Die Ungerecht heit der Hungerspiele

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Althea Bellpath
Das ist so verdammt unfair! Aufgewühlt lasse ich mich auf den hochpolierten Boden sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Mir ist übel und am liebsten würde ich einfach losschreien. Wütend greife ich nach einem der lächerlich weichen Daunenkissen und presse es mir vor mein Gesicht. Dann schreie ich los. Ich kreische, wie ich es lange nicht mehr getan habe. Schon nach wenigen Sekunden höre ich damit jedoch auf, weil es mir nichts bringt, außer, dass ich Halsschmerzen bekomme und heiser werde. Aufgebracht schmeiße ich das Kissen durch den Raum. Ich stehe auf und trete das blöde Kissen durch das Zimmer.

Plötzlich öffnet sich die Tür und eine junge Frau in roter Kleidung tritt herein. Mit einem kurzen Blick fängt sie die Szene ein und sofort spüre ich, wie sich die Röte einen Weg in meine Wangen bahnt. „Hallo", sage ich unsicher und senke meinen Blick. Ein leises Klicken ertönt, als die Frau meine Zimmertür hinter sich schließt. Zögernd kommt sie auf mich zu und ergreift meine Hand. Erschrocken zucke ich zurück. In ihrem Gesicht sehe ich eine stumme Entschuldigung. Um meine Reaktion wieder gutzumachen, greife ich nach der Hand der Avox. Sie wollte mich schließlich nicht erschrecken. Lächelnd zieht sie mich zu meinem Bett und deutet an, dass wir uns setzen sollen. Ich folge ihrer stummen Aufforderung. „Ich bin Althea", erkläre ich der Avox, damit diese unangenehme Stille endlich gebrochen ist. Die Avox lächelt und nickt mir aufmunternd zu. Was will sie denn? So schön klingt mein Name nun auch wieder nicht. Die Avox scheint meine Verwirrung bemerkt zu haben, denn nun formt sie mit ihrer Hand einen Schnabel, den sie auf und zu klappt. Dann deutet sie auf mich. „Ich soll weitererzählen?" Erfreut darüber, dass ich sie verstanden habe, nickt die Avox. „Okay..." Ich zögere für einen Moment. Soll ich ihr wirklich etwas erzählen? Es wäre eigentlich ungefährlich, weil sie es sowieso niemandem weitererzählen könnte... „Aber ich denke, man darf nicht mit Avoxen reden. Damit bringe ich Sie doch in Gefahr!" Die Frau macht eine wegwerfende Geste. „Na schön... Was soll ich denn sagen?" Die Frau deutet auf das Kissen, das noch immer auf dem Boden liegt. „Sie wollen wahrscheinlich wissen, weshalb ich hier so einen Tumult veranstaltet habe. Es ist einfach so unfair. Meine Mutter ist kurz nach meiner Geburt gestorben. Mein Vater hat das nie verkraftet und versucht sie durch Morfix und Alkohol im Rausch wiederzusehen. Dadurch hat er seine Arbeit verloren. Würde ich nicht seit vier Jahren in einer Fabrik arbeiten, wären wir beide tot. Ich habe mich nie über meine Arbeit beschwert. Den Verdienst meiner Tesserasteine habe ich immer mit meinem Vater geteilt. Schließlich kann ich ihn doch nicht einfach sterben lassen! Und jetzt werde ich für die Hungerspiele ausgelost. Das ist so ungerecht!" Heiße Tränen laufen mir vor Wut über die Wangen. Die Avox wischt sie mir aus dem Gesicht und legt einen Arm um meine Schulter. Dann ballt sie eine Faust und vergräbt ihren Daumen darin. Sie wünscht mir viel Glück. „Danke", murmle ich leise. „Ich weiß, dass ich das schaffen kann", rede ich weiter und weiß, dass ich es auch sage, um mir Mut zuzusprechen. Die Avox lächelt mir zu und nickt. Dann hebt sie das Kissen auf und verlässt den Raum.

Jetzt, da mir noch bewusster ist, dass ich gewinnen muss, allein, weil alles Andere ungerecht wäre, muss ich mir eine Strategie zurecht legen. Mein Mittribut ist noch jung. Bei ihm kann ich nichts verkehrt machen, wenn ich mich vorerst schwach zeige, um mir ein Bild von ihm zu machen. Entschlossen stehe ich auf und suche das Zimmer des Jungen.

Als ich es gefunden habe, klopfe ich an und öffne langsam die Tür, um meinem Mittribut die Möglichkeit zu geben, mir den Zugang zu verweigern. Ich bleibe wie angewurzelt stehen, als mir bewusst wird, dass sich der Junge gerade anzieht. Doch bevor mir die Situation zu peinlich werden kann, bemerke ich die Narben auf dem Rücken des Jungen, bevor er ein T-Shirt überstreift. „Was ist denn mit dir passiert?", frage ich schockiert. Grinsend dreht sich der Junge um. „Guten Abend, ich bin Pär." „Ally", erwidere ich. „Mich wundert es, dass du nicht weißt, woher die Narben sind." Verwirrt sehe ich ihn an. „Du musst entweder taub oder blind sein. Bist du eins von beidem?", fragt er mich musternd. Überrascht schüttle ich den Kopf. „Komisch... Sie haben mich damals auf dem Marktplatz ausgepeitscht. Ich habe so laut gebrüllt, wie ich konnte, damit sie danach stundenlang Ohrenschmerzen haben", verkündet Pär stolz und grinst über beide Ohren. „Warum haben sie dich ausgepeitscht?" „Sagen wir es mal so: Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit meinem Lehrer, der ein wahrer Fan der Hungerspiele ist." Dieser Junge muss aufpassen, was er sagt, sonst macht er sich bei den Kapitolbewohnern nicht wirklich beliebt. Aber das sage ich ihm nicht. Denn vielleicht ergibt sich so ein Vorteil für mich, wenn sie ihn ins Visier nehmen, wenn sie ein Todesopfer zur Spannungserzeugung während der Hungerspiele benötigen. „Magst du Gemüse?", fragt Pär auf einmal. „Ja. Warum?", frage ich verwirrt. „Du bist gerade rot wie eine Tomate geworden!" Pär bricht in Gelächter aus. Sein Lachen ist verdammt ansteckend, weshalb ich nicht anders kann, als ebenfalls mit zu machen. Anscheinend freut sich Pär darüber sehr, weil er nun zufrieden lächelt. Seine grünen Augen strahlen mir entgegen.

„Was willst du eigentlich hier?" „Ich wollte wahrscheinlich nachgucken, ob ich dich trösten muss", ist die erste Antwort, die mir einfällt. Pär muss schon wieder lachen. „Du bist witzig." „Bist du denn nicht traurig, weil du ausgelost wurdest?", frage ich ehrlich überrascht. „Ich weiß es nicht. Es war gar nicht so unwahrscheinlich, dass ich ausgelost werde. Meine Schwester hat mich immer alle Tesserasteine holen lassen, damit ihre Lose gering bleiben. Aber wenn ich jetzt im Kapitol bin, kann ich den ganzen, eingebildeten Schminkpuppen meine Meinung sagen." „Das meinst du doch nicht ernst, oder?" Entsetzt sehe ich ihn an. Pär zuckt mit den Schultern. „Ich sollte mich wohl lieber von dir fern halten", murmle ich und verlasse hastig das Zimmer. Noch nie hat ein Tribut im Kapitol seine Meinung gesagt. Pär kann doch nicht so dumm sein und wirklich rebellieren

Blut schmeckt salzig Rache ist süß Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt