Alia Nr.1

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Alia

Ich bin krank. Ich bin ein Krüppel. Ich bin ein Nichtsnutz. Ich bin ein Niemand. Ich werde nie wieder tanzen können. Ich schaue von meinem Blatt auf. „So denkst du also über dich.", stellt Lana fest. Sie ist meine Ziehmutter und Therapeutin. Ich schaue betreten auf meine metallischen Füße. Was soll man auch sonst von sich denken wen man ein halber Cyberroboter ist? „Ich glaube du musst ein bisschen unter Leute kommen, Schätzchen, in deinem Zimmer kommen deine Beine auch nicht wieder zurück!" Ach ne, da hätt ich auch selbst drauf kommen können!Ruckartig stehe ich auf, vielleicht etwas zu ruckartig, das machen meine Protesen nicht mit und knicken unter mir weg. Lana will mir zur Hilfe kommen, doch ich werfe ihr einen bösen Blick zu. Mitleid brauche ich nicht. Unbeholfen ziehe ich mich an einem Stuhl auf die unechten Beine. Dann mache ich so wütend wie es mein humpeliger Gang zulässt einen Abgang in mein Zimmer! Ich überlege ob der Vorschlag von Lana wirklich etwas bringen würde. Ich war schon lange nicht mehr an der frischen Luft...schon seid ein paar Wochen nicht mehr! Na gut, ich werde gehen...aber ich will nicht, dass Lana denkt ich würde ihr Selbsthilfegefasel gut finden! Dann muss der Balkon hinhalten. Ich ziehe mir Kniestrümpfe über die Protesen, fall die Jeans verrutscht und schlüpfe in meine ausgelatschten Chucks. Als ich prüfend in den Spiegel sehe, sieht das Mädchen was mich ebenfalls kritisch betrachtet eigentlich ganz normal aus. Naja is auf die unnormal blasse Haut, die neben den Schwarzen Haaren noch blasser wirkt als sie wahrscheinlich ist. Ich gehe zur Balkontür und mache sie auf. Mit zusammengekniffenen Augen tappe ich in das grelle Hell. Nach ein paar mal blinzeln haben sich meine Augen an die grelle Frühlingssonne gewöhnt und können nach unten spähen. Es geht ungefähr 3Meter hinunter. Ok komm das ist ja wohl machbar. So hoch ist das doch gar nicht. Ich schwinge ein Bein über das Geländer Ich versuche mich zu entspannen. Ich wusste gar nicht, dass ich Höhenangst habe...Vielleicht kann ich es bei unserer nächsten Sitzung Lana erzählen und wir gehen das dann zusammen an. Ich kann schon ihre Stimme hören: „Das ist gar kein Problem, Alia. Jeder hat Ängste, die es zu bewältigen gilt. Wir schaffen das gemeinsam!" Ich rolle mit den Augen. Vielleicht hätte ich es in meinem anderen Leben geschafft, könnte ich mich nur an es erinnern. In diesem Leben werde ich es auf jeden Fall nicht heile da hinunter schaffen! Ich will mein Bein schon entmutigt wieder über das Geländer schwingen und mich wieder in meinem Zimmer verkriechen, dann gebe ich mir jedoch einen Ruck und hänge mich an den Rutschigen Boden des Balkons! Jetzt kann ich ins Wohnzimmer sehen und sehe wie Lana mit dem Rücken zu mir in einer ihrer Selbsthilfemagazine blättert! Ich rolle mit den Augen. Die macht auch nichts anderes! Ich muss mich wahrscheinlich anderthalb Meter Fallen lassen. Doch bevor ich weitere Planungen machen kann rutschen meine Hände ab und ich werde von einem Rotedrendonbusch verschluckt, der meinen Fall aber erstaunlich gut abgefedert hat! Trotzdem hat Lana mich jetzt wahrscheinlich bemerkt! Ich bewege mich nicht und liege ein paar Minuten in einer Stellung, die man im Yoga die verschlungene Brezel nennt und krieche dann als ich mir sicher bin das Lana nicht direkt vor dem Busch wartet aus dem Busch. Auch wenn der Busch mir gerade das Leben gerettet hat...habe ich seins wahrscheinlich gerade beendet. Der Gärtner wir mich umbringen! Trotzdem zupfe ich mir die Blätter aus den Haaren und stapfe aus dem Garten.

Ich mache mich auf in die Stadt, in der sich eine Tanzakademie befindet auf die ich schon, seid ich wieder denken kann gehen will. Also schon seid circa 2 Monaten,aber ich kann nicht wegen den blöden Beinprotesen. Mit ihnen kann ich wenn überhaubt nur ganz einfache Übungen tanzen. Das macht mich so wütend auf mich! Auf mich, weil ich mich nicht an meine Vergangenheit erinnern kann. Auf mich, weil ich diesen blöden Unfall hatte ( an den ich mich jedoch auch nicht erinnern kann ) und auf mich, weil ich mich nicht genug anstrenge ein halbwegs normales Leben zu führen! Mittlerweile bin ich an de Tanzakademie angekommen, ich setze mich auf eine Mauer und schaue den Jugendlichen zu wie sie ihre Übungen machen, bis mich die Lust selbst packt. Ich stehe auf und mache ein paar Figuren aus Schwanensee, das einzige Stück an das ich mich noch erinnern kann. Etwas steif tanze ich das Stück nach und nach durch. „Da war jetzt aber falsch!", stellt eine Stimme fest. Ich erwache aus meiner Trance. „Was ist falsch?", ich drehe mich zu der Stimme um.Es ist ein Mädchen meines Alters, das micht neugierig betrachtet: Na die Figur nach der Drehung!" Sie blinzelt mich aus zwei asiatischen Augen freundlich an. „Und woher willst du das wissen?" „Ich tanze das Stück seid ich 12 bin auf der Bühne!", sie macht eine wegwerfende Handbewegung, „Ich könnte es sogar im Schlaf tanzen." Sie steht auf und kommt zu mir rüber. „Schau, so ist es richtig!" Sie macht ein paar fließende Bewegungen. Wow, es sieht so selbstverständlich und wunderschön bei ihr aus...

Ein paar Sekunden sitzen wir einfach schweigend nebeneinander. „Wie heißt du?", frage ich sie. „Marylynn."

„Marylynn, wie kommt es, dass du schon mit 12 auf der Bühne getanzt hast?" 

Ihr scheint es unangenehm zu sein darüber zu reden: „Meine Mutter ist Profitänzerin und hat mich quasi schon mit 3 unterrichtet, jeden Tag hat sie mit meinem Bruder und mir geübt... Mit zehn war ich schon mit auf der Bühne, habe aber noch keine Hauptrollen getanzt und seid ich 12 bin tanze ich Hauptrollen!" „Das muss ja toll sein: Jeden Tag auf der Bühne.", schwärme ich. Ich könnte mir nichts schöneres Vorsellen! „Glaub mir, cih wäre lieber normal...wie du.", sagt sie sehnsüchtig. Das glaube ich nicht! „Du hast schon lange nicht mehr getanzt, oder?", fragt mich Marylynn vorsichtig. Ich wusste, dass sie es bemerkt hat. „Stimmt...seid dem Unfall nicht mehr.", ich will nicht darüber sprechen. „Was für ein Unfall?" Ich zucke mit den Schultern: „Tanzunfall oder so." „Du musst es doch wissen!", sie bleibt hartnäckig. „Ich habe mein Gedächtnis verloren!", fauche ich etwas zu hart, dann fahre ich leise fort. „Hör mal ich will nicht darüber reden!" Sie sieht geschockt aus. Ich hätte sie nicht anbrüllen dürfen. „Tut mir leid, es ist nur schwer wenn man nicht weiß wer man wirklich ist!" Ich seufze. „Ich kann dich verstehen...glaube ich. Aber du willst wieder versuchen zu tanzen?", fragt sie sanft. Will ich, kann ich aber nicht. Ich nicke langsam. Sie springt auf: „Ich habs! Mein Bruder könnte dich trainieren, er wurde gerade erst zum Tanzlehrer ausgebildet!" „Und du glaubst er würde sich für MICH Zeit nehmen?" „Klar, er hatte gerrade seinen Abschluss und freut sich bestimmt wenn er jemanden hat mit dem er üben kann!", Marylynn nickt heftig. „Glaubst du wirklich?" „Doch doch, er bekommt dich wieder hin, er ist klasse..." „Wer ist klasse?" Hinter Marylynn taucht ein junger Mann auf. Mit ebenfalls asiatischen Augen, scharzen Haaren und vielleicht zwei Jahre älter als ich. „Na du, Kieran. Wir haben gerade von dir gesprochen!", Sie grinst. „Um was geht's denn?", fragt Kieran. „Das ist...", Marylynn schaut mich erwartungsvoll an. „Alia." „Das fängt ja schon gut an.", lacht er. „Naja auf jeden Fall ist das Alia und sie will wieder anfangen zu tanzen, aber seid einem Unfall, bei dem sie ihr Gedächtnis verloren hat, hat sie das nicht getan und ich dachte du könntest ihr helfen, da du ja jetzt..." „Da ich ja jetzt Lehrer bin!", vollendet Kieran den Satz.

„Ganz genau."

„Bin ich noch gar nicht!", Kieran grinst seine Schwester an.

„Hä?", sie sieht ihn verunsichert an. Oh man die beiden sind ja ein komisches Dou!

„Ich bin noch nicht fertig, ich habe gerade erst das 2, Semester abgeschlossen!"

„Oh."

„Aber klar, es wäre eine gute Übung, also gerne.", er lächelt mich an. „Also Lia, wenn du Lust hast morgen hier?" Mein Herz macht einen Sprung, endlich wieder Tanzen: „Alia, aber klar vielen Dank!" „Cool dann bis morgen um zwei hier!" Ich nicke. „So kommst du Lynni, Mum will mit uns die neue Choreo durchgehen. Sie meinte sie hat einen neuen Tanzpartner für dich!", Kieran kichert. „Bitte nicht!", jammert Marylynn, „Tschau Alia, ich hoffe wir sehen uns." „Tschüss Marylynn und dankeschön.", rufe ich ihr hinterher. „Lynn tuts auch.", lacht Marylynn und springt hinter ihrem Bruder hinterher. Ihre wilden kurzen Haselnussbraunen Korkenzieherlocken sind das einzige was ih von ihr noch gesehen bekomme, dann ist sie weg! Auch ich mache mich auf den Weg nach Hause. Vor der Haustür bleibe ich unschlüssig stehen dann bin ich gezwungen zu klineln. Lana reißt, als ob sie dahinter gewartet hätte, die Tür auf und fällt mir um de Hals: „Wo warst du?" „Unter Leuten!", knurre ich und kämpfe mich aus der Umarmung um in meinem Zimmer zu verschwinden. Morgen werde ich wieder tanzen. Ein kribbeln durchfährt meinen Körper.

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