Im sechsten Stock des Mehrfamilienhauses angekommen, schließe ich die nicht besonders sichere Wohnungstür auf. Ich betrete Wohnung und ein beißender Gestank weht mir entgegen. Es riecht nach Alkohol und Erbrochenem.
Na super, Mom hat wieder gesoffen.
"Mom", rufe ich. Doch es kommt keine Antwort. Ich streife meine Jacke ab und laufe durch den Flur in ihr Schlafzimmer. Dort erwartet mich das größte Chaos des Jahrzehnts. Leere Schnapsflaschen rollen auf dem Boden hin und her. Das Kopfkissen ist in seine Bestandteile zerlegt und liegt quer durch den Raum verstreut. Der Nachttisch liegt umgekippt und die Nachttischlampe ist komplett zerstört. Doch meine Mom ist nicht da.
Ich drehe mich um und gehe in das Badezimmer, das genau gegenüber liegt. Es ist abgeschlossen. "Mom?", frage ich und klopfe an die Tür. Keine Reaktion.
"Mom!"
"Charlie?", höre ich ihre schwache Stimme von innen. "Ja, Mom. Ich bin's! Machst du mir bitte auf?", frage ich erleichtert.
"Wo bin ich? Warum ist hier denn alles so dunkel?", fragt sie verwirrt und beschwipst.
"Du musst nur die Augen aufmachen, Mom. Dann siehst du auch was!"
Es folgt ein kurzes Schweigen, dann wird die Tür von innen geöffnet. Meine Mom hockt vor der Badezimmertür auf dem Boden, direkt neben ihrer eigenen Kotze.
"Komm schon", sage ich, "Steh auf!" Ich bücke mich zu ihr runter. Der penetrante Gestank nach Kotze benebelt meine Atmung.
"Wir müssen dich duschen! Dann geht's dir auch gleich wieder besser", füge ich noch hinzu, bevor ich versuche sie und ihre Beine zu ziehen.
"Will aber nicht. Will schlafen!"
"Na komm, Mom. Du kannst danach schlafen!"
"Lass mich!"
Trotzdem hievt sie sich mit meiner Hilfe vom Boden auf und lässt sich nicht wie ein Kartoffelsack wieder auf den Boden sinken.
Ich führe sie zur Dusche. Ihre Klamotten sind sowieso schon komplett eingesaut, also können sie auch ruhig nass werden. Ich stelle sie unter die Dusche und drehe die Leitung an. Eiskaltes Wasser schießt auf uns runter.
"Iiiihhhhhh!", kreischt Mom, "Mach das wieder aus!"
Ich reagiere gar nicht erst. Eine Stunde später liegt Mom in ihrem von mir frisch aufgeräumten Zimmer auf ihrem Bett und schnarcht laut. Während ich im Badezimmer die letzten Reste ihres Erbrochenem entferne.
Als ich schließlich fertig bin ist es schon längst 2.00 Uhr nachts und ich bin so müde, dass ich mich kaum noch auf den Beinen halten kann. Ich stolpere in mein Zimmer und schmeiße mich auf ́s Bett. Ich mache mir nicht mal die Mühe meine Jeans auszuziehen. Dazu bin ich einfach zuuuuuuu träge. Als ich dann aber auf meinem Bett liege will mein Körper einfach nicht einschlafen. Stattdessen lässt er meine Gedanken zu meinen Beinahe-Vergewaltigern wandern.
Mein Gott, ich will einfach nur einschlafen und alles vergessen, was heute passiert ist! Was generell passiert! Wie mein Leben ist!
Einfach in einem glücklichen Schlaf gefangen sein!Doch es funktioniert nicht. Meine Gedanken wandern und denken über das nach, was passiert ist.
Eigentlich hätte es keinen Ausweg mehr gegeben, ich hätte fast das Schicksal geteilt, das schon so viele Mädchen ereilt hatte, die in der Dunkelheit in der Gegend der New Yorker Unterschicht unterwegs waren. Im Jetto. Fast wäre ich vergewaltigt worden, doch dann war aus irgendwelchen Gründen die Zeit stehen geblieben. Auf einmal hatten sich die Männer nicht mehr bewegt.
Nichts hatte sich mehr bewegt.
Nur ich. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich mich noch bewegen können.
Aber warum?Ich weiß noch, was ich gedacht habe. Ich musste einfach nur daran denken, dass die Zeit stehen bleiben sollte und sie ist es. Das und ich hatte Stop! gerufen.
Vielleicht kann ich die Zeit ja noch mal anhalten!
Das wäre zumindest ziemlich praktisch. Also konzentriere ich mich wieder auf die Zeit.
„Stop!", sage ich und konzentriere mich darauf, dass die Zeit anhält.
Aber woher weiß ich jetzt, dass sie wirklich angehalten hat? Beim letzten Mal hatte alles still gestanden. Selbst die Straßenlaternen haben aufgehört zu flackern und haben ausnahmsweise mal gleichmäßig geschienen. Ein paar waren auch komplett aus gewesen. Wahrscheinlich die, die gerade dunkel waren.
Ich stehe auf und laufe zum Fenster. Und wirklich leuchten alle Lampen gleichmäßig. Jeah, ich habe es geschafft!
....
Im nächsten Kapitel (kommt in drei Wochen) wird ein Bild kommen, so wie wir uns Charlie vorstellen ☺️
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The Changers
ParanormalCharlie führt ein normales Leben in einem armen Viertel in New York. Dachte sie bisher zumindest.....