Die Begegnung

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Ich saß in der Schule und es war bereits die letzte Stunde, die ich aushalten musste. Mein Platz war ganz hinten im Klassenzimmer, wo mich keiner beachtet hatte. Ich mochte das. Ich kippelte mit meinem Stuhl, hatte die Kapuze meines Sweatshirts über den Kopf gezogen und hörte mit Kopfhörern Musik. Das machte ich öfters. Eigentlich hatte ich keine andere Wahl, denn wenn ich es nicht tat, hörte ich wie die anderen sich Gedanken über alles Mögliche machten. Wirklich. Einfach alles. Jedes Wort das sie dachten, aber nicht aussprachen. Jedes Bild das sie im Kopf hatten, aber nicht verwirklichen konnten. Jeden Wunsch, denn sie niemals erfüllen könnten. Die Musik dröhnte in meinen Ohren und ich verstand kein Wort, was die Menschen um mich herum dachten. Ich blickte hoch und bemerkte dass alle aufstanden und ihre Sachen zusammenpackten, also stand ich auch auf und wollte gerade aus der Klassenzimmertür stürzen, als mich der Lehrer am Arm packte. Ich drehte mich um und er riss mir die Kapuze runter und die Kopfhörer aus den Ohren. Marc zerrte mich ins hintere Eck des Klassenzimmers. "Was ist?", fragte ich genervt. Mein Kopf begann augenblicklich zu schmerzen und ich hörte wirre Stimmen durch einander reden. Das war zu viel für mich von jedem die Gedanken zu hören. "Warum passt du in meinem Unterricht nicht auf?", er blickte ernst zu mir runter. Er sah gut aus. Marc war, ca. 10 cm größer als ich, gut gebaut, hatte etwas längere schwarze Haare und eine Brille auf der Nase, er zog sich aber ziemlich gut an. Ich lächelte nur. Ich wollte nur noch nach Hause und mich im Zimmer verkriechen und laut Musik hören. "Liegt es daran das wir miteinander geschlafen haben?", fragte er mich. Und sofort empfang ich seine Gedanken über mich. Wild. Sexy. Unberechenbar. Süß. Schüchtern. Große Brüste, gut gebauter Körper. Ich will mehr. Warum sie nicht? Nur weil ich ihr Lehrer bin? Kann nicht sein, ich meine sonst hätte sie sich das erste Mal nicht mit mir eingelassen! Hat sie jetzt einen Freund? Sie ist doch so hübsch… diese blonden Haare und die braunen Augen…zum Verlieben. Ich schnappte nach Luft. Das alles sollte ich nicht hören, wollte ich nicht hören. Es war ein Fehler gewesen mich auf ihn ein zu lassen, aber ich hatte das Gefühl er würde mich wirklich lieben und verstehen. Nicht nur meinen Körper, sondern wer ich wirklich war. "Nein, tut es nicht. Keine Sorge.", sagte ich kurz und knapp. Gerade wollte ich mich abwenden, als er mich zu sich zog und mich küsste. Mehr. Ich stieß mich von ihm ab. "Nein, ich will nicht mehr. Ich bin erst 16 und du? Du bist 28! Du bist mein Lehrer, Marc! Lass mich los.", ich löste mich aus seinem Griff, ging aber nicht weg. "Nur weil du meine Schülerin bist? Wir machen das ja nicht öffentlich. Ich dachte du liebst mich, Ryan?" Ich kann mich immer noch nicht an den Namen gewöhnen. Es ist ein jungen Name und kein typischer Mädchenname. "Ich will nicht mehr, verstanden? Also lass mich einfach in Ruhe!" Ich warf meine Tasche um meine Schulter, steckte meine Kopfhörer in meine Ohren und stapfte aus dem Raum.  Ich wollte hier weg. Einfach nur weg. Ich ging den Gang entlang, einfach immer weiter, stieß ein paar Schüler beiseite und war endlich draußen auf dem Parkplatz der Schule. Ich blieb nicht einmal stehen und ging einfach weiter, ohne auch einmal aufzuschauen. Ich wollte niemanden sehen, niemanden hören und niemanden um mich haben. Ich bog in eine Gasse ab und bemerkte zu spät, dass ich falsch abgebogen war. Mein Bruder und ich waren erst vor kurzem hier her gezogen und ich kannte mich noch nicht so gut hier aus. "Verdammt.", zischte ich und drehte mich herum. Ich konnte keinen Anfang und kein Ende sehen. Wo bin ich gelandet?! Ich stellte meine Musik etwas leiser und lauschte. Ich hörte Gedanken und Stimmen, durcheinander. Ich konnte sie nur auseinander halten, weil Gedanken leiser waren als Stimmen. Meine Füße bewegten sich automatisch auf die Stimmen zu, ganz langsam und leise. Es erschien eine weitere Ecke und ich lehnte mich gegen die Wand und lauschte. "Du hast es immer noch nicht