Meine Augen huschten umher, fanden keinen Halt. Dämmernd wirkte das fahle Licht und ab und an flackerte die Neonlampe. Kalt war mir nicht, nein. Dicht an dicht standen die Menschen an der Bar, verbreiteten genügend Wärme für alle, mehr als genug. Und ich saß stumm, allein, aber nicht verlassen in einer Ecke. Ich wartete. Und wusste doch nicht, auf wen. Die Tür schwang auf, ein Hoffnungsschimmer in meinen Augen. Verloschen im nächsten Moment. Ein weiterer Mann auf der Suche. Anzug. Hager. Halbglatze. Er würde hier niemanden finden. Solche Frauen verirrten sich nicht hierher. Zu edel war die Bar hier. Ich passte hierher. Das rote Cocktailkleid endete knapp über dem Knie, fiel auf. Eine einsame Frau saß in diesem Aufzug nicht allein. Oder hatte ich meinen Ruf schon weg? Wusste etwa jeder, was ich wollte? Ich hatte nicht nur einem Mann bisher eine Abfuhr erteilt. Mein Aussehen jedenfalls verriet es nicht. Der kleine Ring an meinem Ring war eindeutig. Zumindest für alle Eingeweihten. Doch er war unauffällig, kaum zu sehen. Und doch immer präsent, immer spürbar für mich.
Ein rascher Griff an meinen Ringfinger und ich war mir sicher, dass ich es heute Abend durchziehen wollte. Heute Abend musste es einfach funktionieren.
Ich schreckte auf. Meine Augen wurden groß, als ich die Frau mir gegenüber erblickte. Kurze, schwarze Haare, solange das Licht mir keinen Streich spielte. Blaue Augen. Ich war versunken in ihnen. Wie Wellen im lauen Sommer, nachts. Ihr Gesicht, ein Anblick für die Götter.
"Wären Sie so freundlich und beantworten sie meine Frage, little lady?"
Ich schluckte. Diese Frau hatte genau den richtigen Ton getroffen, um entsprechende Schalter umzulegen.
"Ja, natürlich. Bitte setzen Sie sich." Und vermutete einfach mal, dass sie danach gefragt hatte. Nervös strich ich mir eine Strähne aus dem Gesicht, überschlug die Beine und versuchte, möglichst unauffällig zu sein. Doch dieser Versuch scheiterte kläglich. Meine - nennen wir es einmal Gesprächspartnerin - bemerkte alles. Wissend lächelte sie. Und hielt immer noch einen gewissen, diskreten Abstand.
"Sehen Sie die Frau dort vorne?" Die blauen Augen fixierten eine zierliche Blondine, blaues Kleid, eng und knapp. Wellige Haare, dunkle Smokey Eyes, roter Lippenstift.
"Sie gehört nicht hierher. Die Männer hier sind nicht die richten für sie." Ich nickte, verfolgte die Bewegungen der Kleinen und lauschte der leisen Stimme der Blauäugigen. Ewig könnte ich ihr zuhören und gemeinsam Menschen beobachten.
"Sie möchte unbedingt nicht eine weitere Nacht alleine verbringen müssen. Doch sie wird morgen erneut hier sein, mit dunklerem Lippenstift. Und einem roten Kleid. Und roten Heels." Die blauen Augen sahen mich nun direkt an.
Augenblicklich erwiderte ich den Blick. Und sah das Funkeln in den blauen Wellen, das herausfordernde Blitzen. Und mit einem Mal war ich mir sicher. Ja, diese Frau erfüllte meine Suche, kürte sie mit Erfolg.
"Weißt du, wie man solche Frauen nennt?" Gefährlich schwang der dominante Unterton in ihrer Stimme mit.
