Brief Nr. 4

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Liebster Namenloser,

zu schnell vergeht die Zeit in Deiner Nähe. Sie zieht so rasch davon damit nur keiner bemerkt, wie viel erhabener Du bist! Sie schämt sich. Doch gleichwohl, lässt sie's sich nicht nehmen, sich zu dehnen und zu drehen, all' ihre Facetten zu präsentieren, wenn Du mir fern bist.

Sie ist neidisch auf Dich! Denn nur in der Vergänglichkeit liegt die Perfektion. Und neidisch sein kann sie wahrlich, denn selbst die Engel  singen nicht süßer als Du sprichst. Kein Weiser vermag Deinen Witz, deine Schläue und Durchdachtheit ernsthaft zu durchschauen, zu umfassend sind Deine Gedankengänge, keiner kann auf so hohen geistigen Pfaden wandeln wie Du. So bist Du dennoch bescheiden! Gibst zurück selbst noch das kleinste Kompliment, ohne Scheinheiligkeit und Schleimerei! Du bist ein König ohne Krone, ein Sehender unter Blinden, ein Hörender unter Tauben. Ein Herrscher des Geistes und der Gaben, mit Anmut, Ritterlichkeit und Höflichkeit geschlagen. Was gäbe ich darum, Dich an meiner Seite zu wissen; einen Tag nur, eine Stunde, selbst eine Minute, nein, Sekunde wär mir recht. Ich wäre glücklich genug ein Lebenlang davon zu zehren und noch immer als beschenktester Mensch zu sterben.

In Hoffnung Dich bald zu sehen

Für immer die Deine


Briefe an NiemandenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt