Phantasmagorie

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"Hey, diese Menschen haben nichts damit zu tun", versuchte sie, ihn zu beruhigen.

Er senkte die Waffe, die er auf den geschockt blickenden Passanten im Einkaufszentrum gerichtet hatte. Nun drehte er sich zu ihr und sie blickte direkt in den Lauf der Glock.

"Verschwinde!", presste er hervor. Er atmete schwer und musste seine Tränen zurückhalten.

Sie ging einen Schritt auf ihn zu. Seine Hand zitterte und sein Finger schien den Abzug betätigen zu wollen, doch er konnte sich selbst davon abhalten, durchzudrücken.

Erschrocken gingen die Menschen, die kreisförmig um die beiden herumstanden, immer weiter, Schritt für Schritt zurück. Sie wollten nicht riskieren, in die Schussbahn zu geraten. In der Beziehung waren die Menschen doch alle gleich. Das Leben eines anderen opfern sie bereitwillig, um ihr eigenes zu retten.

Sie bewegte sich entgegengesetzt der Menschen; nämlich auf ihn zu. Währenddessen sprach sie weiter auf ihn ein.

"Niemand hier möchte Dir schaden. Du bist in einem Einkaufszentrum. Das hier sind alles unschuldige Passanten."

Er zeigte mit der Pistole hinter sie.

"Und was ist mit ihm?"

Sie drehte sich um. Dann fragte sie:

"Wen meinst Du?"

Er wurde wütend.

"Du willst mir jetzt auch erzählen, dass er nicht real ist. Wie meine Familie und die Ärzte."

Er grinste übertrieben, ehe er fortsetzte:

"Und Du weißt, was mit ihnen passiert ist."

Nun erstarrte seine Mimik wieder.

Unaufhörlich ging sie weiter auf ihn zu. Nun stand sie einen Schritt von ihm entfernt. Er hatte seine Waffe immer noch auf ihren Kopf gerichtet. Sie blieb ruhig und sprach weiter auf ihn ein:

"...ja. Du hast sie umgebracht. Alle. Deine Eltern, Deinen Bruder, Deinen Psychiater, die Krankenschwester."

Er wurde hysterisch; die Pistole zitterte nun noch stärker in seiner Hand, die sich immer mehr um den Griff verkrampfte.

"Der Mann dort hinter mir, er ist nicht real. Du bildest ihn Dir ein. Der Arzt, den Du umgebracht hast, wollte Dir doch nur dabei helfen, das zu verstehen. Er-"

"Halt Deine verfickte Fresse!", unterbrach er sie.

Sie ging den letzten Schritt zu ihm hin und nun ruhte der Lauf der Glock direkt auf ihrer Stirn. Ihr rann eine Träne die linke Wange hinunter.

"Bitte, verstehe doch. Niemand ist hinter Dir her; niemand sagt Dir, dass Du andere umbringen sollst. Er ist nicht real. Er ist ein Wahnvorstellung, ein Trugbild."

Er biss sich auf die Lippen, da diese zu zittern begannen, entspannte seine Kiefer wieder und flüsterte:

"Das verstehst Du nicht."

Dann senkte der die Waffe, hielt aber vor ihrer Brust an. Er setzte ihr die Pistole auf die Brust. Sie sah zu ihm hoch, er blickte in ihre Augen und drückte ab.

Wie in Zeitlupe fiel sie auf den Boden; die Menschen rannten wild auseinander und versuchten, so schnell wie möglich das Gebäude zu verlassen.

Er sah zu ihr herunter und als ihm bewusst wurde, was er eben getan hat, fiel ihm die Waffe auf der Hand und er ließ sich auf die Knie fallen. Panisch griff er nach ihrem Handgelenk und suchte vergeblich einen Puls.

Als er sich wieder aufrichtete, nahm er die Pistole wieder in die Hand. Sobald er aufrecht stand, sah er sich um. Die ersten schwer bewaffneten Polizisten verschanzten sich hinter riesigen Schutzschilden.

Ruhig sah er den vordersten von ihnen an, dann setzte er die Waffe unter seinen Kiefer und drückte ab.

BlutrauschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt