fragte ich überfordert und sah sie an.
Jetzt war ich wohl tatsächlich mal wieder mit den Gedanken von der redenden Person abgeschweift. Ich musste mich mal wirklich anstrengen und es üben, jemandem aufmerksam zuzuhören. Vor allem jetzt bei Lucy. Schließlich wollte ich doch eine Freundin gewinnen und sie nicht auf mich aufhetzen, weil ich ihr schon von Anfang an nie zuhörte, oder?
"Ich habe dich nur gefragt, ob du eine Frage zu dem hast, was ich dir erklärt habe", wiederholte sie ihre Worte gnädig. Mehr oder weniger.
"Ähm nein. Oder vielleicht doch...gehen wir hier auch zu einer Schule?"
Ich hoffte nur, dass Lucy das nicht schon irgendwann vorhin erwähnt hatte, als ich ihr nicht zugehört hatte. So wie es aussah, hatte ich aber Glück.
"Ja, natürlich. Oder ist man da, wo du herkommst, nicht zur Schule gegangen?"
"Doch, doch. Ja klar. Ich wollte nur mal fragen. Man kann sich ja Hoffnungen machen, oder?", scherzte ich und versuchte dadurch die Stimmung wieder etwas zu lockern. Es half tatsächlich: sie stimmte mir lächelnd zu und verdrehte ihre Augen.
"Tja, nur ist das hier nicht anders. Hier gibt es auch eine stinknormale Schule."
Nachdem wir noch über neutrales Zeug geredet hatten, erklärte Lucy plötzlich, dass sie los müsse und somit war ich nun alleine im Zimmer. Das erste mal heute konnte ich mal richtig und entspannt durchatmen, weil mir die ganze Last von den Schultern gekommen ist. Ich fande nämlich, dass ich ziemlich Glück mit dem Heim gehabt hatte, weil hier, zur Abwechslung, mal nette Betreuer waren.
Zwar hatte ich jetzt keine Ahnung, was ich tun sollte oder wann es bald Abendessen geben würde, weil mich Lucy so schnell alleine gelassen hatte, aber ich beschloss einfach mal, dass ich im Zimmer blieb. Da ging nämlich am wenigsten schief und ich konnte die Zeit nutzen, um beispielsweise mein Bett zu beziehen.
Wenn mich jetzt nur ein Erzieher aus dem alten Heim sehen würde!
Dort hatte ich mich nämlich meistens dagegen gesträubt, mein, beziehungsweise unser, Zimmer aufzuräumen oder ordentlich zu halten. Tja, jetzt wären sie stolz auf mich!
Gerade als ich gedanklich damit beschäftigt war, stolz auf mich selbst zu sein und mir auf die Schulter zu klopfen, kam jemand ins Zimmer geplatzt.
"Amy? Oh sorry! "
Bevor ich reagieren, geschweige denn etwas sagen konnte, war das Mädchen auch schon wieder verschwunden. Das einzige was ich in der Schnelle erkannt hatte, war ein hellblonder Haarschopf.
Sie ist wohl auch neu...Na wenigstens bin ich dann nicht die einzige!Ich zuckte mit den Schultern über meine eigenen Gedanken und setzte mich dann etwas erschöpft auf mein Bett. Die ganze Aufregung und das Auspacken und Einräumen hatten mich wohl müde gemacht.
Doch jetzt wurde mir anscheinend keine Ruhe mehr gegönnt und ich fragte mich urplötzlich, ob ich hier vielleicht zum Bahnhof gezogen war, so wie hier immer die Türe aufging! Doch diesmal verschwand die Person, die sich als Lucy entpuppte, nicht gleich wieder.
"Hei ich bin wieder da. Sorry, es hat doch länger gedauert. Auf jeden Fall gibt es jetzt aber Essen! Kommst du?"
"Okay, ja ich komme. Ich bin hier jetzt eh fertig", murmelte ich.
Ich war neugierig, was denn so lange gedauert hatte, aber ich beschloss doch, deswegen nicht mehr nachzufragen. Vielleicht wird sie es mir später in unserem Zimmer erklären, wenn wir wieder mehr Ruhe hatten. Jetzt liefen wir ohnehin zum Abendessen und ich erkannte die Treppe wieder, mit der ich vorhin auch schon, vollgeladen mit Gepäck, Bekanntschaft gemacht hatte.
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Ich weiß, dass das Kapitel nicht besonders lang ist. Ich bin auch nicht so zufrieden damit...Aber ich hoffe, es liest trotzdem jemand und der ein oder andere lässt auch einen Kommentar und/oder Vote da.
Ich würde mich freuen (:~ Sonni
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Lost Twins
Подростковая литератураZwei Mädchen. Ein neuer Anfang. Ein Schicksal. Annika Winters und Sophie Summers könnten auf den ersten Blick eigentlich gar nicht unterschiedlicher sein. Ihr Charakter, Aussehen und ihr Freundeskreis ist anders. Und doch haben sie viele Gemeinsamke...