Der Perveckte Tag

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Helle Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht. Ich gähne herzhaft und strecke mich ausgiebig. Wo sind denn nur meine Pantoffel? Mit den grünen Hausschuhen an den Füßen trete ich ans Fenster. Der Gesang der Vögel empfängt mich. So langsam werde ich wach. Zufrieden muss ich lächeln. Heute ist der perfekte Tag, um sich bei der Ernte freiwillig zu melden. Natürlich könnte ich mich auch nächstes Jahr noch freiwillig melden, aber dieses tolle Wetter, die ausgelassene Stimmung der Vögel und die Tatsache, dass ich meine Pantoffeln so schnell im Halbschlaf finden konnte sind eindeutige Zeichen dafür, dass heute der Tag gekommen ist, für den ich all die Jahre trainiert habe.

Erschrocken zucke ich zusammen, als meine Zimmertür aufgerissen wird. „Mum!" „Hör auf Löcher in die Gegend zu starren. Wir müssen dich fertig machen. Hast du etwa die Zeit vergessen?" „Nein, natürlich nicht", versuche ich meine Mutter zu beruhigen. Sobald sie im Badezimmer verschwindet, verdrehe ich die Augen. Manchmal nervt Mum ganz schön. Ich bin doch nicht zu blöd, um mich rechtzeitig für meinen großen Tag vorzubereiten und mich fertig zu machen! Sobald Mum das Badezimmer verlassen hat, gehe ich duschen. Das Wasser stelle ich abwechselnd warm und kalt ein, weil das gesund sein soll. Da ich diesen Tag von der ersten Minute an feiern möchte, greife ich heute zu einem sehr teuren Shampoo, das ich normalerweise nur benutzen darf, wenn wir Besuch von Kapitolbewohnern bekommen. Langsam massiere ich den orangen Schaum in meine blonden Haare ein. Bevor ich ihn wieder auswasche, hole ich noch einmal tief Luft. Der Geruch von Mandarinen lässt mich aufseufzen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit stelle ich das Wasser ab und gehe in mein Zimmer. Auf meinem Bett liegt bereits das Kleid, das ich zur heutigen Ernte tragen werde. „Danke Dad, danke Mum!", rufe ich durch das ganze Haus. Sie hassen es, wenn ich das tue. Es ist in ihren Augen ungezogen und gehört sich nicht für eine zukünftige Siegerin. Doch bei dem Anblick des grünen Kleides, kann ich mich einfach nicht beherrschen. Ehrfürchtig berühre ich den weichen Stoff. Auch wenn meine Eltern Stoffhändler sind, habe ich so etwas Schönes noch nie zuvor gesehen.
Das Kleid passt wie angegossen. Zufrieden stelle ich fest, dass der Grünton des Kleides wunderbar mit meinen Augen harmoniert. Ich lasse mich auf einen Stuhl vor meinem Schminktisch sinken und beginne mein Gesicht zu verschönern. Dabei achte ich besonders darauf, dass ich nicht zu viel Makeup verwende, da man meine Tätowierung noch gut sehen soll.

„Du siehst toll aus, Schätzchen." „Danke, Dad. Guten Morgen." Ich setze mich neben meinen Vater und greife nach dem Salat. „Du weißt, dass ich mich gleich freiwillig melden werde!?", wende ich mich an Dad. Er sieht von seinem Toast auf. „Natürlich. Du redest seit Monaten davon." „Seit Rubinas Beerdigung", murmle ich leise und senke meinen Blick. Etwas brennt in meinen Augen. Tränen. Ich zwinge mich nicht zu weinen. Heute habe ich für so etwas keine Zeit. Meine Mutter greift nach meiner Hand. „Saphira, du kannst ihren Tod nicht rückgängig machen." „Erinnert ihr euch noch an meinen zehnten Geburtstag? Ich habe ein Messer nach Rubina geworfen, weil sie mein Rüschenkleid nicht mochte." Meine Eltern sehen sich beunruhigt an. „Saphira..." „Oder könnt ihr euch noch an den Tag erinnern, als Rubina mir ein blaues Auge verpasst hat, weil ich meinen Speer weiter werfen konnte, als sie?" Ich muss lachen. „Wir erinnern uns noch, Schätzchen. Aber du solltest nicht so sehr an der Vergangenheit hängen. Was jetzt zählt, ist die Zukunft. Du wirst Siegerin der 51. Hungerspiele. So kannst du Rubinas Tod rächen." „Und damit du das erreichst, musst du jetzt deine Konzentration sammeln und an deine Ernte denken", vollendet Mum den Vortrag. Ich betrachte meinen Salat, bevor ich etwas erwidere. „Lasst uns gehen."

Aufmerksam lasse ich meinen Blick über die Jungenmenge schweifen, die sich vor der riesigen Leinwand versammelt hat. Vielleicht entdecke ich meinen Mittribut... Roger hat beim Training das Gerücht verbreitet, dass er sich freiwillig melden wird. Aber das glaube ich nicht. Roger liebt sein Leben und wenn er klug wäre, würde er nicht bei den Hungerspielen antreten. Dafür ist er einfach nicht gut genug. Lucas könnte sich melden... Ich muss lachen als ich bemerke, dass er sich nervös auf die Unterlippe beißt. Er wird sich also wahrscheinlich auch nicht melden. Ich stutze, als mein Blick auf ein weiteres, mir bekanntes Gesicht fällt. Der Junge könnte mein Bruder sein. Ich bin athletisch gebaut, er muskulös. Ich habe blonde Haare, er auch. Wenn ich mich nicht täusche, sind seine Augen sogar ebenfalls grün. Ich brauche nicht zu überlegen, woher ich ihn kenne. Sein Zwillingsbruder, Ralph Laytham, hat vor einigen Jahren die Hungerspiele verloren. Er ist auf eine sehr unschöne Art gestorben...

Plötzlich sieht mir der Junge direkt in die Augen. Er hebt fragend eine Augenbraue. Ich stelle mich noch etwas gerader hin. Rücken gerade, Bauch rein, Brüste raus. Ich muss schmunzeln. Mit Rubina habe ich einmal einen ganzen Tag lang geübt so zu gehen. Wir sind immer wieder vor einem Spiegel auf und ab gelaufen und haben einer unsichtbaren Menge zugewunken. Natürlich waren wir damals noch jünger. Ich sehe, dass der Junge grinsen muss, als er bemerkt, dass ich mich anders hinstelle. Jetzt bildet er sich auch noch etwas ein! Ich mustere ihn, so auffällig ich kann. Denn dass sein Anzug qualitativ für die Mülltonne geeignet ist, erkenne ich sofort. Dieser Junge soll ruhig wissen, wo er steht. Der Junge grinst weiter und knöpft sein Hemd etwas auf. Dann zwinkert er mir zu und richtet seinen Blick auf die Bühne, da die Auslosung beginnt.

Blut schmeckt salzig Rache ist süß Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt