Déjà Vu

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PoV Mik

Ich zögerte.
Sollte ich es wirklich tun?
Stundenlange Arbeit.
Schlaflose Nächte.
Es steckte so viel Mühe in diesem Song.
Und doch zögerte ich.
War es zu offensichtlich? Das Herz im Titel. All die Andeutungen. Auf Englisch verfasst, in der Hoffnung, sie fielen nicht zu sehr auf. Anfangs hatte ich es für einen guten Einfall gehalten. Eine einzigartige Möglichkeit. Doch nun kam es mir immer mehr wie eine absurde Idee vor. Absurd, wahnwitzig, lächerlich. Die Vorfreude, die mich während meiner Arbeit immer wieder angespornt hatte, war verflogen.
Unsicherheit.
Ich wog den Kopf unschlüssig hin und her.
Mein Fuß wippte unruhig.
Meine Hand auf der Maus zitterte.
Ein Klick.
Ein letzter Klick.
Ich schloss die Augen.

Klick.

Ich riss die Hand von der Maus, als hätte ich mich verbrannt und fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare, während ich mich mit meinem Bürostuhl herumdrehte.
Jetzt gab es kein zurück mehr. Das Video war öffentlich.
Jeder würde es sehen können. Er würde es sehen. In wenigen Stunden, Minuten, vielleicht sogar Sekunden.
Was würde er sagen? Wie würde er reagieren?
Würde er verstehen, dass er mir mehr bedeutete als irgendjemand sonst in meinem Leben?
Würde er verstehen, dass ich in ihm mehr als einen Freund sah?
Oder würde er den Song als Zeichen unserer Freundschaft deuten?
Als ein Geburtstagsgeschenk eines sehr guten Freundes?
Doch es war mehr als ein einfaches Video.
Mehr als ein einfacher Song.
Es war mehr als ein Geburtstagsgeschenk.
Es war ein Geständnis.
Ein Liebesgeständnis.


PoV Dennis

A-a
yeah ...

Fassungslos starrte ich auf den Bildschirm. Das konnte er doch nicht machen. Er konnte mir doch nicht sowas schenken. Er hatte einen Song für mich geschrieben. Nur für mich.
Ich konnte es nicht glauben, wollte es im Moment auch nicht glauben. Zu groß war die Angst aufzuwachen. Festzustellen, dass dies nur ein Traum war.
Nach einigen Sekunden löste ich mich aus meiner Starre, griff langsam nach meiner Maus und klickte auf 'Nochmal'.
Und erst jetzt realisierte ich alles. Erst jetzt hörte ich den Song. Erst jetzt verstand ich den Text. Erst jetzt nahm ich Miks Gesicht wahr. Und erst jetzt stiegen mir Tränen in die Augen.
Wie paralysiert löste ich gefühlte Stunden später meinen Blick von dem Bildschirm vor mir. Von Miks wunderschönem Gesicht. Ich hatte mir den Song wieder und wieder angehört. Hatte das Video ein um's andere Mal angesehen. Und ein um's andere Mal war mein Blick links unten im Bild hängengeblieben.
Langsam stand ich auf und lief in die Küche. Ich nahm mir ein Glas aus dem Schrank über der Spüle und schenkte mir Wasser ein. Das Glas in der einen Hand, stützte ich mich mit der anderen an der Küchentheke ab. So verharrte ich reglos, auf die leuchtenden Neonziffern der Küchenuhr starrend, und doch ohne sie wirklich zu sehen.
Es war vollkommen still in der Wohnung, während mir Passagen des Liedtextes durch den Kopf schossen.

If you're missing, I can't breath ...
Anything that I ever wanted ...
I'll be there to fight for you ...
Hold me ...
Babyboii ...

Ich stieß mich von der Theke ab, ließ das Wasser unberührt stehen und machte mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Dort ließ ich mich kraftlos auf die Couch fallen. Eine Weile starrte ich auf das Bild des pausierten Videos. Auf Miks verplanten Gesichtsausdruck, die leicht zusammengekniffenen Augen. Auf sein wunderschönes Lächeln. Ich konnte mich glücklich schätzen, einen Freund wie ihn zu haben.
Und doch fühlte ich mich seltsam leer. Die ungläubige Freude von vorhin war verflogen. Stattdessen fühlte ich mich ausgelaugt und schwach.
Ich wusste nicht mehr, was ich davon halten sollte. Zeile um Zeile des Liedtextes schoss mir in den Kopf, doch plötzlich verstand ich ihn nicht mehr. Was wollte Mik mir damit sagen? Steckte wirklich mehr dahinter, als ein einfacher Freundschaftsbeweis?
Mik lieferte die Antwort: Nein. "Wieso immer nur Liebeslieder? Es sollte viel mehr Freundschaftslieder geben :D"
Nur ein Freundschaftslied.
Und doch blieb ein winziges Stück Hoffnung in mir zurück. Ein Stück Hoffnung, das jedes Mal aufflammte, wenn ich das Herz im Titel des Videos sah oder das Wort Babyboii hörte.
"Wieso immer nur Liebeslieder?"
So I tell you that I love you - make it cool: I luv ya!
"Es sollte viel mehr Freundschaftslieder geben"
Yes I know! It doesn't matter, cause you're like my brother

Nur ein Freundschaftslied.
I'll be there to fight for you
War es nicht das, was gute Freunde ausmachte? Dass sie immer für einen da waren, was auch immer geschah? Dass sie einen akzeptierten, so wie man war?
Ja, Mik war ein guter Freund. Aber auch nicht mehr als das.
So let's dare a brand new start

Ich musste mich bedanken. Mich bei Mik für dieses wundervolle Geburtstagsgeschenk bedanken. Sollte ich ihm schreiben? Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich war unsicher.
Wieso war ich nicht glücklich? Mik hatte ein Lied für mich geschrieben. Und ich? Ich saß hier trübsinnig auf der Couch herum und traute mich nicht einmal, mich richtig bei ihm zu bedanken. Ich fühlte mich schuldig.
Ich klappte den Computer zu und lehnte mich mit geschlossenen Augen zurück. Was war nur mit mir los?
Ich blieb reglos sitzen und versuchte krampfhaft, nicht an Miks Worte zu denken.
"Es sollte viel mehr Freundschaftslieder geben"
Babyboii

So schlief ich ein, den Kopf auf der Lehne, die Arme wie zum Schutz um meinen Körper geschlungen.

Ding-Dong.
Ich schreckte hoch und fuhr mir zerstreut über das Gesicht. Für einen Moment blieb ich reglos sitzen, nicht sicher, ob ich gerade eben die Türklingel gehört hatte.
Ding-Dong.
Ich stand auf und schlurfte zur Haustür, während ich versuchte, meine Haare in eine halbwegs akzeptable Form zu bringen. Schlecht gelaunt öffnete ich die Haustür, doch als ich erkannte wer da vor mir stand, breitete sich schlagartig Wärme in mir aus.
Dort, vor meiner Tür, stand Mik, die Hände lässig in den Hosentaschen und mit ungewöhnlich ernstem Gesichtsausdruck.
»Hallo, Dennis.«
Von dieser Wortwahl und seiner Miene verunsichert, blieb ich im Türrahmen stehen und anstatt ihm, wie ich es sonst getan hätte, mit einem freudigen »Mik!« um den Hals zu fallen, sagte ich nur einigermaßen verwirrt:
»Mik, was machst du hier?«
Er musterte mich eindringlich, ehe er flüsterte:
»Dir die Augen öffnen.«
Er trat einen Schritt vor und im nächsten Moment lagen warme Hände an meinen Wangen und weiche Lippen sanft auf meinen. Ich blieb für einen kurzen Augenblick überrumpelt stehen, dann legte ich meine Hände auf seine Schultern und erwiderte den Kuss. Die Welt schien stillzustehen. Alle Zweifel, alle Unsicherheit und Angst waren hinfortgewischt. Wärme überflutete mich und ich fühlte mich einfach nur glücklich.
Als wir uns voneinander lösten, sah er mir lange in die Augen, dann zog er mich in eine feste Umarmung.
»Alles Gute zum Geburtstag, Dennis.«



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