Kapitel 4

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Der nächste Morgen weckte mich mit Regen. Regen. Den hatte es an der Ostsee oft gegeben. Und Sturm. Wie ich es vermisste. Gähnend streckte ich mich und schaute aus dem Fenster. Zahlreiche kleine Tropfen schlugen gegen die Scheibe und hinterließen ein leises Plätschern. Nach ein paar Minuten stand ich auf und zog mir ein frisches T-Shirt und eine Jogginghose an. Dann ging ich die Treppen hinunter, in die Küche. „Guten Morgen." Meine Mutter war schon dabei, Frühstück zu machen. Etwas verwirrt darüber, dass sie schon wach war, setzte ich mich an den Küchentisch. „Morgen.", murmelte ich müde. Sie stellte eine Schüssel und die Cornflakes vor meine Nase, die ich gestern gekauft hatte. „Danke." Ich schnappte mir den großen Löffel, den sie gerade hinlegen wollte und öffnete die Packung. Als hätte ich die letzten Tage nichts gegessen, machte ich mich über die kleinen, runden Kugeln her, die aus der Tüte in die Schüssel fielen. „Leo, kannst du dich nicht mal benehmen?" Mit vollem Mund sah ich zu meiner Mutter auf und verschluckte mich beinah. „Sorry.", gab ich schmatzend zurück. Der grimmige Gesichtsausdruck meiner Mutter verwandelte sich in ein Lächeln.

Nach dem Frühstück packte ich die restlichen Sachen aus meinem Koffer. Bilder von meinen Freunden und mir, Bücher, CD's. All das verstaute ich in dem großen Schrank. Als letztes nahm ich das Kissen, was wir gestern gekauft hatten und setzte es auf mein Bett. „Sieht doch schon viel wohnhafter aus.", stellte ich stolz fest und setzte mich auf die große Fensterbank. Inzwischen hatte der Regen nachgelassen und es plätscherten nur noch kleine Tropfen gegen die Scheibe. Nachdenklich sah ich zu dem großen Haus, in dem Chris wohnte. Was er wohl gerade machte? Kopfschüttelnd warf ich diese Frage aus meinem Kopf. „Vergiss diesen Typen einfach.", sagte ich zu mir selbst und stand auf. Mit leisen Schritten ging ich die Treppen hinunter ins Wohnzimmer. Erst jetzt fiel mir die große Terrassentür auf. Obwohl es immer noch regnete, schnappte ich mir meine Regenjacke, die an der Garderobe hing und öffnete die große Glastür. Der Himmel war in ein helles Grau gefärbt und die Tropfen schlugen auf mein Gesicht. Ich schloss die Tür hinter mir und betrat den großen Garten, der mir bisher überhaupt noch nicht aufgefallen war. All das erinnerte mich an mein Zuhause. Selbst ein Strandkorb stand auf der Terrasse. „Wow." Ich ließ mich in das weiche Polster sinken. Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich nach hinten. Es war ein Traum. Vor mir sah ich das Meer und die Möwen. Versunken in diese Gedanken und Bilder verschwamm der Rest der Umgebung um mich herum und ich war wieder an der Ostsee. Ich saß auf unserer großen Holzterrasse mit Blick auf den Strand und das Wasser. Ich erhob mich aus der hellbraunen Hängematte, die meine Eltern mir zu meiner Einschulung geschenkt hatten und stand auf. Mit langsamen Schritten bewegte ich mich auf das Meer zu. Der Sand rieselte zwischen meinen Zehen hindurch. Ich schloss die Augen für einen kurzen Moment. Als ich sie öffnete, war das Meer verschwunden. Graue Wolken hingen vom Himmel. Der Regen hatte sich verzogen und eine angenehme Wärme erfüllte die Luft. Ich sah zu dem großen Haus mit den verglasten Fenstern. Bei genauem Hinsehen, bemerkte ich einen Schatten hinter den Gardinen. Ich drehte mich weg und starrte auf den Boden. Vorsichtig wandte ich meinen Blick noch einmal hinüber. Der Schatten war verschwunden. Ich atmete tief durch. „Alles nur Einbildung.", sagte ich zu mir selbst und stand auf, um wieder ins Haus zu gehen. Seit meiner Begegnung mit Chris, schwirrte dieser Typ ständig in meinem Kopf herum. Dabei wusste ich rein gar nichts über ihn. Kopfschüttelnd stieß ich fast mit meiner Mutter zusammen. Erschrocken sprang ich zurück. „Sorry.", murmelte ich und kicherte leise. Nach dem ersten Schreck musste auch meine Mutter anfangen zu lachen. „Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken?", fragte sie und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, wo sie sich auf das Sofa setzte. „Habe an Zuhause gedacht.", log ich und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Im Flur nahm ich mir meine Strickjacke, zog meine schwarzen Sneakers über und trat zur Haustür. „Bin in einer Stunde wieder da.", rief ich an meine Mutter gewandt und öffnete die Tür. Nicht mal ein „Okay" bekam ich zurück. Dann halt nicht. Ich schloss die Tür hinter mir und ging durch den Vorgarten zum Fußweg. Mit einem leisen Knarren fiel das Gartentor ins Schloss. Tief durchatmend sah ich zu dem Haus rüber, in dem Chris wohnte. Ich drehte mich um und nahm mir vor, nicht nochmal zurück zu sehen. Mit langsamen Schritten trat ich auf die Straße. Reifenquietschen. Schreie. Dunkelheit. Noch eh ich an etwa denken konnte, wurde mir schwarz vor Augen und ich fiel in ein tiefes Loch. Die Schreie verblassten. „Leonie!" Ich kannte diese Stimme, aber ich wusste nicht woher. „Leonie!" Mit letzter Kraft versuchte ich mich an sie zu erinnern. Dann wurde ich von der Dunkelheit aufgesaugt.

Whoop, whoop. Spannung. :D Wie es wohl weiter geht und wem die Stimme gehört? Das erfahrt ihr im nächsten Kapitel. :p

Für Kritik und Verbesserungsvorschläge bin ich offen. ☺

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