Acht Jahe zuvor

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«Komm schon. Spürst du wirklich nichts?» Mit Tränen in den Augen schüttle ich erneut den Kopf. «Kein Kribbeln, keine Wärme oder Kälte?» «Nein. Nichts.» Hauche ich leise. Die junge Frau streicht sich unsicher eine ihrer weinroten Strähnen hinters Ohr. «Vielleicht kommt es bei ihr später.» Ich drehe mich zu dem Mädchen um, welches gesprochen hat. «Aber Liv, bei dir kam es auch mit sechzehn. Bei mir, Lucy und Lia auch. Nur bei ihr nicht.» Liv schüttelt ihr goldbraunes Haar. «Lassen wir ihr noch etwas Zeit Lilith.» Lilith seufzt. «Gut, aber wir können nicht mehr lange warten.» Dann verlässt sie das Holzhaus. Ich werde traurig. Warum spüre ich nichts? «Keine Sorge, du wirst noch etwas spüren, da bin ich mir sicher.» Liv lächelt mir aufmunternd zu. Ich versuche zurückzulächeln, aber es gelingt mir nicht richtig. Dann konzentriert sich Liv wieder auf ihre Zeichnung. Ich sage ihr lieber nicht, dass ich meine Hoffnung bereits aufgegeben habe. Niedergeschlagen schaue ich mich in dem kleinen Haus um. Alles ist aus Holz und nur einen Tisch, eine Pritsche und einen Kamin schmücken das trostlose Haus. Ich schlurfe zum Ausgang und öffne die schwere Holztür. Mit einem krachen fällt die Tür wieder ins Schloss und ich beginne zu rennen. In den Wald. Durch die Gebüsche, über umgefallenen Baumstämme, bis ich über eine Wurzel stolpere und auf den dreckigen Boden falle. Schwer atmend bleibe ich liegen. Meine Knie schmerzen und ich habe mir meine Hände aufgeschürft. Langsam rollen mir Tränen über die Wangen. Tief in meinem Inneren weiss ich es. Weiss, dass ich etwas spüren sollte. Und ich spüre nichts. Es soll mit Sechzehn kommen. Nicht einen Tag früher oder später. Ich bin nicht wie sie. Ich bin normal. Immer mehr Tränen laufen über mein Gesicht und ich wische sie mir weg. Behutsam rapple ich mich auf und hebe mein Bodenlanges, blaues Kleid auf. Ich hasse mein Kleid. Aber ich muss zurück. Ich darf nicht weggehen. Muss bleiben. Mit zitternden Beinen mache ich mich durch den Wald zurück zu der kleinen Lichtung, auf der das Holzhaus steht. Eigentlich ist es mehr eine Hütte als ein Haus. Immer näher komme ich der Hütte. Das Zwitschern der Vögel begleitet mich und ich wünsche, sie würden mit ihrem fröhlichen Gesang aufhören. Wütend nehme ich einen Stein vom Boden auf und werfe ihn in die Baumkronen. Ein paar Vögel fliegen mit aufgeregten Stimmen hinauf in den Himmel. Ich werde dadurch nur noch wütender. «Seid endlich ruhig!» Schreie ich die Vögel an. Nichts geschieht. Langsam schreite ich weiter, um mich nicht noch mehr aufzuregen. Schon von weitem höre ich Stimmen. Dann sehe ich sie. Lilith. Liv. Lia. Lucy. Alle in wallenden, edlen Kleidern. Lilith dreht sich zu mir um. Ihre Augen weiten sich. «Leonie! Was hast du gemacht?» Ich schweige und stampfe mit trotzigem Gesichtsausdruck weiter auf die Vier zu. Vier. Es sind Vier. Und ich bin die Fünfte.


Sorry das dieses Kapi etwas kurz ist, aber es sind jetzt gerade die letzten Wochen vor den Ferien und ich bin im Prüfungsstress, bemühe mich aber, trotzdem regelmässig neue kapis hochzuladen ;)

--> Dieses Kapitel ist überarbeitet!

Waldläuferin -Vorläufig abgebrochen-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt