sister

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Wir waren nie die typischen Geschwister. Wir streiten nur selten, erzählen uns alles und vertrauen es. Wir verbringen Zeit miteinander und ich weiß nicht, wie oft ich sie schon mit zu den Treffen mit meinen Freunden genommen habe. Da spielt es keine Rolle, dass sie zwei Jahre jünger ist, als wir alle, denn bei uns zählt der Charakter und das was man Denkt. Die geistige Reife und nicht die Anzahl der Jahre, die man schon auf der Erde ist.

Doch plötzlich schien sich alles zu ändern, es begann, als sie auf das Gymnasium kam. Ihr strahlendes Lächeln am ersten Schultag, mit welchem sie uns verkündete, dass sie die Schule liebt, verging schneller und sie wurde leiser. Ruhiger und verschlossener. Sie lacht nicht mehr, sagten mir meine Freunde und vielleicht hätte ich da schon reagieren sollen?

Mitten in der Nacht wurde ich wach, als ich sie leise weinen hörte, ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass es zwei Uhr in der Früh ist. Ich bin aufgestanden und wollte zu ihr ins Zimmer gehen, dass direkt neben meinem liegt, aber als ich vor der Tür stand, hörte ich etwas, dass mir das Herz zerbrach. 

"Ich will sterben", flüsterte sie mir kratziger Stimme und ohne etwas getan zu haben, ging ich wieder in mein Zimmer. Vielleicht hätte ich handeln sollen?

Es ging so weiter, sie erzählte uns nur wenig, lud nie Freunde zu uns ein und jedes Mal, wenn sie mit mir mitkam, lachte sie ständig. Sie schien etwas zu verstecken, lehnte keine der Kippen mehr ab, die ihr angeboten wurden und saß da, mit ihrem schwarzen Hoodie, der ihr mehrere Nummern zu groß war, die rauchende Kippe zwischen den Fingern und die Haare ins Gesicht gekämmt, während sie die Wodkaflasche an ihre Lippen setzt und doch reagiert keiner. Sie sehen alle nur mich an, als müsste ich für meine 15 Jahre alte Schwester die Verantwortung übernehmen. 

Ich wollte nur die frische Wäsche in ihren Schrank räumen und da fiel eine Tüte heraus. Sie entleerte sich auf dem Fußboden, sodass blutige Verbände, Taschentücher und mehrere Packungen Rasierklingen auf dem Teppich verteilt waren. Zum Glück, oder vielleicht auch zum Pech, waren unsere Eltern nicht da, denn sonst hätten sie meinen verzweifelten Schrei gehört. Kurz dachte ich daran, das alles wegzuwerfen, besinnte mich dann aber und schrieb einen kleinen Zettel, den ich in die Tüte lege und sie wieder an ihrem Platz verstecke.

"Du hast geschnüffelt!", schrie sie und warf mir den Zettel auf den Fußboden. Ab diesem Tag redete sie nicht mehr mit mir und kam auch nicht mehr mit zu meinen Freunden. Stattdessen ging sie mit irgendwelchen Leuten weg. Wochen später erfuhr ich, dass es ein Junge war, der sie nur verarschte. Zusammen mit ihm und seinen Freunden betrank sie sich jedes Wochenende. Hätte ich handeln sollen?

Irgendwann blieb sie zuhause, aß nicht mehr und verließ ihr Zimmer nicht mehr. Durch einen kleinen Zufall sah ich ihren Tumblr Blog auf ihrem Handy und suchte ihn. Das was ich sah, zerriss mir das Herz. Meine kleine Schwester will sterben. Sie will nicht mehr. 

Noch am selben Tag stand sie in der Nacht weinend in meinem Zimmer. So endeten wir auf meinem Bett, beide weinend und nichts sagend. Am nächsten Morgen schickte ich unsere Mutter weg und sie sah uns kopfschüttelnd an. Was keiner von uns wusste, sie rief in der Schule an. Das sollte der größte Fehler sein.

"Sie hassen mich", flüsterte sie plötzlich und starrte mit verweinten Augen an die Wand. Tiefe Augenringe zierten ihr blasses Gesicht und tiefe Schatten sind unter ihren Wangenknochen. Zum Ersten Mal begriff ich, was aus meiner Schwester geworden war. Sie zog ihre Ärmel über die Hände und sah mich traurig an. 

"Ich bin ein niemand", sagte sie und ich begann zu weinen, ehe sie verschwand. Zu dieser Zeit redete der Klassenlehrer mit ihrer Klasse. Sekunden später landeten die ersten Beleidigungen und Anschuldigen auf ihrem Handy. 

Ich schlucke und lasse die weiße Rose zusammen mit der schwarzen auf das Grab sinken. Das war das letzte Mal als ich sie sah. Sie rannte an mir vorbei, aus dem Haus und dann war es aus. Ich rannte ihr nach, schrie ihr nach, aber die Brücke war schneller erreicht, als ich bei ihr war. Hätte ich handeln sollen?

"Ich liebe dich doch", wispere ich und starre auf das Bild, dass dort liegt. Es ist von den Treffen mit meinen Freunden, wie sie dasaß und sich das Lächeln aufzwang. 

"Ich hätte handeln sollen", murmele ich und stehe auf, ehe ich wortlos an meinen Eltern vorbeigehe. Wir haben uns nichts mehr zu sagen, nichts mehr seitdem sie vor zwei Jahren gegangen ist. Nichts mehr, seit ich versuchte ihr zu folgen und seitdem eingesperrt auf der Geschlossenen Abteilung bin. 

"Ich hätte handeln sollen", wiederhole ich wieder und spüre die Tränen, die mir übers Gesicht rinnen, als ich wieder in das Auto einsteige und die Worte des Psychologen ignoriere, der mich schon seit meiner Einweisung von meiner Unschuld überzeugen will. Doch ich weiß er lügt. Ich hätte handeln sollen.

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N bisschen was trauriges aber ja. Sally hat wieder Ideen. (Man könnte es wahrscheinlich auch als FF sehen und Taddl/Ardy usw. als großen Bruder sehen, war ursprünglich mit großer Schwester gedacht)

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 07, 2016 ⏰

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