Du und ich waren unzertrennliche Freunde. Wir lernten uns in der Grundschule kennen. Selbst nach unserer Zeit an der Grundschule gingen wir in die selbe Klasse an der weiterführenden Schule und im Abitur belegten wir viele Kurse gemeinsam. Wir sind als Team durch dick und dünn gegangen, nie haben wir den anderen verlassen und wir haben uns alles erzählt.
Es dauerte nicht lange als du eine Arbeit gefunden hast nachdem wir unser Studium beendet haben. Leider war dein Arbeitsort in einer anderen Stadt, daher schworen wir uns für immer in Kontakt zu bleiben. Wir beide wussten, dass sich unsere Wege trennten, aber dies würde nicht unsere Freundschaft zerstören. Komm schon, unsere Freundschaft dauerte mehr als zehn Jahre! Wir wollten sogar als Erwachsene Freunde bleiben, wir haben sogar unsere Gräber nebeneinander geplant.
Als der Tag des Umzugs dann anbrach half ich dir beim Umzug. Ich fuhr dich zu deiner neuen Wohnung und half dir deine Möbel einzuräumen; ich platzierte sie wo immer du sie haben wolltest. Am Ende des Tages hingen wir die große Weltkarte im Wohnzimmer auf, an die Wand, die jeder zuerst sieht, wenn man die Wohnung betritt.
Du zeigtest auf ein Land und lächeltest mich an. Du sagtest, wir werden die ganze Welt bereisen und viele Dinge zusammen erkunden, wenn wir genug Geld und Zeit haben.
Ich nickte und entschloss mich mir ebenfalls eine Arbeit so schnell wie möglich zu finden und du sagtest mir, dass du hart arbeiten wirst.
Seitdem wurde ich beschäftigt mit der Arbeitssuche, bis eine Firma mich angenommen hat. Unsere gemeinsame Zeit wurde daher kürzer, unsere Gespräche am Telefon waren übliche "Hallo, wie geht es dir?" Gespräche, nichts mehr weiter, denn dann wurde einer von uns beiden zurück zum Geschäft gerufen.
Ich wusste nicht weshalb ich das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. Du klangst nie glücklich, wenn ich dich anrief und nicht lange hast du daraufhin meine Nachrichten und Mails ignoriert. Nie hast du auf einen Brief geantwortet, den ich dir gesendet habe.
Aber vielleicht war es auch deine Beförderung, die dich so sehr auf der Arbeit beschäftigt. Schon als kleines Kind warst du ein ehrgeiziger Workaholiker.
Bald entschied ich mich dich zu besuchen. Der Hintergedanke, dass du etwas vor mir verheimlichst, ließ mich nicht los. Du öffnetest mir dir Tür nachdem ich klingelte. Dieses Mal begrüßtest du mich nicht mit einem strahlenden Lächeln, wie du es sonst getan hast. Nein, dieses Mal war es ein tiefer Seufzer.
Nicht mal eine Minute war vorüber und du sagtest mir, dass ich nach Hause gehen soll. Und du schloßt die Tür. Genau vor meinem Gesicht, ohne mich zu Wort kommen zu lassen.
Ich war verwirrt. Was ist passiert? Habe ich etwas falsch gemacht? Erneut habe ich versucht reinzukommen, ich hämmerte mit meiner Faust gegen deine Tür, ich rief deinen Namen mehrere Male, habe dich nach Erlaubnis zum Eintreten gefragt. Noch immer hast du mich ignoriert. Deine Nachbarn warfen mich aus dem Gebäude. Den Lärm, den ich auf deiner Etage verursachte, hat sie belästigt. Während ich auf der Straßenkante saß, sah ich dich vom Fenster. So einen schweren, trüben und niedergeschlagenen Blick habe ich in deinem Gesicht noch nie gesehen. Du seufztest und zogst die Vorhänge zurück und entferntest dich vom Fenster. Daher wählte ich deine Nummer, wieder und wieder. Keine Antwort, nur der Anrufbeantworter.
Stirnrunzelnd fuhr ich zurück nach Hause.
Monate vergingen und ich rief dich erneut an, aber keiner antwortete, wie immer. Ich stand noch mal vor deiner Tür und klopfte sanft, nicht dass deine Nachbarn mich wieder rauswerfen. Schon wieder gab es keine Antwort von deiner Seite aus.
Warum gehst du mir aus dem Weg?
Was ist los, bitte sag es mir!
Weder deine Kollegen noch dein Chef wussten was los mit dir war. Sie teilten mir jedoch mit, dass du gekündigt hast.
Selbst deine Familie wusste von nichts, sie glaubten, du hättest eine feste Freundin. Aber ich wusste, dass die Arbeit für dich wichtiger als Liebe war. Es sei denn, du hast deine Meinung geändert.
Ich fragte sogar deine Nachbarn, ob sie etwas über dich wussten, aber jeder von ihnen schüttelte seinen Kopf.
Ich wünschte, dass ich mit dir hätte reden können. Dass du mit mir geredet hättest. Über deine Probleme. Egal, wie lange die Geschichte gedauert hätte, ich hab alle Zeit der Welt für meinen besten Freund! Aber ich wusste nicht, ob du mich noch als deinen besten Freund gesehen hast oder nicht...
Was auch immer dich bedrückte, ich werde es als Geheimnis bewahren, wenn du das gewollt hättest. Ich hätte dir in brenzligen Situationen geholfen, sowie wir das als Kinder gemacht haben. Die Erwachsenen hatten mit uns geschimpft, wenn wir Mist gebaut hatten, aber wir haben im nachhinein darüber gelacht.
Heute können wir nicht mehr so lachen, wie wir es sonst taten.
Nach einigen Jahren ging ich zu der Wiese, wo wir als kleine Kinder gespielt hatten. Während ich spazieren ging, habe ich dich endlich wieder gesehen. Das hat mich sehr überrascht.
Ich begann das Gespräch als Erster mit der Frage, was die ganze Zeit los mit dir gewesen ist. Ich fragte dich, weshalb du mich ignoriert hast und warum du unser Versprechen, dass wir für immer Freunde bleiben, gebrochen hast. Nach einigen Minuten schob ich die Traurigkeit beiseite und auch meine Wut legte sich. All die vorherigen Tage, Monate und Jahre haben sich solche Gefühle in mir aufgebaut. Da ich dein Lächeln, das ich so sehr vermisst habe, sehen wollte, erzählte ich dir von meinen lustigen Erfahrungen, die ich in meinem Leben gesammelt habe. Ich erzählte dir, wie ich einmal ohne Schuhe zur Arbeit gegangen bin, weil ich vergessen hatte sie anzuziehen. Ich erzählte dir von meinem Besuch im Tierheim, wo ich mir einen Dalmatinerwelpen gekauft habe. Sein Name ist Dalma. Wie du dich erinnerst bin ich sehr unkreativ, besonders wenn es um Namen geht. Noch ein Grund weshalb ich keine Familie gründen sollte. Die meiste Zeit über war ich am reden und reden und reden. Aber du hast mir nicht zugehört.
Du warst eh unter der Erde.
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Eine kleine Geschichte
Short StoryEine Sammlung kleiner (fiktiven) Geschichten sowie inneren Gefühlen und Gedanken meiner Seelen und derer Seelen, die sich beim Lesen angesprochen fühlen.