"Ja, das weiß ich", antwortete ich mit leicht zittriger Stimme. Und ich wusste noch im selben Moment, dass dies nur eine halb vollständige Antwort war. Der Blick der blauen Augen war eindeutig. Rede weiter, du weißt, es reicht noch nicht. Ja, das wusste ich nur zu gut. Doch auf einmal schien mein Mund wie ausgetrocknet, meine Lippen waren dennoch bereits leicht geöffnet. Und noch immer ruhte dieser wartende und zugleich fordernde Blick auf mir.
"I am waiting." Erneut klang die Stimme dunkel und gefährlich, und doch wie Musik in meinen Ohren. Eine dominante Frau, die auf diese Art und Weise Englisch mit mir sprach, war sehr rar, schier unmöglich zu finden. Und doch, hier saß eben jene Frau, mir gegenüber. Und wusste genau, was ihre Worte bei mir bewirkten.
"She is a... slut." Wie Blei lag mir das Wort auf den Lippen. Ich wusste genau, worauf das hinauslief. Ich brauchte ja nur die Blondine mit mir selbst vergleichen.
Die Frau nahm meine Hand, betrachtete für einen Moment den Ring und sah mich dann erneut an. Bestätigung lag in ihren Augen.
"As you are", leise sprach sie, während sich ihre Fingernägel leicht in die Handflächen bohrten. Meine Lippen geschlossen wimmerte ich leise, genoss diesen Augenblick in vollen Zügen. Das war genau das, was ich gesucht hatte. Diese Frau war perfekt. Ich entsann mich noch einer Antwort und nickte wortlos. Zu mehr war ich momentan nicht imstande. Verständlicherweise, wie ich fand.
Die Frau lehnte sich zurück, behielt meine Hand jedoch in ihrer eigenen. Verwirrung stand mir ins Gesicht geschrieben, während meine Hand sanft und liebevoll gestreichelt wurde. Und das von der Frau, die mich eben noch als Schlampe bezeichnet hatte und deren Finger mir ihre Macht demonstriert hatten. Diese Frau war wundervoll.
"Nun, wie heißt du denn eigentlich?" Ich blickte geradewegs in ein freundliches und aufgeschlossenes Gesicht. Wüsste ich es nicht besser, hätte ich diese Frau als hundertprozentig Vanilla abgestempelt. Doch ich wusste es besser.
Wenngleich mich dieser plötzliche Smalltalk doch aus der Bahn warf. Abrupte Themenwechsel anderer waren, offensichtlich für jeden, noch nie meine Sache gewesen. Und ich wusste genau, dass meine Gesprächspartnerin sich das merken würde. Denn ihre Gesellschaft wollte ich nach diesem Abend jetzt schon nicht mehr missen.
"Ich heiße Sydney. Und du?" Auch ich wechselte zum Du. Die Vertrautheit zwischen uns war so selbstverständlich und fühlte sich so natürlich an.
"Sydney?" Ihr fragender, etwas amüsierter Blick war zu süß. Warte, was? Süß? Ich konnte ihr doch nach so wenigen Minuten noch nicht verfallen sein. Doch anscheinend war genau dies der Fall.
"Meine Eltern stammen aus Australien. Und Berichten zufolge gingen meiner Namensgebung mehrere Runden Alkohol voraus." Ihr herzliches Lachen ließ auch mich verlegen lächeln. In ihrer Gegenwart konnte man sich einfach nur wohl fühlen.
"Mein Name ist übrigens Alex."
Ich nickte nur. Meine Gedanken waren wie Vögel, die flügge wurden, in Alex' Gegenwart, ihrem Beisein.
"Wie alt bist du denn, wenn ich fragen darf?" So lieb wie Alex fragte, konnte niemand dies verneinen.
"21 seit letzter Woche. Und selbst?" Ich lächelte.
"Etwas älter, unglaublich alte 25 Jahre." Wir beide grinsten.
Und nach demselben Schema verlief auch der restliche Abend. Wir lachten sehr viel und befragten uns gegenseitig. Alex entsprach bisher nicht nur meinem Ideal einer Domme, sondern war auch noch eine sehr angenehme und unterhaltsame Gesprächspartnerin. Und sehr offen. Damit entsprach sie also auch noch meinem Ideal einer festen Partnerin.
"Sieh an, sieh an... " Sofort schweifte mein Blick zu Alex. Eine Sache, die ich bereits gelernt hatte. Sieh deiner Domme immer ins Gesicht, wenn sie mit dir spricht, es sei denn sie hat es dir untersagt. Oder natürlich du hast verbundene Augen.
"Slut hat jemanden gefunden."
Mein Blick glitt zur Bar. Die kleine Blonde und der Mann von vorhin. Sie gaben ein seltsames Bild ab, erinnerten stark an einen Freier mit seiner "Geliebten". Ich hatte Mitleid mit der Kleinen. Sie hatte es nicht verdient.
"Sie sieht nicht glücklich aus", beäugte ich kritisch die Blonde und sah dann wieder weg, aus Mitleid und auch aus Scham. Fremdschämen war schon immer eine Schwäche von mir gewesen.
"Und sie ist es auch nicht. Er wird sie benutzen und danach liegen lassen. Und sie wird es hassen." Ich wurde rot. Sie wird es hassen, das stand fest. Und doch...
"Du würdest es lieben, nicht wahr, Sydney?" Ich erschauderte. Allein, wie sie meinen Namen aussprach...
"D-du hast Recht, Alex."
Ihr selbstgefälliges Grinsen, der unverhohlene Blick auf meine Brüste, ein erneuter Kniff in meine Handfläche und ich presste meine Beine zusammen, spürte, wie ich feucht wurde, wie es meine Oberschenkel wurden. Innerlich verfluchte ich mich dafür, keine Panties zu tragen.
"Ich brauche wohl gar nicht erst zu fragen, wie feucht du bist." Ihre Arroganz war förmlich spürbar. Ich konnte nicht anders als weg zu sehen. Nach unten, um genau zu sein.
"Na na na, wo sind meine Augen, huh?" Ich schluckte, und obwohl ich diese Frau erst seit wenigen Stunden kannte, sah ich wieder auf. Ihrer Stimme konnte mein kleines, unterwürfiges Herz nichts anderes als gehorchen.
"Braves Mädchen", folgte das Lob sogleich. "Dennoch möchte ich, dass wir diese Nacht getrennte Wege gehen. Das letzte, was du von mir denken sollst, ist, dass ich nur auf Sex aus bin."
Ich nickte, wenn ich auch noch so gerne neben ihr eingeschlafen wäre. Ich schätzte ihre Entscheidung sehr, zeigte sie doch, dass sie etwas Ernstes wollte. Ich war sowieso nicht der Typ für One-Night-Stands. Was wollte ich davon schon? Vanilla, okay, ja. Aber das suchte ich nicht. Klar war es ein grundlegender Bestandteil einer jeden Beziehung, aber dennoch suchte ich nach dem Spiel mit Dominanz und Unterwerfung. Doch dieses Spiel setzte Vertrauen voraus, viel Vertrauen. Vertrauen, das ein One-Night-Stand nie hervorbringen konnte.
"Syd? Alles okay?" Besorgnis lag auf ihrem Gesicht, von Verärgerung keine Spur - nicht zu diesem Zeitpunkt jedenfalls.
"Entschuldige bitte, Alex, ich war in Gedanken und habe dir nicht zugehört." Ich wurde immer kleinlauter, als sie warnend eine Augenbraue hob. Sie war nicht erfreut über meine Unachtsamkeit. Kein Wunder, hatte ich mich doch so vorbildlich verhalten bisher.
"Du weißt, was das heißen würde, wäre das hier nicht unser erstes Date?"
"Yes, Alex", meine Stimme klein und zerbrechlich. Doch zu meinem Glück hörte sie mich trotz des Lärms. Sie lehnte sich etwas über den Tisch, sprach leise, aber gefährlich.