verstanden, entweder du besorgst mir das was ich von dir verlange oder ich bringe dich um.", sagte eine tiefe Stimme ruhig. "Aber wenn ich dir die Ware besorge, sterbe ich nach dem ich sie dir geliefert habe.", meinte eine weitere tiefe Stimme. "Ist mir egal, ob du getötet wirst oder nicht. Ich will meine Ware! Sag mir dass du sie mir besorgst oder du stirbst, hier auf der Stelle.", der erste Mann schien wütend zu werden. Der andere Mann quietschte auf. Nein bitte, noch nicht. Ich muss meine Familie in Sicherheit bringen. Ich stöhnte auf. "Ich kann nicht. Ich hab Familie, vergessen Lucius?" Der erste Mann klatschte ihm eine und schrie: "Nenn mich nicht so! Du Verräter!" Ich werde ihn umbringen, ganz einfach. Ich such mir jemanden anderen der mir die Ware besorgen kann… Wenn ich ihn nicht töte, werde ich getötet… Und dann hörte ich nur noch einen Schuss und die Gedanken von dem fast toten Mann. Tut mir leid, Clary…Charlotte…ich liebe euch. Ich keuchte auf. Ich musste hier weg. Ganz schnell. Ich setzte leise einen Fuß vor den anderen, doch dann erschrak ich an einer Ratte und fiel gegen eine Mülltonne. Was?! Wer ist da?! "Wer ist da?!", schrie der Mann, bewegte sich jedoch nicht. Ich wollte mich gerade umdrehen und wegrennen, als jemand mich von hinten packte und mich gegen die Wand drückte. Ich wollte los schreien, doch der Fremde legte seine große Hand gegen meinen Mund. Mein Blick ging nach Oben und ich sah einen gut aussehenden jungen Mann. Er hatte braune Haare, ein kantiges Gesicht, war groß, und hatte blaue Augen. Ich blickte runter, er trug eine Lederjacke und Biker Boots. Wow. Gefiel mir. Ich tippte mit meiner freien Hand an seine Schulter. Seine Hand sank runter und ich flüsterte: "Wer bist du?" Er drückte sich gegen mich und verdeckte mich mit seinem Körper. Der Fremde beugte sich zu mir runter, riss mir die Kopfhörer aus den Ohren und flüsterte mir zu: "Luke. Keine Angst, ich beschütze dich." Ich nickte. Süß. Das war das einzige was mir seine Gedanken verrieten. Ich sah ihn schräg an. Irgendwas war komisch an ihm. Warum hör ich seine Gedanken nicht? Dachte er an nichts? Oder hat er eine Möglichkeit gefunden, seine Gedanken zu verbergen? Ich blickte an mir runter und bemerkte, dass sein Körper gegen meinen gepresst war. Ich wurde rot. Luke nahm mein Gesicht in seine Hände, sah mir tief in die Augen und flüsterte: "Wenn ich sage renn, dann wirst du wegrennen und dich nicht umdrehen, verstanden?" Ich schaute ihn weiter hin nur an. Sie muss weg, bevor sie mit reingezogen wird. "Verstanden?", fragte er mich noch mal. Ich nickte benommen. Er lächelte mich an und stieß sich dann von der Wand ab und ging um die Ecke. "Hey, was soll der scheiß, man?", hörte ich Luke den Kerl fragen. "Wer bist du?", fragte der panisch. Ein Zeuge, ich muss ihn auch töten, sonst komm ich in den Knast. "Keine Sorge, ich verpetz dich nicht an die Polizei. Mir macht es nur was aus, dass du den Mann hier umgebracht hast." Stille. "Ich meine, was wenn er Familie hatte?" Der Fremde schmiss etwas gegen die Wand und ich zuckte zusammen. "Junge, verschwinde oder ich töte dich." Ich werde dich töten! Luke lachte, dann stoppte er abrupt und ich hörte wie er auf keuchte. "Ich hab dich gewarnt", sagte der Mann. Luke schrie: "Renn!" Mein Zeichen weg zu rennen, aber ich tat es nicht. Ich konnte nicht, ich bewegte mich keinen Zentimeter weg. "Was soll das, Junge?", fragte der Mann "Ist da noch jemand bei dir?" Ich hörte Schritte auf mich zu kommen. Immer noch konnte ich mich nicht bewegen. Sie wurden lauter und kamen näher. Ich drehte meinen Kopf zu der Ecke und sah wie der Mann abbog und mich sah. Er machte große Augen. Scheiße. Ich hatte nur noch Leere im Kopf. Was soll ich tun? Soll ich sie einfach umbringen? …Nein, ich werde sie zuerst zwingen mit mir zu schlafen. So eine Schönheit darf man nicht verschwenden. Er grinste und kam langsam auf mich zu. Als er direkt vor mir stand, spürte ich seinen Atem und hielt die Luft an. Luke… Ich kannte ihn nicht, aber er hatte mir versprochen mich zu beschützen. Aber was wenn er bereits tot war?

Cinderella ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt