Marching on

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There's so many wars we fought
There's so many things we're not
But with what we have, I promise you that
We're marching on
('Marching on' - One Republic)

Dortmund

Ich war sechs Jahre alt und total aufgeregt. Es war mein erster Schultag, sodass meine Mum mich schön herausgeputzt hatte. Ich hatte mein Lieblingskleid an, das mit der großen, gelben Blume und meine Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten.

Auch wenn ich mich wirklich sehr auf diesen Tag, an dem ich endlich ein großes Mädchen wurde, gefreut hatte, fühlte ich mich gar nicht so wohl wie gedacht.
Ich blickte umher, alles wirkte so groß, viel größer als ich, alles war so neu.
Die anderen fremden Kinder redeten wild durcheinander.

Alle kannten sich vom Kindergarten, jeder kannte jemanden.
Nur ich nicht, ich kannte niemanden, weil wir neu in diese Stadtgegend Dortmunds her gezogen waren.
Ich setzte mich ganz hinten in die Reihe und beobachtete wie die anderen Riesen, was sich wohl in ihren Schultüten befand, keiner beachtete mich weiter.

"Jeder von euch bekommt jetzt einen 1a-Lolli für eure Schultüten, damit ihr euch gleich in der Klasse wohl fühlt", kündigte unsere Klassenlehrerin freundlich an.
Sie ging umher und verteilte die Lollis, jedoch als sie bei mir ankam, sagte sie beschämt: "Isabella, richtig? Es tut mir unendlich leid, aber da dich deine Mama zu spät angemeldet hat, haben wir leider nur 17 Lollis bestellt. Aber ich kann im Lehrerzimmer nachschauen, ob ich da noch etwas für dich finde."

Schnell machte sie sich auf dem Weg und ich hätte am liebsten angefangen zu weinen, da kam sie aber schon wieder, mit einem roten Bonbon in der Hand.
"Es tut mir wirklich leid", sagte sie noch mal entschuldigend und reichte mir den Bonbon.
Als ich ihn entgegen nahm, brachte ich ein geflüstertes: "Danke, ist okay.", heraus.

Frau Ecker widmete sich wieder der ganzen Klasse zu und traurig starrte ich auf meinen Bonbon runter. Er war kleiner als die Lollis, aber das war es nicht, was mich störte. Was mich störte war, dass auf der Verpackung nicht ‚1a' stand.
So gehörte ich nicht dazu, vom ersten Tag an gehörte ich nicht richtig zur Klasse dazu, wie wollte ich dann Freunde finden?

"Du kannst meinen Lolli haben.", ertönte plötzlich eine Stimme vor mir.
Es war ein Junge mit einem Fußballtrikot, der von seinem Platz aufgestanden war und mir nun eine Hand entgegen streckte, mit einem ‚1a-Lolli', wie ihn jeder andere außer mir besaß. Ich schaute erstaunt hinauf und erblickte tiefbraune Augen.

"Na los nimm, ich mag eh keine Lollis.", fügte er nochmal hartnäckiger hinzu.
Schüchtern nahm ich den Lolli, sah den Jungen leicht lächelnd an. "Dankeschön."
Er ging nicht drauf ein, stattdessen fragte er, auf den freien Platz neben mir deutend: "Darf ich mich setzten?"
Mehr als verwirrt, nickte ich und rutschte etwas, um ihm Platz zu machen.
"Ich bin übrigens Mario, du bist auch neu hier, oder?" - "Ja, bin ich, ich heiße Isabella."
„Woher kommst du denn?", hakte er nach. „Schon aus Dortmund, nur anderer Stadtviertel, du?" - „Ich komme aus Memmingen, das ist in Bayern.", sagte er sehr stolz. „Cool." - „Finde ich auch."

Dann strahlte er mich an und wir widmeten unsere Aufmerksamkeit der Lehrerin zu, die gerade erklärte wie es in der Schule so ablief.
Schließlich wünschte sie uns einen schönen Tag und viel Spaß mit unseren Schultüten.

Mario stand auf und sagte fröhlich: "Na dann bis Montag."
Ich sah ihn an, konnte ihm nicht sagen, welche Dankbarkeit ich ihm gegenüber empfand, dass er mir seinen Lolli gegeben hatte und dass er, obwohl er sicher viel lieber neben den anderen Jungs gesessen hätte, sich neben mich gesetzt hatte, damit ich nicht allein war.

Maybe tomorrow (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt