Die Flucht

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Sie waren glücklich miteinander. Tahir und Safiye haben jung geheiratet. Unter anderem, weil sie ihr erstes Kind erwarteten. Sie lebten in einem kleinen Dorf am Rande von Syrien, wo damals noch kein Krieg herrschte und einige Monate nach der Hochzeit kam ihre erste Tochter Nour zur Welt. Sie bauten sich ein kleines Haus mit Garten auf. Tahir arbeitete nebenbei als Fischer um das Einkommen der Familie zu sichern. Alles war perfekt und niemand konnte das Glück der kleinen Familie aufhalten. Zumindest schien es so zu sein, doch die Realität sah leider anders aus.

Als Nour drei Jahre alt wurde, schien die Welt immer noch friedlich, Safiye war erneut schwanger geworden. Eines Tages stürmten schwer bewaffnete Männer das Dorf und schlachteten die männlichen Bewohner brutal ab. Frauen und Kinder nahmen sie mit. Tahir und Safiye hatten Glück im Unglück. Sie konnten aus ihrem Dorf flüchten, jedoch hatten sie ihre restliche Familie, sowie ihren gesamten Besitz verloren.

Drei Tage liefen sie durch Wälder hindurch. Sie waren ausgehungert und es war fürchterlich kalt. Da sie mitten in der Nacht aus ihrem Dorf fliehen mussten, hatten sie nur Nachthemden und notdürftig schnell rübergezogene Kleidung an aber nix was richtig wärmte. Safiye war in Lebensgefahr und ihr Zustand wurde immer schlechter. Nach und nach fiel ihr das Laufen immer schwerer, doch sie gab die Hoffnung nicht auf.

Am dritten Tag erreichten sie ein kleineres Dorf, jedoch war auch dieses überfallen worden. Also liefen sie weiter. Der Herbst war schon längst in der Gegend angekommen und da es Nachts sehr kalt wurde, war es auch nicht verwunderlich, dass die kleine Nour sich erkältete.

Irgendwann hatte die kleine Familie jegliches Zeitgefühl und jeglichen Orientierungssinn verloren. Nach einer gefühlten Woche kamen sie in eine ehemals große Stadt, die jetzt aus nichts weiter als Trümmer und Asche bestand. Das Bild war erschütternd was sie vor sich hatten. Lauter Menschen suchten irgendetwas in den Trümmern und in ihrem Gesicht war die blanke Angst, Trauer und Wut zu erkennen.

Plötzlich kam ein Mann mit einer Waffe in der Hand auf die beiden zu. Er steuerte auf Safiye zu und hielt die Waffe in der Höhe ihres Bauches. Tahir stellte sich vor Safiye um sie zu schützen. Nour stand neben ihrer Mama, die beiden hielten ihre Hände fest. Safiye hatte Angst, sie fing an zu zittern und schloss die Augen. Das letzte was sie hörte war "Ich liebe dich, Safiye" und sie antwortete leise "Ich liebe dich auch, Tahir". Danach hörte sie drei Schüsse und einen dumpfen Schlag. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Tahir wie er zu Boden fiel. Sie schrie und sie wollte nie wieder aufhören zu schreien. Jemand schüttelte sie und schrie sie an, doch es klang gedämpft, deshalb verstand sie nichts und hörte nur sich selbst schreien. Tränen rannen ihr übers Gesicht, dann wurde alles schwarz.

Wenig später öffnete sie wieder die Augen. Nour saß neben ihr. Langsam setzte sich Safiye auf. Sie befand sich jetzt in einer Hausruine, die oben mit Stofffetzen notdürftig abgedeckt war. Ein paar Frauen mit Kindern waren ebenfalls hier in der Ruine untergebracht.

In den nächsten zwei Tagen bekam Safiye kaum mit. Die meiste Zeit lag sie auf dem Boden und starrte vor sich hin ins Nichts. Am dritten Tag brach sie mit den anderen Frauen auf. Die Frauen nahmen ein paar Stofffetzen aus der Ruine mit.

Zwei Wochen später haben die Frauen Deutschland erreicht. Safiye wurde in ein Krankenhaus gebracht und hat dort die kleine Saida zur Welt gebracht.

Später lernte sie Deutsch und lebte mit ihren zwei Kindern in einer kleinen Wohnung, nebenbei verdiente sie sich ein bisschen Geld mit kleinen Nebenjobs und Nour und Saida kamen in den Kindergarten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 08, 2016 ⏰

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