"I would spank you. Till you beg me to stop, sniffing, with tears coming up. And don't you dare to push me away. Believe me, Syd. I am not going to only use my hand. And you will stay through it. Because I say so. Because I would tie you up in case you try to escape. Because then you will be mine."
Ich dachte es mir zwar schon, und dennoch traf es genau den einen Punkt. Ich würde augenblicklich vor ihr auf die Knie gehen und um eine angemessene Lektion bitten, betteln, flehen. Wenn wir doch nur in unseren eigenen vier Wänden gewesen wären, im Wohnzimmer. Der Tisch wäre sehr hilfreich bei ihrem Vorhaben.
"Was ist mit dem Wohnzimmertisch, Kleine?"
Mist, sie hatte mich erwischt, meine vermutlich laut ausgesprochenen Gedanken, besser gesagt.
"So süß das auch aussieht, ich verbitte mir diesen verärgerten Gesichtsausdruck. Verstanden?"
Ich nickte und flüsterte ein ziemlich kleinlautes "Ja, Alex" hinterher. Ein Blick in ihr Gesicht und ich wusste, dass sie noch immer auf eine Antwort wartete.
"I would have to bend over. Legs spread. Hands on the table. Ass exposed. H-holes exposed." Meine Stimme wurde immer leiser und zittriger. Mit jedem Wort, das über meine Lippen kam, wollte ich noch mehr im Boden versinken. Ich schämte mich. Aber nicht weil ich nahezu um Bestrafung bettelte und flehte. Nein. Ich schämte mich, weil ich vor einer eigentlich Fremden so versaut war.
"Hmm..." Und ihr Lächeln war mir Lob genug, bedeutete mehr als lose Worte. Ich entspannte mich wieder, sie ließ mich sicher fühlen.
"D-danke", stammelte ich dennoch etwas verwirrt vor mich hin. Meine Gedanken waren wie weggeblasen. Mindless sozusagen. Und ich erinnerte mich an ein Video, das ich einmal eher aus Zufall entdeckt hatte.
"Du, sag mal, kennst du Nimja?" Alex schien etwas aus dem Kontext gerissen. Sie kannte ihn also nicht. Doch das dürfte auf keinen Fall so bleiben, entschied ich.
"Er besitzt sowohl einen YouTube Channel als auch eine eigene Homepage, wobei die Homepage um einiges interessanter ist. Ich kann dir gerne einen Link schicken, wenn du möchtest. Und ich deine Nummer bitte haben dürfte."
"Klar, gerne." Kein Wort ihrer Handynummer gewidmet. Doch ich würde nicht nachfragen. Nicht, dass ich dazu kein Recht gehabt hätte, aber es war unangebracht und unhöflich. Und vielleicht war es sogar eine Art Test ihrerseits. Wer konnte das schon wissen?
Alex nahm meine Hand in ihre, anders als eben noch, kramte kurz in ihrer Tasche.
"Sieh mal, unser Mann ist wieder das."
Augenblicklich schweifte mein Blick zur Bar. Und tatsächlich, der "Freier" war wieder auf der Suche - Street Fuck. Oder einer der beiden wohnte gleich in der Nähe. Doch das war mir zu unspektakulär.
"Ich muss mich dann leider doch langsam verabschieden", ergriff Alex erneut das Wort und schloss meine Hand zu einer Faust. Ihr Blick bedeutete mir, sie bloß nicht zu öffnen.
DU LIEST GERADE
Teilzeitbrav
RomanceEine einzige Begegnung war es, das sie suchte. Eine Begegnung, die ihr Leben verändern würde. Eine Begegnung, die sie sich so nicht einmal in ihren Träumen vorgestellt hatte. Doch da war sie. Diese geheimnisvolle Frau, die Syd einfach nicht einschät...