Die Banane Maria

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Der Beginn einer aufregenden Reise.

Seit ich denken konnte, wurde ich auf diesen Augenblick vorbereitet. Die ganze Zeit über ging es um nichts Anderes. Schon als Samenkorn wurde uns von unseren Eltern eingebläut, uns anzustrengen, damit wir ausgewählt werden. Unsere Farbe sollte leuchtend gelb sein, so wie die Sonne. Die Konsistenz unseres Inneren fest und vor allem schmackhaft. Aber am wichtigsten war die Krümmung – das war auch gleichzeitig der schwierigste Teil am Reif-werden. Wir sollten schön groß und prall werden, aber durften weder zu gerade als auch zu krumm werden. Das war gar nicht so leicht! Einerseits strengt man sich an, streckt sich, um mit seinen Geschwistern so lang zu werden wie möglich, doch dabei darf man die Krümmung nicht vergessen. Andererseits darf man der Krümmung auch nicht zu viel Beachtung widmen, denn sonst ist man zu krumm und nicht lang genug. Wahrscheinlich geht es den Menschen beim Reifen auch nicht anders, sie strengen sich an, um die Besten zu sein. Und jetzt strengen sie sich an, um sich die besten Bananen auszusuchen. Genau das war der Augenblick, der unser Leben vollendet. Wir sind Bananen, wir sind dazu da, um gegessen zu werden. Meine Bestimmung war es, irgendwann in einem Einkaufsladen zu liegen und von einem Menschen ausgesucht und anschließend gegessen zu werden. Bisher hatte ich keine Angst davor gehabt, doch während ich jetzt beobachtete, wie die Bananenpflücker zu uns auf die Bäume kletterten und viele meiner Cousins und Cousinen bereits unten in den braunen Flechtkörben lagen, wurde mir doch etwas flau in der Krümmungsmitte. Eh ich mir noch weitere Gedanken darüber machen konnte, war es so weit. Mein Mutterbaum schwankte bedrohlich, während er vom Pflücker erklommen wurde. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er mit dem Messer, das im warmen Sonnenlicht gefährlich glänzte, ausholte und schon befanden wir uns im freien Fall. Am liebsten hätte ich geschrien, so unangenehm war es mir und meine Krümmung kribbelte ganz seltsam - aber wie ihr vielleicht wisst, können Bananen leider nicht schreien. Es dauerte nicht mal eine Sekunde, da wurden wir sanft von einem anderen Pflücker aufgefangen und schaukelten lustig auf und ab, während er dem Sonnenlicht folgte. Ich konnte nicht sehen, was als nächstes passierte, doch plötzlich ging es nach oben und dann schwankten wir an meiner Familie vorbei. Es war das allererste Mal, dass ich so viele Familienmitglieder sah! Viele meiner Cousins und Cousinen, Geschwister, Tanten und Onkel fuhren mit mir in dieselbe Richtung, doch auch noch andere Verwandte standen links und rechts in langen Reihen von dem Gefährt, das uns transportierte. Es machte lustigerweise sehr viel Spaß! Ich hätte mir also gar nicht so viele Gedanken über meine lange Reise, bis ich endlich in einem Markt lag, machen müssen! Und noch nie hatte ich so viel von der Welt gesehen. Während wir durch diese Plantage - so sagen die Menschen, glaube ich, zu meiner Großfamilie - fuhren, sah ich sehr seltsame Gestalten. Menschen und Vögel kannte ich bereits, aber es gab auch noch seltsame Kreaturen, die ganz schnell über den Boden huschten und komplett mit einem seltsamen Flaum, wie ihn manche Pflücker auf dem Kopf und im Gesicht haben, bedeckt waren. Das Glitzern des Wassers zwischen den einzelnen Segmenten hatte ich ebenso noch nie gesehen und war auf den ersten Blick davon verzaubert. Es sah so wunderschön aus, wie sich das herrlich warme Sonnenlicht, das mich bisher wunderschön dunkelgrün gefärbt hatte, in dem Wasser brach. Noch während ich verträumt den letzten Kanal, an dem wir vorbei gekommen waren, betrachtete, packten uns erneut menschliche Hände und hoben uns aus dem Gefährt. Sanft wurden wir entgegen genommen. Was war das nur für eine schöne Behandlung? Nie hatte mir jemand aus meiner Familie erzählt, wie wunderschön die Reise an unseren Bestimmungsort wirklich ist. Aber gut, es gab nie jemanden, der uns von der Reise erzählen konnte, dadurch blieb uns nur unsere eigene Fantasie. Während ich der Reise sehr ängstlich gegenüber gestanden hatte, hatten viele meiner Geschwister sie sich in den buntesten Farben ausgemalt. Sprachen von den leuchtenden Farben, die einige Pflückerinnen auf dem Kopf trugen, vom blauen Himmel und der gelben Sonne. Und keiner konnte es so richtig erwarten, bis wir reif und leuchtend gelb bereit zum Kaufen waren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 08, 2016 ⏰

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