Nebel.

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Der Nebel kroch über das Tal herauf. Er kam immer näher. Meter für Meter. Schritt für Schritt.
Doch ich würde ihm standhalten. Starr von der Kälte stand ich reglos da. Meine weißen Ballerinas lagen neben mir im vom Tau nassen Gras.

Jetzt war er da. Der Nebel.
Doch ich würde standhalten, das wusste ich. Frustriert presste ich die Lippen aufeinander.
Früher, da war es schön gewesen. Der Nebel kam mich fast jeden Tag besuchen. Ich freute mich immer sehr darauf. Wenn er kam, spielten wir Fangen. Er sollte mich fangen. War dies geschafft, lullte er mich mit seiner feinen Nebeldecke ein. Meistens ließ ich mich zu Boden sinken und genoss den erfrischenden Geruch.
Der Nebel gab mir Kraft. Er ließ mich alle anderen Sorgen und Probleme augenblicklich vergessen. Diese paar Minuten, wenn ich ihn traf, waren voller magischer Momente. Wie mit einem guten Freund. Wunderbar.

Doch nicht alle verstanden dies. Die Erwachsenen machten sich über mich lustig und spotteten mich aus. Immer wenn der Nebel kam, wurden sie schlecht gelaunt und zogen lange Gesichter. Tja, die würden mich nie verstehen. Niemand würde das je verstehen.

Ich stand noch immer in der Kälte. Der Nebel hatte mich bereits eingewickelt in seine Magie. Doch irgendetwas fehlte heute. Ich wusste genau, was. Ich wusste auch, warum.
Der Wind flüsterte mir verwirrende Dinge zu. Er peitschte die Haare aus meinem Gesicht und fuhr mir eiskalt durch mein Kleid. Aber ich konnte doch nichts dafür, mein Schicksal regelte die Zeit. Da konnte auch der Wind nichts ändern.
Ich konnte nichts dafür, dass ich nie mehr umhüllt von diesem erfrischenden Geruch zu Boden sinken würde. Konnte nichts dafür, dass ich nie mehr mit diesem wunderbaren Element Fangen spielen würde. Konnte nichts dafür, dass ich nie mehr diese feine, geheimnissvolle Magie auf meiner Haut spüren würde.

Ab heute würde ich über den Nebel schimpfen. Würde mich ärgern, wenn ich sah, wie er das Tal herauf kroch. Das musste so kommen. Daran konnte nichts und niemand etwas ändern.

Denn heute feierte ich meinen achtzehnten Geburtstag. Ab heute war ich erwachsen.

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